Wenn es ein Wort gibt, bei dem Videospiel- wie Filmfans gleichermaßen droht, die Galle hochzukommen, dann ist es das Wörtchen Prequel. Nicht einmal das viel verfluchte Sequel kommt an den Abscheu heran, der seinem kleinen Bruder entgegengebracht wird, der als das überflüssigste Mitglied der Familie angesehen wird – abgesehen vom Reboot vielleicht. So zumindest scheint der allgemeine Konsens zu lauten. Immerhin Gamer konnten sich im Oktober über drei Prequels freuen, die die Missgunst nicht verdient haben.
Um aber zu verstehen, warum Batman: Arkham Origins, Assassin’s Creed IV: Black Flag und The Wolf Among Us funktionieren, müssen wir zuerst einen Blick darauf werfen, warum die meisten Vertreter der Gattung Prequel es nicht tun.
In den Gedanken vieler Fans sind Prequels unerwünschte Lückenfüller, wenn noch keine Idee für die nächste Fortsetzung existiert, die Cashcow aber weiter gemolken werden soll. Fehlende Originalität ist dabei fast noch das geringste Problem.
Im Mittelpunkt jeder Handlung stehen Charaktere und die emotionale Bindung, die wir zu ihnen aufbauen. Ist uns eine Figur egal, dann stehen die Chancen schlecht, dass uns der Ausgang ihrer Geschichte interessiert. Ähnlich problematisch verhält es sich mit Prequels, mit dem feinen Unterschied, dass selbst wenn uns eine Figur interessiert, wir häufig schon wissen, was die Zukunft für sie bereithält. Dieses Wissen verpasst jeder Spannung einen Dämpfer, weil jegliche Überraschung ausbleibt und jede Sorge fehlplatziert und überflüssig wirkt. Wie sollen wir um das Schicksal von Bilbo in Der Hobbit: Eine unerwartete Reise bangen, wenn wir ihn doch schon vor zehn Jahren in Der Herr der Ringe: Die Gefährten seine Memoiren haben schreiben sehen? Warum soll uns das Los von Rhona Mitra in Underworld: Aufstand der Lykaner interessieren, wenn ihre Geschichte doch schon als Nebenhandlungsstrang in Underworld mit Kate Beckinsale abgefrühstückt wurde? Und warum sollten wir uns in Batman: Arkham Origins um den Dunklen Ritter sorgen, wenn wir doch wissen, dass die acht auf ihn angesetzten Assassinen ihm kein Fledermaushaar krümmen werden, weil wir schon Jahre später mit ihm Arkham Asylum und Arkham City erkundet haben?
In Videospiel-Prequels werden wir zusätzlich mit Schwierigkeiten technischer Natur konfrontiert, die dem Erfolg eines Titels in die Quere kommen können. Normalerweise sind es Spieler gewohnt, dass sich das Gameplay mit jeder Fortsetzung weiterentwickelt. Im Fall von Vorgeschichten müssen aber einige Schritte zurückgemacht werden – ohne, dass es sich aber wie ein Rückschritt anfühlt. Denn theoretisch dürfen die Fähigkeiten eines Helden nicht so ausgeprägt sein wie zuvor, weil ihm die entsprechende Erfahrung fehlt. Trotzdem dürfen Spielspaß und Gameplay nicht darunter leiden. Dieser Balanceakt zwischen Gamedesign und Narration will allerdings eher selten gelingen.
Dank unzähliger Beispiele wie Dumm und Dümmerer, Hannibal Rising – Wie alles begann, Exorzist: Der Anfang oder The Thing ist es mittlerweile einfach zu sagen, was ein schlechtes Prequel schlecht macht. Das Gegenteil ist allerdings schon etwas komplizierter, weil es vergleichsweise wenige Gegenbeispiele gibt, die so markant im Gedächtnis bleiben wie die Misserfolge. Ein Grundrezept, was ein kommerziell und kritisch erfolgreiches Prequel ausmacht, gibt es nicht, allerdings existieren ein paar rote Fäden, die sich durch die Erfolge ziehen und sich aus den beschriebenen Problemen ableiten lassen.
Die Schwierigkeit der emotionalen Bindung zu Charakteren, deren Schicksal wir bereits kennen, lässt sich lösen, indem die Vorgeschichte sich bisher unbekannte Figuren zur Brust nimmt, um das Universum weiter auszubauen. Wie das funktioniert zeigte beispielsweise Planet der Affen: Prevolution oder zuletzt Assassin’s Creed IV: Black Flag, in dem wir den Großvater des Protagonisten aus Assassin’s Creed III spielen, über den zuvor so gut wie nichts bekannt war. Die Schicksale beider Videospiel-Helden sind eng verknüpft, trotzdem hatten die Entwickler durch den neuen Hauptcharakter und das durch ihn entstehende neue Setting viel Spielraum, um die Prequel-Probleme im Piraten-Abenteuer, im wahrsten Sinne des Wortes, umschiffen zu können.
Der Vor- und Nachteil von Superhelden ist, dass wir quasi als unbesiegbar erachten, weshalb auch ein nach Batman: Arkham City angesiedelter Assassinen-Wettbewerb uns kaum ins Schwitzen gebracht hätte. Stattdessen spielen die Ereignisse von Arkham Origins in Batmans zweitem Jahr, was ein clever gewählter Zeitpunkt ist: Spieler werden zwar mit einem unerfahreneren Dunklen Ritter konfrontiert, fangen allerdings nicht völlig bei null an und können so den Auftragskillern erfolgreich und logisch trotzen, während Batman sich dennoch spürbar weiterentwickelt. Arkham Origins zeigt, wie essenziell der perfekt gewählte Zeitpunkt für eine Vorgeschichte ist.
Dass das Schicksal eines Charakters trotz etablierter Folgegeschichte nicht besiegelt sein muss, wollen Telltale Games mit ihrer neuen Comic-Adaption The Wolf Among Us beweisen. Theoretisch spielt The Wolf Among Us 20 Jahre vor Bill Willinghams Fables-Reihe und gehört zum Kanon, dennoch passieren Dinge, die eigentlich nicht passieren könnten. Da erst die erste von fünf Episoden erschienen ist, ist es natürlich schwierig abzusehen, ob den The Walking Dead-Machern der Plot-Twist glückt und wie sie ihn erklären wollen. Trotzdem zeigten sie bereits in der Episode Faith, dass unerwartete Wendungen auch in Prequels möglich sein können, ohne gleich das komplette Vermächtnis eines Franchises zu zerstören. Zumindest bleibt das zu hoffen.
Obwohl gerade in jüngster Vergangenheit die Zahl der gelungenen Prequels zugenommen hat, wird der bittere Beigeschmack, den das Wort hinterlässt, wohl noch eine ganze Weile bleiben. Einige werden George Lucas dafür die Schuld in die Schuhe schieben, andere dem verzweifelten Wunsch nach Originalität, der so selten erfüllt zu werden scheint. Egal ob Film- oder Videospielindustrie, der Prequel-Sequel-Reboot-Fluch hat uns fest im Griff und scheint ihn vorerst nicht lockern zu wollen. Immerhin ist es ein kleiner Trost, dass einige Vorgeschichten ihrem schlechten Ruf trotzen können. Den Schmerz über Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung kann das trotzdem nicht lindern.
Wie steht ihr gegenüber Prequels? Gibt es vielleicht sogar eine Vorgeschichte, die euch besser gefällt, als die vorhergehenden Teile?
Ein kleiner Ausflug in die Welt der Prequels
05.11.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert

Warner Bros.
Ein noch unerfahrener Dunkler Ritter in Batman: Arkham Origins
12
6