Hier kommt nun mein dritter Speakers’ Corner-Text. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass es doch recht lange gedauert hat, bis ich mich wieder an dieses Projekt herangetraut habe. Einer der Hauptgründe für mein Zögern war das Problem, dass ich mich einfach nicht mit mir selbst einigen konnte, welches Thema ich denn nun als nächstes angehen möchte.
Mir schwebten viele Ideen vor. Die Star Wars-Prequel-Filme? Oder doch lieber die Matrix-Trilogie Ich bat sogar einige meiner Freunde hier darum mir ein Thema vorzuschlagen. (Ich möchte mich übrigens bei mp-Mitglied TheBruceWayne für seine Vorschläge bedanken) Letztendlich habe ich eher eine spontane Entscheidung getroffen, und hoffe, ihr findet meine Wahl gut. Nun wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen dieses Artikels. (Übrigens, die Corner für Star Wars und Matrix wurden von mir nicht endgültig verworfen, sondern lediglich auf unbestimmte Zeit verschoben)
Meine Ansicht zur Figur des John J. Rambo, ihrer Entstehung, sowie der ersten Verfilmung
Jeder hat schon mal von ihm gehört oder gelesen. Sein Name steht sogar im Duden, gilt allgemein als ein (eher) negativer Ausdruck für einen leicht reizbaren und stellenweise gar aggressiven Menschen. Doch hat dieser Name, und die fiktive Person die ihn trägt, wirklich eine solche Charakterisierung verdient? Was steckt genau hinter Rambos gefühlskalter und abweisenden Mimik und Gestik? Ich versuche hier einfach mal meine ganz persönliche Ansicht über diese Figur aufzuzeigen. Um das alles jedoch besser einzufädeln sollten wir uns ganz an den Anfang des Ganzen stellen. Woher kommt diese Figur?
John Rambo ist keine Erfindung von Sylvester Stallone, oder irgendeinem Drehbuchschreiber. Nein, die Idee kam von einem Schriftsteller namens David Morell, der versuchte einen kritischen Roman über das amerikanische Vietnam-Trauma zu verfassen. Für viele Amerikaner war der Vietnam-Krieg eine große Enttäuschung, wenn nicht gar eine Blamage. Da kam solch ein Buch, dass das Ganze in Form eines Ex-Veteranen zu verarbeiten versucht gerade recht. Morell hatte übrigens große Schwierigkeiten seiner Hauptfigur einen Namen zu geben. Eines Tages brachte ihm seine Frau einige Äpfel mit, die der sogenannten Rambo-Sorte angehören. Der Name gefiel Morell so gut, dass er sich entschied seinen (Anti-)Helden genau so zu benennen! Außerdem erinnerte ihn die Aussprache des Namens an einen anderen Schriftsteller, dessen Werke er mit dieser Figur teilweise in Verbindung brachte.
Manche wollen vielleicht gerne wissen, warum ich Rambo hier als Anti-Held bezeichne. Nun, diese Bezeichnung trifft auf ihn zu, wenn auch (fast) nur im Buch. Der Roman von Morell unterscheidet sich recht stark von der späteren Verfilmung. Rambo wirkt im Buch mehr wie ein Tier, dass in einen nicht zu kontrollierenden Blutrausch verfallen ist. So schneidet er einem der Cops mit dem Rasiermesser den Bauch auf, und mordet auch im späteren Verlauf kaltblütig wie in einem echten Krieg. Das Ende der Buchvorlage gestaltet sich auch deutlich hoffnungsloser und tragischer, denn nach seinem Amoklauf begeht Rambo letztlich Selbstmord, da er keine Hoffnung mehr für sich sieht. Die Verfilmung geht einen ganz anderen Weg. Und das ist, meiner Meinung nach, auch die richtige Entscheidung gewesen! Der Rambo im Buch ist eine Figur mit der man sich nur schwer identifizieren kann bzw. will. Das hätte einem Film eindeutig geschadet. (Doch dazu später mehr, bei der Analyse der drei Original-Filme)
Nachdem Morell die Rechte an seinem Roman verkauft hatte, begann man bereits in den 70ern daran ein Drehbuch zu entwickeln. Doch das Schicksal legte der Produktion viele Steine in den Weg. Warner Bros. hielt das amerikanische Volk zu diesem Zeitpunkt für nicht bereit, einen solchen Film zu sehen. Auch die Wahl des Hauptdarstellers gestaltete sich sehr langwierig, da es entweder künstlerische Differenzen oder anderweitig Probleme gab. So waren Darsteller wie Joey Travolta und sogar Terence Hill im Gespräch. An Stallone hat zu diesem Zeitpunkt wohl keiner gedacht, denn mit Ausnahme von Rocky waren alle seine bis dahin erschienen Filme mehr oder weniger als Flops zu bezeichnen. Sly wollte bei dem Projekt dabei sein, verlangte jedoch, am Drehbuch mitarbeiten zu dürfen, was ihm dann auch letztendlich gewährt wurde. Jedoch wollte Stallone einen weitaus weniger brutalen und blutrünstigen Charakter als im Buch haben, was den Film, nach und nach, immer mehr vom Roman abgrenzte. Aus dem brutalen Amokläufer wurde eine weitaus tragischere und menschlichere Figur. Sehen wir uns einmal den Charakter von Rambo im ersten Film etwas genauer an.
Er ist im Grunde ein unglücklicher und von allen im Stich gelassener Mann. Ein sogenannter “Expendable”. Im zweiten Teil nennt er sich sogar selbst “entbehrlich”, was er später in seine neue, gleichnamige Filmreihe (teilweise) einbaute. Ich selbst betrachte Rambo als ein erwachsenes Kind. Im tiefsten Herzen ist John immer noch ein Kind. Zwar hat ihn der grauenvolle Vietnam-Krieg wortwörtlich gestählt und verändert, doch letztlich sieht er mit seinen müden, verträumten Augen die ganze Welt immer noch irgendwie in einem naiven Licht. Und diese Naivität der Figur nimmt ihr auch letztlich viel von ihrer Härte. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Rambo in seiner ganz eigenen Welt lebt, und alles um sich herum nur sehr schemenhaft wahrnimmt. Besonders im ersten Teil wird dies immer wieder deutlich. Er reagiert kaum auf die Worte anderer Menschen und scheint selbst einfachste Dinge nicht zu verstehen. Rambo weiß im Grunde nicht. was er in der Welt verloren hat. Er versuchte sich gewiss zu integrieren, doch gelingen wollte es ihm scheinbar nicht. Nach dem er vom Tod seines letzten Freundes aus dem Vietnam-Krieg erfahren hat, bricht für John im Grunde die ganze Welt zusammen. Nun hat er auch sein letztes Ziel verloren. Die letzte Person (neben Trautman), der er noch vertrauen konnte, und die ihn hätte verstehen können ist nun fort… für immer.
Ich denke, dass Rambo von hier an alles egal geworden ist. Er wandert ziellos durch die Gegend, und landet schließlich in einem kleinen amerikanischen Kaff, in welchem er nur etwas zu Essen haben möchte. Ironischerweise nennt sich dieses Kaff “Hope”, was ich als eine sarkastische Anspielung ansehe. Als Rambo von dem örtlichen Sherriff der Stadt verwiesen wird, zeigt Rambo deutlich, dass er niemandem mehr gehorchen möchte. Er fühlt sich von seinem eigenen Land im Stich gelassen und hat keine Lust mehr, auf jemanden zu hören, oder irgendwelche Befehle entgegen zu nehmen. Man kann dies fast als eine Art kindlichen Trotz ansehen, doch ich glaube, dass da weitaus mehr dahinter steckt. Möglicherweise will Rambo sich auf diese Art und Weise Respekt verschaffen, und deutlich aufzeigen, dass er keine seelenlose Tötungsmaschine ist. Sondern ein Mensch wie alle anderen. Ein Mensch, der durch die Hölle gegangen ist, und nun ein normales Leben führen möchte.
Doch wie wir wissen wird daraus nichts. Der Sherriff deutet Rambos Missachtung seiner Order als direkte Provokation, und verhaftet ihn. Doch es ist eindeutig, dass Rambo niemanden provozieren wollte. Er wollte einfach sein Ding durchziehen, und in Ruhe gelassen werden. Da der Sherriff auch noch ein Messer bei dem Fremden findet, vermutet er in ihm einen verbrecherischen Landstreicher, und nimmt ihn zur Polizeiwache mit. Und hier nimmt das ganze Übel seinen Lauf. Tief in Rambo verborgen lebt immer noch ein harter Kämpfer, der zur Not wieder erwachen kann. Und genau das fordern die Cops in ihm heraus. (Wenn auch eher ungewollt) Man erkennt außerdem recht deutlich, dass Rambo eher eine geringe Selbstachtung hat, da er sich ohne großen Widerstand mit einem Feuerwehrschlauch “waschen” lässt, und auch die anderen Demütigungen der Polizisten mit leerer Mine hinnimmt.
Ich denke das Rambo sich selbst vermutlich sogar hasst. Vielleicht erachtet er jene Erniedrigungen sogar als gerechtfertigt. Zumindest interpretiere ich das so. Doch nach und nach rufen alle diese Qualen in ihm einen Hass hervor, der auch auf seine Umgebung überspringt. Als ihn ein Cop schließlich rasieren will, verfällt Rambo in eine Art kurzes Trauma, bei dem ihm alle Polizisten plötzlich als Vietcong erscheinen, welche ihn foltern wollen. Dieses traumatische Erlebnis fördert in John genau das zu Tage, was er eigentlich nie wieder in seinem Leben hervorbringen wollte. Seinen Kampfgeist! Im Grunde kann man seine Figur als eine Art Pulverfass bezeichnen, welches nur noch angezündet werden muss, damit es explodiert. Letztlich haben die Polizisten alles, was Rambo im Verlauf des ersten Films tut, selbst zu verantworten. Und zwar ausschließlich! Was mir besonders gut am Film gefällt, ist die Tatsache, dass Rambo den Polizisten trotz allem keinen wirklichen Schaden zufügen möchte. Er wirkt anfangs eher wie ein gejagtes Tier, dass sich nur verteidigen möchte. Rambo ist im Herzen kein Sadist und weiß genau, wo er sich zurückhalten muss. (Wenn auch es ihm nicht immer gelingt)
Nachdem Rambo geflohen ist, zieht er sich in die Wälder um die Stadt zurück, und fängt nun einen ganz persönlichen Krieg an. Jedoch handelt Rambo nicht aus Rache. Man erkennt nun wieder das Kindliche in ihm. Er ist sich keiner Schuld bewusst, und das ganz ehrlich. Für ihn ist die Welt immer noch in Schwarz und Weiß unterteilt. Er sieht die Polizisten nun als seine Feinde an, doch er erkennt zugleich, dass diese auch nur ihre Pflicht tun (im Namen des Gesetzes). Also entscheidet er sich, niemanden zu töten. Wie das Unglück es will, kommt der grausamste aller Polizisten im Film jedoch durch Selbstverschuldung ums Leben, was die Cops Rambo jedoch in die Schuhe schieben.
Der Film baut sich im Grunde nach und nach immer mehr auf. Er steigert sich von einem dramatischen Punkt zum nächsten, der sich schließlich in einem Höhepunkt entladen muss (doch dazu später).
Das Gute an Rambo ist, dass dieser Film Rambo echte, charakterliche Tiefer verleiht. Es vergeht kaum ein Moment, in dem man mit der Hauptfigur nicht mitfühlen kann. Dies ist auch Stallones guter schauspielerischer Leistung zu verdanken. Ja, ihr habt richtig gelesen! Stallone liefert in diesem Film eine sehr menschliche und sympathische Darstellung ab, die ein Arnold Schwarzenegger oder Chuck Norris oder (in meinen Augen) nie ganz erreichen konnte. Es ist eindeutig Stallone zu verdanken, dass aus Rambo eine Figur entstanden ist, die man in sein Herz schließen möchte. Ich zum Beispiel sehe Rambo fast schon als einen Bruder an. Diese Figur hat mich im ersten Film so berührt und mitgerissen, dass ich ihm alle seine Fehler, die er begeht (Sprengung einer Tankstelle, etc.), verzeihe. Wenn eine Figur so was in einem auslöst, haben der Hauptdarsteller und das Drehbuch, mitsamt dem Regisseur, eindeutig etwas richtig gemacht! Viele Leute halten Stallone für einen schlechten Schauspieler, und die Jury von der “Goldenen Himbeere” hat ihn gar als den “Schlechtesten Schauspieler des Jahrzehnts” ausgezeichnet. Wenn ich so was sehe, kocht in mir eine Wut, die beinahe der von Rambo gleichzukommen scheint. Es reicht schon vollkommen aus, das rührende Finale von Rambo 1 zu sehen, um erkennen zu können, dass Sly eindeutig schauspielerisches Können besitzt. Denn das Finale des ersten Rambo-Films ist eindeutig oscarreif, wie ich finde.
Hier übrigens noch ein paar wichtige Details die nicht unerwähnt bleiben sollten.
Ursprünglich sollte Rambo trotz allem auch im Film sterben (man kann das alternative Ende des Films sogar im Bonusmaterial der aktuellsten DVD- und Blu-Ray-Veröffentlichung des Films anschauen). Damit wäre man zwar dem Roman von Morell treu geblieben, doch Stallone hasste dieses Ende. Für ihn war das ein mehr als unbefriedigendes Ende seiner Figur. Stallone beharrte darauf, Rambo am Leben zu lassen. Die meisten hielten dies für eine schlechte Idee. Und Quentin Tarantino (den ich noch nie leiden konnte) nannte ihn sogar einen “Feigling”, weil Stallone auf das “weiche” Ende bestand. Als man dem Testpublikum den Film mit beiden Enden präsentierte geschah jedoch das Unerwartete: Die Leute waren einstimmig Stallones Meinung. RAMBO SOLL LEBEN!
In meinen Augen wurde hier eindeutig richtig entschieden. Der Tod von Rambo hätte letztlich sehr unbefriedigend und irgendwie unpassend gewirkt. Im Grunde hätte die Figur hier den schnellen und leichten Weg genommen. Rambo hätte sich seinem Leid und seinen Problemen nicht gestellt, sondern wäre, mit all seinen Problemen, von der Welt gegangen.
Vermutlich hätte sich auch der intelligente und rührende Dialog zwischen ihm und seinem ehemaligen Ausbilder Col. Trautman nicht ergeben. Im Film lässt Rambo seinen ganzen angestauten Frust am Ende des Films heraus, und findet in gewisse Art und Weise seinen Frieden mit sich. Man merkt im Grunde deutlich, dass Rambo nur einen Menschen gebraucht hat, der ihn liebt und ihm auch wirklich zuhört. Und dieser Mensch ist Col. Trautman, der durch Richard Crenna brilliant verkörpert wurde. Damit sehe ich das Ende des Films als deutlich intelligenter an, und bin froh, dass Stallone darauf bestanden hat. Kluger Mann.
Rambo 1 wurde zu Recht ein großer finanzieller Erfolg, und bekam mehrere wohlverdiente Auszeichnungen. Man kann mit größter Sicherheit behaupten, dass dieser Film Stallones Schauspiel-Karriere gerettet hat. Man kann diesen Film als einen der größten Filmklassiker überhaupt bezeichnen. Der Film genießt bis heute einen ausgezeichneten Ruf, doch überraschenderweise prägte nicht dieser Teil unser Bild von Rambo, sondern die Nachfolger…