Der bisher beste Film 2021 ist ein 3-stündiges Feuerwerk aus Emotionen und Style

12.08.2021 - 10:20 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
Fabian oder der Gang vor die HundeLupa Film, Hanno Lentz, DCM
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Ein 3 Stunden langer Film über deutsche Geschichte? Genau das ist Fabian oder der Gang vor die Hunde und noch viel mehr. Dominik Graf hat damit nichts weniger als den Film des bisherigen Jahres geschaffen.

Wer sich einen Film über die gesellschaftliche Verfassung in Deutschland Anfang der 1930er vorstellt, denkt wahrscheinlich schnell an langweiligen Geschichtsunterricht. Fabian oder Der Gang vor die Hunde handelt genau davon, doch von einer öden Schulstunde könnte die Adaption von Erich Kästners Roman kaum weiter entfernt sein.

Mit elektrisierenden Stars in den Hauptrollen hat Regisseur Dominik Graf ein Meisterwerk gedreht. Allein die erste halbe Stunde fegt die Zuschauenden wie ein kaum zu fassender Rausch weg, bevor die Tragik der Figuren zwischen einer berührenden Liebesgeschichte nach und nach alles in den Abgrund reißt. Wer den bisher besten Film 2021 sehen will, sollte unbedingt noch zu Fabian ins Kino!

Fabian peitscht im Kino den langweiligen Historienfilm mit einem Style-Feuerwerk voran

Grafs Film zeigt das Berlin am Ende der Weimarer Republik als lustvolle Aneinanderreihung nächtlicher Attraktionen. Hauptfigur ist der junge Jakob Fabian, der eigentlich Germanistik studiert hat und sich seinen Lebensunterhalt tagsüber als Werbetexter eines Zigarettenherstellers verdient, bis er eines Tages seinen Job verliert.

Schaut hier noch einen Trailer zu Fabian:

Fabian oder Der Gang vor die Hunde - Trailer (Deutsch) HD
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Nachdem die beeindruckende Anfangssequenz ohne Schnitt aus der Gegenwart in die Vergangenheit zurückführt, tobt sich Dominik Graf bei der Darstellung der damaligen Hauptstadt stilistisch ohne Verschnaufpause aus. Vor allem in der ersten halben Stunde ist Fabian ein Film, der zwar in der Vergangenheit spielt, durch die Bilder aber unglaublich fiebrig, verspielt, rauschhaft und vor allem extrem modern daherkommt.

Ausufernde Nachtclub-Szenen aus dieser Zeit hat die TV-Serie Babylon Berlin zuletzt schon vorgemacht, doch Dominik Graf verwandelt seinen Film nochmal in einen ganz eigenen Exzess. Generell ist der Regisseur als deutscher Genre-Spezialist bekannt, der Thriller-Höhepunkte wie Die Katze oder Im Angesicht des Verbrechens gedreht hat.

Albrecht Schuch und Tom Schilling in Fabian

Die getriebene Stilwut aus seinen Genre-Filmen hat Graf jetzt auch auf das Genre der Literaturverfilmung übertragen und das Ergebnis muss man selbst erleben. Im gefühlten Sekundentakt wechseln hier die Kameratechniken, wenn der Regisseur von wacklig-digitalen HD-Bildern mit Handkamera zu ultrakörnigem Super 8 wechselt, während das eh schon schmale 4:3-Bildformat den Rausch zu extrem knappen Momentaufnahmen verdichtet.

Dazu kommt die Tonspur, die Graf zunächst fast schon aggressiv in den Hintergrund mischt, wodurch sich viele Dialoge wie in einer lauten Bar kaum noch verstehen lassen. Zooms, eingeschnittene Schwarz-Weiß-Bilder und als früher Höhepunkt eine Party-Sequenz, die in mehrere, nebeneinanderher treibenden Split Screens zerteilt wird, runden das Style-Feuerwerk ab.

Schon nach einer halben Stunde hat mich Fabian erschöpfter, aber auch glücklicher berauscht als jeder andere Film 2021 zurückgelassen.

Fabian ist noch viel mehr als nur Kino-Exzess und Style-Feuerwerk

Selbst Dominik Graf war sich aber bewusst, dass er so eine Stilwut niemandem volle 3 Stunden lang zumuten kann. Nachdem Fabian bei der Party im Split Screen-Format die aufstrebende Schauspielerin Cornelia kennenlernt, wandelt sich Fabian vom rauschhaften Sittengemälde zur einfühlsamen Liebesgeschichte, die immer wieder vom apokalyptischen Schatten des bevorstehenden Nationalsozialismus gefärbt wird.

Saskia Rosendahl und Tom Schilling in Fabian

Trotzdem ist Graf hier auch klassischer Romantiker, der die zärtlichen Momente zwischen Fabian und Cornelia manchmal geradezu endlos auskostet – auch wenn ihm und uns klar ist, dass dieser Höhenflug der Gefühle auch noch zum Absturz führen muss.

Neben dem Style-Feuerwerk entpuppt sich Fabian so als schauspielerische Glanzstunde, bei dem vor allem das zentrale Trio aus Tom Schilling als Fabian, Saskia Rosendahl als Cornelia und Albrecht Schuch als Fabians bester Freund Labude brillieren.

In ihrer Beziehung zueinander zeigt Graf wieder auf sehr moderne Art Menschen, die an ihren Idealen scheitern oder verzweifeln, orientierungslos bis zum Fall über dem Abgrund taumeln oder zur Einsamkeit verdammt werden. Auch wenn Fabian Anfang der 1930er spielt, fängt er dadurch manchmal schmerzhaft genau heutige Gefühlswelten ein.

Einen auf dem Papier 3 Stunden langen, langweiligen Schulunterricht so aufregend und eindringlich zu gestalten, das kann nur ein Jahreshighlight 2021.

Habt ihr Fabian oder der Gang vor die Hunde schon gesehen oder wollt ihr Dominik Grafs Film noch schauen?

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