Vorweg: Wir wissen nicht, was der Mogli-Deal zwischen Netflix und Warner Bros. gekostet hat. Die Partner schweigen sich über den Preis aus, aber der Deal dürfte Konsequenzen haben, für uns alle, die wir das Kino lieben und am liebsten Filme auf der großen Leinwand schauen, Filme, die dafür gemacht sind. Vielerorten wurde vom bisher größten Netflix-Coup geschrieben. Und das stimmt: Für Netflix muss es als großer Erfolg angesehen werden, dass sich der Streamingdienst einen Hollywood-Eventfilm mit großem Budget schnappt und exklusiv bei sich vermarkten kann. Einmal mehr zeigt sich, dass der erfolgreiche Streamingdienst den klassischen Filmstudios auf ihrem eigenen Terrain den Platz streitig macht. Dabei unterstützen die Studios den VOD-Anbieter fleißig, wie schon die klassischen TV-Sender, die Netflix in die Karten spielen.
Mogli ist vielleicht der richtige Film zur falschen Zeit
Bereits seit 2012 wird an Mogli gearbeitet. Die Romanverfilmung sollte am 25.10.2018 in den deutschen Kinos starten, aber nun wird der Film, bei dem Andy Serkis Regie führte, im Frühjahr 2019 auf Netflix seine Premiere feiern. Im Mai 2018 gab es erstes Trailer-Material zu sehen und zahlreiche moviepiloten waren wegen es vielversprechendem neuen Anstrich durchaus angetan. Kein lauwarmer Aufguss, sondern eine düstere Version des Dschungelbuchs deutete sich an, eine perfekte Romanverfilmung, die endlich die Süße und Naivität der Disney-Version der Geschichte außen vor lässt.
Trotz allem konnte der Streifen die Führungsriege von Warner Bros. nicht überzeugen und das mag weniger an der Qualität statt am Timing liegen. Schon länger ist die Konkurrenz auf dem Fantasy-Markt groß und die jüngste Disney-Adaption The Jungle Book, die weltweit mehr als 966 Millionen Dollar einspielte, aller Wahrscheinlichkeit nicht zu toppen. Warum sollten sich Zuschauer nach so kurzer Zeit für eine weitere Dschungelgeschichte interessieren?
Warner Bros. kann sich konzentrieren
Der Verkauf von Mogli an Netflix ist auch eine Risiko-Minimierung. Warner Bros. ist das einzige große Hollywood-Studio, das noch knapp über 30 Filme pro Jahr ins Kino bringt und damit seit mehreren Jahren das Studio mit dem größten Output ist. Die Filme wollen nicht nur gedreht werden, weltweite Marketingkampagnen stehen an, gezielte Oscar-Werbung ist erwünscht etc. Disney konzentriert sich mittlerweile auf knapp über 10 Streifen pro Jahr und erzielt zumindest an den Kinokassen deutlich größere Erfolge.
Wie ihr sehr schön sehen könnt, war die Ausgangssituation bei der Anzahl der ins Kino gebrachten Filme um die Jahrtausendwende für beide Studios ungefähr gleich, aber seitdem hat sich viel verändert. Disney ist seit drei Jahren in Folge das erfolgreichste Studio am Box Office, trotz oder gerade wegen dieser Konzentration. Warner Bros. kämpft mit Problemen auf vielen Fronten, etwa beim DC Extended Universe oder mit Filmen, die ein Franchise hätten werden können, es aber nicht schafften, wie zum Beispiel die aufwendigen Produktionen King Arthur: Legend of the Sword, Legend of Tarzan und Pan, die an den Kinokassen keinen Erfolg erzielten. Weniger ist manchmal mehr, sagen sich vielleicht auch die Warner Chefs um Toby Emmerich. Für uns als Zuschauer hätte dies Konsequenzen, denn manchmal ist es gerade das Risiko, das die beste Kunst hervorbringt.
Netflix springt bei möglichen Flops in die Bresche
Mit dem Mogli-Verkauf an Netflix hat Warner Bros. die Möglichkeit, dass wirtschaftliche Risiko im Rahmen zu halten. Ein mögliches Fiasko an den Kinokassen und damit ein weiteres schlechtes Licht auf das Studio wird gar nicht erst eintreten. Netflix etabliert sich damit als Ausputzer, der sich taktisch im Hintergrund hält, aber im richtigen Moment zur Stelle ist. Das funktionierte schon 2017 bei Auslöschung hervorragend, einem Film, den Paramount ins Kino bringen wollte, aber dann doch kein Potential sah und zu Netflix gab. Für den Film selbst war dies wahrscheinlich ein Vorteil, denn
- Netflix übernahm einen Großteil der Kosten,
- zudem wurden Ausgaben für Marketing und Verleih reduziert und
- weltweit ein größeres Publikum erreicht.
All das wird wahrscheinlich auch für Mogli eintreffen. Als Sieg können wir diese Strategie trotzdem nicht feiern, denn auf lange Sicht bleibt das Kino auf der Strecke.
Bei Auslöschung mag die Strategie funktioniert haben, am Beispiel The Cloverfield Paradox zeigt sich dagegen, dass Filme bei Netflix auch untergehen können. Hier interessierte kurzzeitig der Marketing-Effekt, der mit der Bekanntgabe beim diesjährige Super Bowl erreicht wurde. Über den Film an sich redete nach wenigen Tagen schon keiner mehr. Mogli will allerdings ein Film sein, der bei einer klassischen, mehrfach verfilmten Geschichte bewusst neue Wege geht. Regisseur Andy Serkis betonte in Interviews des Öfteren den frischen Blickwinkel auf den vertrauten Stoff. Ob es dazu nun einen Diskurs gibt, werden wir abwarten müssen. In der Regel ist die mediale Aufmerksamkeit bei einem Netflix-Start jedoch von deutlich kürzer Dauer als bei einer Kinoauswertung, die sich über mehre Wochen erstreckt. Schade ist außerdem, dass wir Mogli nie auf der großen Leinwand sehen werden, wo der ursprünglich mit einer 3D-Version bedachte Film, seine gesamte Pracht entfalten kann. Alles in allem ein Verlust fürs Kino.
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Was haltet ihr von dem Mogli-Deal zwischen Warner Bros. und Netflix? Wird er das Kino verändern?