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Der Film steht und fällt mit dem Auftritt

31.12.2014 - 08:07 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Den Guardians gehört der Raum
Disney
Den Guardians gehört der Raum
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Bei Bette Davis geschah es meistens über eine lange Wendel-Treppe, die Warnertreppe. Sie schreitet mit bewusster Langsamkeit hinunter, auf sie warten ist ein Privileg, man hat also Geduld zu haben. Die Blicke saugen sich an ihr fest, eine merkwürdige Gegenbewegung zur Kamera, die allmählich von Total zu Nah wechselt, um keine Regung ihrer Robe zu verpassen. Ein guter Auftritt sagt: Fasten your seat-belts, it's going to be a bumpy night!


Es war der Theatermann Einar Schleef der feststellte, dass ein guter Auftritt wie eine Senkrechte in den Raum startet. Bamm und sie, er, ist da. Als hätte der Raum mit einemmal sein endgütiges Zentrum gefunden und wie ein schwarzes Loch saugt es sein Umfeld ein.

Der große Auftritt ist das Markenzeichen der männlichen und weiblichen Diven des alten Hollywood. Dabei ist bemerkenswert, wie sich die große Geste im Laufe der Filmhistorie zugunsten einer noch größeren Wirkung verkleinert. Eine Elizabeth Taylor braucht in Wer hat Angst vor Virginia Woolf? keine Zimbeln und Trommeln. Mit deus-ex-machina-artiger Unvermitteltheit steht sie da und ist weder besonders groß, noch sehr schlank oder sonst wie ein klassisches Beauty. Aber wen um Himmels Willen interessiert das? Der Raum gehört ihr und niemand würde abstreiten, dass sie dampft vor Sex. Omar Sharif, ziemlich zur selben Zeit braucht sogar noch etwas weniger: Seine Augen, zu diesem Zweck auch immer gut ausgeleuchtet, sind ebenso melancholisch wie zwingend, es gibt keinen Grund auf etwas anderes zu achten, solange er im Raum ist.

Die Eroberung des Raumes ist eine Theater-Tradition, die sich der Film nicht nur zu eigen, sondern, durch seine erweiterten Möglichkeiten, zu einer völlig eigenen Kategorie gemacht hat. Eine dieser Möglichkeiten ist natürlich die Musik. Übrigens auch eine Theatererfindung, so alt wie das Theater selbst um genau zu sein, die ganz besonders Max Reinhardt und Bertholt Brecht zu nutzen wussten. Was keiner der großen Herren der Bühne, nicht einmal die alten Griechen zur Verfügung hatten, ist allerdings die Möglichkeit, Musik und Bewegung des Akteurs zum perfekten Gleichklang zusammen zu schneiden. Das gehört dem Film, gehört Quentin Tarantino wie kaum einem anderen. Der Schnitt ermöglicht, abgesehen davon, eine Lenkung der Aufmerksamkeit, die der Bühne schlichtweg nicht zur Verfügung steht. Wir wissen einfach, wer im ersten Herr der Ringe die Gefährten sind, ihr Auftritt bei der großen Versammlung im Bruchtal hat es mehr als eindeutig gemacht.

Schnitt und Musik, in Korrespondenz mit der Präsenz des wohl-ausgeleuchteten Schauspielers, sind also die filmischen Mittel des großen Auftrittes. Eine Variation jüngeren Datums ist, den Raum nicht nur zu beherrschen, sondern ihn ironisch zweck zu entfremden, ihn somit völlig zu unterwerfen. Im Kinojahr 2014 gelingt das insbesondere einem Film, ich spreche natürlich von Guardians of the Galaxy.

Wenn Hauptdarsteller Chris Pratt die Leinwand betritt, steht für uns eine mit äußeren Zeichen - Ratten, schummeriges Licht, feindselige, scharfkantige Felsen - besetzte Landschaft gegen die inzwischen erwachsene Figur, um deren traurige Kindheit wir wissen. Peter Quill ist uns somit bereits um einiges näher und in seiner Deutung unerschütterlicher, als das unbekannte, offensichtlich furchteinflößende Land. Dann wird doppelt gebrochen: Die angeblich tragische Figur legt fetzige 80tys-Mucke auf, die so gar nicht zum Ambiente passen möchte und die kennzeichnenden Elemente des Raumes, werden enteignet. Eine Ratte ist plötzlich ein Micro, eine karge Landschaft eine John-Travolta-Disco.

Dem unbekannten Gebiet wird, einfach mal so, der schräge, tapsige Humor angezogen, der den Starlord ausmacht. Nicht sein Umfeld bestimmt ihn, er macht sich sein Umfeld zu eigen und wirkt deshalb auf uns, die wir angepasst an die gegebenen Kontexte leben und eigentlich zu gern selbst mal so lässig wären, ungemein cool.

Schlägt dann die Stimmung um, Quill hat sich seine Beute geschnappt und die Gegner sind mir nichts dir nichts auch schon da, stellt niemand Logikfragen und eigentlich sind auch alle überzeugt, dass der Typ mit allem fertig wird. Nicht auf eine James-Bond-super-elegant Weise, nicht weil er immer Herr der Situation wäre, sondern gerade weil er so unnachahmlich daneben ist - In gewisser Weise ist Peter Quill das einzige Alien in diesem Film - und das erfolgreichste, bis hin zu dem unvermeidlichen Showdown, den er auch irgendwie hauptsächlich durch unangepasstes Verhalten rettet.

Es gibt noch einen Film, eine Reihe, die von derselben Art Auftritts-Charisma lebt wie Guardians, nämlich Fluch der Karibik. Die Piraten bieten sogar eine ganze Reihe legendärer Autrittsmomente. Allen voran, das erste Auftauchen Jack Sparrows, der zunächst von der Kamera eingefangen wird, wie ein Held der See alter Schule...nur um dann mit einem Sprung im kalten Wasser zu landen: Der große Held war auf einer äußerst maroden Schaluppe unterwegs.

Originell, frisch und unangepasst, so kam Johnny Depps Paraderolle einst daher, um dann - von Teil zu Teil, schleichend aber unübersehbar - zu seinem eigenen Klischee zu werden. Das ist vermutlich nicht einmal allein seine Schuld, oder die der Produzenten - der schwule Pirat wurde inzwischen so oft in verschiedenen Kontexten durchgenudelt, kein Wunder, dass man irgendwann das Gefühl hat, einfach jede mögliche Variante zu kennen. Selbiges gilt im Übrigen auch für den großen Geoffrey Rush: Selten kam jemand so lässig von den Toten zurück und ist dann derart zur faden Parodie geworden.

Ich spreche natürlich in erster Linie von Teil vier, als plötzlich alles entsetzlich bemüht und dröge wirkte, was ursprünglich mal Grund genug für mich war, gleich zweimal ins Kino zu gehen. Ganz offensichtlich reicht schon ein Teil zu viel, um aus neu ziemlich alt zu machen.

Ich hoffe sehr, dass Guardians of the Galaxy dieses Schicksal erspart bleibt, bin aber etwas in Sorge.

Das Problem liegt darin, dass sich eine Auftrittsart wie die des Peter Quill oder des Jack Sparrow eigentlich ständig neu erfinden müsste....und gerade das dann schnell zum Verlust all der herrlich spontanen Leichtigkeit führt, die wir einmal so geschätzt haben. Um einen Gegenvergleich anzustellen: Ein Held wie Captain America, musste im Grunde nur einmal neu aufgebaut werden, danach hat er einen ziemlich klar festgelegten Typus. Diese Art Charakter ist im Grunde bereits ausgesprochen festgelegt. Diese Art von Verlässlichkeit ist vielleicht weniger glamurös, funktioniert aber ganz gut und hat weder den Anspruch, noch die zwingende Notwendigkeit auszubrechen.

Gebrochen wird stattdessen das Story-Muster und deshalb ist der zweite Teil, The Return of the First Avenger, auch auf seine eigene Weise so genial. Der Held bleibt der selbe, der Handlungsrahmen hat sich vom Hero-Tale zum Action-Polit-Thriller gemausert. Das ist vollkommen ok so, weil der Anspruch an eine Figur wie Captain America nunmal ist, jeder Situation gewachsen zu sein und sich dabei treu zu bleiben, ein recht klassisches Heldenbild, das bis heute gern akzeptiert wird. Wir reden jetzt natürlich nur vom Film.

Ein Charakter wie Iron Man hat es da schon schwerer, weil er unter diesem verfluchten Anspruch steht, den überraschenden Witz überraschend zu halten. Sicherlich kein Problem mit dem sich Chris Evans herumschlagen müsste. Robert Downey Jr. kommt hier entgegen, dass sich sein Charakter mit Selbstzweifeln und moralischen Problemen konfrontiert sieht, die mit seinem obercoolen Millionärs-Image brechen. Der Playboy mit Schützengrabenneurose.

Brüche, wie gesagt, sind für die Jack Sparrows, die Tony Starks und sicher letztlich auch die Peter Quills, enorm wichtig, damit ihre Auftritte Tiefe behalten. Wieder schlägt sich der Bogen zurück zum Theater: Keine Shakespeare-Figur ist nur komisch, immer schwingt ein Hauch Tragik mit, der im Zweifel ausgebaut werden kann und auch Mozarts Papageno stolpert beinahe über seine eigene Menschlichkeit, die ihn für uns wiederum so liebenswert macht.

Jack Sparrow hat diesen Moment für mein Empfinden verpasst und damit die Herrschaft über den Raum verloren. Tony Stark hat das Ruder nochmal rumgerissen und wird es, wenn man bedenkt wie seine Story weitergehen wird, noch viel konsequenter tun. Hoffen wirs wenigstens und hoffen wir, dass Peter Quill der beste Auftritt seit langem bleibt und nicht irgendwann fieses Klischee wird.

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