Die blutige Rückkehr des japanischen Kinos

23.09.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Sonatine
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Nach Jahrzehnten des internationalen Schattendaseins war es ab Ende der 90er Jahre kurzzeitig allerorts zu finden. Das japanische Kino boomte. Einen der Gründe untersucht der erste Teil dieser Reihe über den japanischen Film. Was also ist ein Yakuza?

Wieder war es der Gewinn eines Goldenen Löwen, der alles änderte. Hatte 1951 die Krönung von Akira Kurosawas Rashomon – Das Lustwäldchen in Venedig dem japanischen Film über Jahre hinweg internationale Beachtung geschenkt, so war es die Verleihung des Hauptpreises 1997 an Takeshi Kitanos Hana-bi – Feuerblume, die Ähnliches abermals möglich machte. Wer in den folgenden Jahren in die deutschen (Programm-)Kinos ging, der konnte Filme wie Monday, Go, 19, Uzumaki – Out of the World, 2LDK – 2 Zimmer, Küche, Bad oder A Snake of June – Rinkos Geheimnis sehen. Sie dominierten sicherlich nicht die Leinwände, aber sie waren da – und alleine das war lange kaum denkbar gewesen.

Doch es war nicht der Gewinn allein, der all dies möglich machte. In Japan erlebte ein Genre eine neue Blüte, das seit Ende der 70er Jahre kaum noch jemanden hinter dem Ofen hervorgeholt hatte. Aus den Untiefen der direct-to-video- und Fernsehsümpfe erhoben sich abermals die Yakuza und trafen international den Zahn der Zeit. Infolge von Pulp Fiction lechzte die Welt nach coolen Gangstergeschichten und genau dies wurde ihr von Regisseuren wie Takashi Miike oder eben Takeshi Kitano geboten. Ihre Filme hatten Stil und waren voll von Mafiagangstern in Anzügen, also den Yakuza, die kaum redeten und sich ihrer Gegner brutal entledigten. Sie hatten alles, was nötig war und sogar einen Vorteil. Auf der endlosen Suche nach dem neuen Tarantino war ihre Fremdheit mit einem Mal originell.

Doch so wie sie gemeinsam aufzutauchen schienen, so unterschiedlich waren sie in ihren Ansätzen. Takeshi Kitano war ein Fernsehkomiker, der nur durch Zufall Regisseur wurde. Sehr schnell entwickelte sich aber sein eigener, unverwechselbarer Stil: frontale Bildkomposition, ein elliptischer Schnitt, aber vor allem der bei ihm untrennbare Gegensatz aus Introvertiertheit und Sentimentalität. Bestes Beispiel neben Hana-Bi ist Sonatine, in dem einige Yakuza auf einer Insel im Nirgendwo auf einen Auftrag warten. Sie sind hart, schweigen und haben keine emotionale Bindung zur Welt. Fast sind sie schon autistisch. Folglich ist ihre Gewalt immer Reaktion wie von gleichgültiger Härte. Doch im Leerlauf, von ihrer Welt getrennt, entwickeln sie kindliche Freude im und am Leben. Ohne Kitsch, aber voll überbordender, spröder Sentimentalität.

Takashi Miike hingegen kam aus dem direct-to-video Segment und war es folglich gewohnt, ohne Budget und Zeit zu arbeiten. Entschädigt wurde er dafür mit einer kreativen Freiheit, die er mit großen Budgets nie gehabt hätte. Seine Filme wie Ichi the Killer oder Dead or Alive scheinen deshalb fast immer Experimente zu sein. “Basically, I am not the kind of person interested in making films that are just well done”, hat er schon früh in seiner Karriere zu Protokoll gegeben. Seine unzähmbare Filmographie hält deshalb einige Überraschungen bereit, die vor allem durch die gewissenhafte Inkonsequenz im Stil konsequent wird. (Schilling: The Yakuza Movie Book, Seite 37-38)

Mehr: In 5 Schritten zum Takashi Miike-Experten

Sie griffen aber alle beide auf eine ganze Palette von Geschichten, Motiven und Stilen zurück, wie sie sich ebenso von diesen abheben wollten. Und das ist auch der Unterschied zu den Werken von beispielsweise n/a oder Toshiaki Toyoda, die tolle Filme mit Yakuza machten, aber eben keine Yakuzafilme. Sie nutzten die Gangster für ihre Zwecke, während Kitano und Miike eben auf diverse Spielarten von Filmen Bezug nahmen, die so alt wie das Kino in Japan selbst sind.

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