Der Star aus der dritten Reihe – Ein Plädoyer

26.08.2013 - 19:01 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Aktion Lieblingsstar
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Aktion Lieblingsstar
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In seinem Text zur Aktion Lieblingsstar widmet sich dieser User dem Künstler Drew Struzan, der für die Poster von Filmen wie Jäger des Verlorenen Schatzes, Krieg der Sterne und Zurück in Zukunft verantwortlich ist.

Einen guten Einstieg für einen Text zu finden, ist eine der schwierigsten Aufgaben beim Schreiben. Die meisten Leser entscheiden sich nach wenigen Zeilen, ob sie bereit sind, die nächsten Minuten darauf zu verwenden, die folgenden Worte und Sätze zu lesen oder desinteressiert weiterzublättern. Was wäre also der gelungenste Einstieg für einen Text zum Thema “Mein Lieblingsstar”?

Am besten ist es wohl, die Katze sofort aus dem Sack zu lassen. Aber wenn die Katze sich als gewöhnlicher Stubentiger entpuppt, dann ist es Essig mit dem guten Einstieg. Scarlett Johansson, Quentin Tarantino oder Leonardo DiCaprio sehen wir doch ständig auf Plakaten, wenn wir ins Kino tigern. Sicherlich nicht unbedingt zu Unrecht, aber man ist doch an sie gewöhnt. Nein, es muss schon eine Raubkatze sein. Irgendwas Exotisches, womit niemand rechnen würde: Dr. Uwe Boll, zum Beispiel, Paris Hilton oder Adam Sandler. Künstler, die im allgemeinen Ansehen in Ungnade gefallen sind. Die man dann mit einem flammenden Plädoyer verteidigen und auf ihre Podest zurückhieven oder mit einem zwinkernden Auge und der “tongue in cheek” ironisch als “guilty pleasure” bezeichnen könnte. Aber das ist doch mittlerweile auch zum Klischee verkommen.

Kann man nicht einen Mittelweg finden? Einen unbekannten Namen aus dem Hintergrund, der aber trotzdem unsere Wertschätzung verdient. Jemanden wie Rainer Brandt, der als Synchronsprecher und Autor der deutschen Dialoge viele Filme von Bud Spencer und Terence Hill überhaupt erst zum Kult im deutschen Sprachraum machte, von der legendären deutschen Fassung von Die Zwei ganz abgesehen. Oder Yakima Canutt, der Urvater der Stuntmen, der nicht nur an über 200 Filmen (u.a. Vom Winde verweht, Herr des Wilden Westens, Ben Hur) mitwirkte, sondern Pionierarbeit für eine ganze Branche leistete. Oder Kenny Baker, das Innenleben von R2-D2 aus Star Wars.

Alle hätten es verdient, dass man ausführliche und lobende Texte über sie schreibt. Aber ich muss mich für einen entscheiden. Und ehe ich gleich den Namen des Stars preisgebe, sei noch darauf hingewiesen, dass es noch eine andere Methode gibt, einen spannenden Einstieg zu schreiben: Nämlich den Leser auf die Folter spannen und immer wieder Andeutungen einstreuen, dass jetzt gleich die große Enthüllung kommt. Der Name, auf den alle warten. Also dann: Drew Struzan.

Drew Struzan wurde 1948 im U.S. Bundesstaat Oregon geboren. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen und leidet an der Leseschwäche Legasthenie. Dennoch schafft er es, nicht nur die Highschool abzuschließen, sondern absolviert auch eine Ausbildung zum Illustrator am renommierten “Art Center College of Design” in Los Angeles. Nach drei Sätzen also schon eine Underdog-Story, wie sie im Buche steht. Damit kann man arbeiten. Beziehungsweise könnte man arbeiten. Aber das wäre zu einfach. Viel zu einfach und auch zu platt. Einer der Gründe, weswegen ich mich für einen unbekannten Namen wie Drew Struzan als meinen “Lieblingsstar” entschieden habe, ist, dass in so einem Fall keine künstliche Persönlichkeit in Mittelpunkt steht, sondern sein künstlerisches Schaffen betrachtet werden kann. Keine Skandälchen oder ausufernde Biographien; kein elendig langen Diskussionen, ob es jetzt in Ordnung ist, in einer Sekte zu sein, was für seltsame Ideologien oder Liebesbekundungen die Person in irgendwelchen Talkshows zum Besten gegeben hat oder für wie viele Millionen Dollar sie sich bald wieder einen Latex-Strampler anziehen wird. Bei einer Person wie Struzan fällt das weg. Der kamerascheue Künstler gibt nur selten Interviews. Auf eine Anfrage von Video-Blogger Doug Walker (The Nostalgia Critic) antwortete er: “Besser seinen Mund halten und für einen Idioten gehalten werden, als ihn zu öffnen und jeden Zweifel zu beseitigen.” Die meisten werden sich jetzt eher dafür interessieren, was Struzan denn eigentlich so Tolles macht, dass er eine 988 Wörter-Widmung verdient.

Er malt.

Jeder von uns hat Struzans Kunst schon mehrere Male gesehen. Aus seinem Pinsel stammen die ikonographischen Poster von Star Wars. Und Indiana Jones. Und Harry Potter. Feivel, der Mauswanderer, E.T. – Der Außerirdische, Zurück in die Zukunft, den Muppets-Filmen, Big Trouble in Little China oder Hook. Außerdem hat er diverse Motive für Hellboy, The Green Mile oder Die Verurteilten angefertigt, die aber in der offiziellen Werbekampagne nicht verwendet wurden.

Unverständlich, denn zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dürfte auch ein gelungenes Poster zum Erfolg eines Filmes beitragen. Was sieht man, wenn man in der Vorhalle des Kinos seiner Wahl steht und nicht weiß, in welchem Saal man die kommenden zwei Stunden verbringen soll? Großformatige Poster. Und wenn man nur mal an die aufregenden Motive auf den Plakaten zu Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith denkt: Die sich kreuzenden Lichtschwerter, die strahlenden Gesichter der Helden, die finsteren Minen der Bösen, dann wird man sofort hineingesogen. In die Welt des Filmes und in den Kinosaal. Mit handgemalten Kompositionen schaffte es Struzan, den Geist zahlloser Filme auf Papier zu bannen. Was der Projektor mit 24 Bildern pro Sekunde zeigt, fängt Struzan in einem einzigen ein. Auch wenn er heute eher an Comics oder Magazinen arbeitet, seinen Einfluss kann man immer noch an diversen Motiven sehen. Fluch der Karibik, Der Herr der Ringe: Die Gefährten oder Les Misérables seien als Beispiele genannt. Auch wenn diese digital entstanden sind. Die Bilder unserer Helden vor der Kulisse großen Spektakels. Will Turner, Elizabeth Swan, Captain Jack Sparrow und der gefürchtete Krake, der ein Schiff ins Wassergrab zieht. Viel mehr Anreiz, den Film zu sehen als nur der Name Johnny Depp in goldenen Lettern.

Auch ein Poster von Struzan ist natürlich primär Werbung, aber er hat es geschafft, darin eine künstlerische Vision zu verwirklichen. Statt Portraits und Namen von prestigeträchtigen Stars zieren die stets handgezeichneten Motive von Struzan DVD-Cover und Kinofassaden. Das ist der Grund, wieso er eine 988 Wörter-Widmung verdient.

Genauso wichtig für einen Text wie ein guter Anfang ist ein gutes Ende. Und nachdem ich mich zur Recherche für den Text durch die Galerie auf Struzans Webseite geklickt und mir die diversen Poster angesehen habe, ist mir nicht nur klar, warum Drew Struzan die perfekte Wahl für den Titel „Lieblingsstar“ war, sondern auch, was der wohl schönste Schlusssatz für so einen Text ist.
Ich habe Lust, ins Kino zu gehen.


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