Am Ende gibts vollständigkeitshalber dann auch eine Top 10 (sogar mit Honorable Mentions!)
Die Poesie der Silent Commedy
In der amerikanischen Stummfilmkomödie gibt es sicherlich sehr viel schönes zu entdecken: Irrsinn und Absurdität, Subversives wie Berührendes, Eleganz und vor allem ein unvergleichliches Gefühl für Dynamik und Bewegung. Drei Filmemacher werden immer wieder hervorgehoben, wenn man hierauf zu sprechen kommt und auch mir haben diese im vergangenen Jahr besondere Freude bereitet.
Zum einen ist da Buster Keaton, dessen später Stummfilm Der Kameramann zu allererst einmal durch ganz wundervolle Eleganz und Unaufdringlichkeit besticht. Nehmen wir z.B. ein Gestaltungselement, das bei Keaton immer schon eine zentrale Rolle gespielt hat, den unsichtbaren Tracking-Shot, bei dem ein Gag ganz bewusst innerhalb einer Einstellung ausgekostet wird. Hier kürt dieser ein fast schon dadaistisch anmutendes Baseballspiel mit einer Filmkamera. Diese spielt dann auch eine bedeutende Rolle in einem Film der das Kino sowohl als Ergebnis materieller, sozialer und ökonomischer Faktoren als auch als ideologische, sinnstiftende und mit der Realität komplex verzahnte Bildmaschine verstehen kann.
Auf ähnlich schöne Art umarmen sowohl Der Navigator als auch die Kurzfilme Neighbors und Flitterwochen im Fertighaus das Kino. Ersterer, vielleicht Keatons amüsantester Film, als groteske Komödie, die stoisches Festhalten an Konventionen gegen absurd umgedrehte Verhältnisse ausspielt, dann aber auch gänzlich naiv das Kino zum Abenteuerort mit Tauchanzügen und Kannibalen umdenkt. Letztere als Spiel mit der Moderne als Zeitalter der Bewegung und Flexibilität. Wenn in Flitterwochen im Fertighaus Häuser unerwartet in Bewegung geraten und in Neighbors die Räume, die die Architektur zwischen den Menschen geschaffen hat akrobatisch überwunden werden, ist Buster Keaton ganz bei sich. Call it pure cinema.
Last, but (definitely) not least hat mich auch Harold Lloyd ganz und gar begeistert. Dass dessen "Thrill-Commedies" Ausgerechnet Wolkenkratzer, Der kleine Bruder und Mädchenscheu einfach volle Pulle und auf maximale Kinetik hin inszeniert sind, war mir irgendwo schon im Vorfeld bewusst. Auf die Virtuosität, mit der Beispielsweise ersterer und letzterer vom Kampf des Einzelnen mit der Gesellschaft erzählen, war ich hingegen nicht gefasst. Noch eine Schippe drauf legt indes Der kleine Bruder mit seinem wilden Genremix aus Action, Komödie und Liebesgeschichte. In einer Szene will Lloyd sich da von seinem Love Interest verabschieden, und da sie schon den Hügel hinunterläuft, klettert Lloyd auf einen Baum. Und da er ihr unbedingt noch ein paar Fragen stellen muss, klettert er immer weiter und weiter nach oben. Eine Kinophilosophie in einem Bild: Immer höher hinaus, das Frame in seiner Gänze ausnutzend, das Kino als Spielplatz, mit endlosen Möglichkeiten mit Bewegung zu spielen.