Cannes 2009 - Ablehnung und Respekt vor Lars von Trier

20.05.2009 - 12:00 Uhr
Lars von Trier
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Das Filmfestival ist immer für Polarisierung gut. In diesem Jahr sorgt der Antichrist von Lars von Trier für Aufruhr und Ablehnung, für Lob und Respekt. Wie können uns dem nicht entziehen und stellen hier noch einmal die Reaktionen der Kritiker zusammen.

Zwei Menschen haben Sex miteinander. Sie sind Eltern und ihr kleines Kind liegt im Nebenraum in seinem Bett. Es klettert raus, stellt sich aufs Fensterbrett, schaut sich die Welt an und fällt kurze Zeit später hinunter. So beginnt Antichrist von Lars von Trier und schon in dieser Szene steckt viel von dem, was der Zuschauer dann später zu sehen bekommt: Sex, Schuld, Weltsichten. Kein Film sorgt aktuell für derart kontroverse Meinungen wie der Horrorthriller des Dänen.

Die Gesamtheit seiner Empfindungen beim Sehen des Films kann Tobias Kniebe von der Süddeutschen Zeitung gar nicht weitergeben. “Schönheit. Horror. Schock. Entsetzen. Komik. Ja, diese Bilder haben auch etwas Komisches, so gnadenlos, wie sie die Macht des Kinos in Anschlag bringen, alle Sinne überwältigen wollen, scheinbar nur für den niedersten, den verboten niederträchtigen Zweck. … Hier filmt einer, der endgültig nichts mehr zu verlieren hat, dem nun alle Reaktionen recht sind, solange sie nur stark genug ausfallen, der alle Hass-Analysen der letzten Jahre, Frauenfeindlichkeit, Menschenfeindlichkeit, Sadismus, nun vollständig in sein Selbstbild integriert hat.”

Andere sehen es nicht so. Es ist gerade dieses Ich-Bezogene des Regisseurs, was sie kritisieren. Jan Schulz-Ojala im Tagesspiegel fragt sich zum Beispiel, wie er mit diesem maßlosen Zeugnis der Misogynie eines Regisseurs umgehen soll. "Nichts ist geblieben von dem großen Dänen, abgesehen von seinem Eigensinn und seiner stilistischen Konsequenz, die Kameramann Anthony Dod Mantle mit zuverlässigem Nachdruck umsetzt. Vielleicht hält man es am besten mit dem Sarkasmus von “Variety”: Antichrist, schreibt das US-Branchenblatt, sei ein “tolles Date Movie für Sado-Maso-Paare.”"

Oder Verena Lueken von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die dem Ganzen nicht viel angewinnen kann. “Was der Regisseur da macht, ist verkünstlerischtes, aufgeblähtes Genrekino, das mehr sein will als Genre, und das seine beiden furchtlosen Hauptdarsteller, Willem Dafoe und Charlotte Gainsbourg, ohne guten Grund in einer schauspielerischen Tour de force verheizt. Einzig, dass Lars von Trier nicht mehr Kreidestriche auf den Studioboden zieht und in diesen Kästchen Text aufsagen lässt wie in Dogville und Manderlay, ist unbedingt zu begrüßen.”

Kein Wunder, denn die Journalisten waren in der Pressevorführung wirklich geschockt. Auf die Reaktionen des Publikums hat Rüdiger Suchsland auf artechock genau geschaut. "Schockiert, mit bleichen Gesichtern, manche grinsend, andere kopfschüttelnd, viele nachdenklich und ungewohnt schweigsam, taumelten die viel gewohnten internationalen Kritiker aus dem Kino. Erschüttert. Zuvor hatte sich lautes “Buh” und Beifallsklatschen in etwa die Waage gehalten, und man hatte einen Film gesehen, wie man ihn auch auf einem Filmfestival nicht oft zu sehen bekommt, einen Film, der unmittelbar zu “dem” Aufreger des diesjährigen Wettbewerbs wurde, und von dem man sich noch in Jahren erzählen wird. Für derartige Provokationen auf höchstem Niveau ist von Lars von Trier immer gut, und wer Antichrist gesehen hatte, konnte auch sämtliche Zuschauer-Reaktionen irgendwie nachvollziehen."

Ab 10. September wird der Film bei uns in den Kinos anlaufen. Wegen der kontroversen Cannes-Presse sind ihm bestimmt einige mehr Zuschauer sicher.

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