Mit ihrem Kino-Hit Wunderschön hat Karoline Herfurth 2022 einen Nerv getroffen. Nicht nur konnte der Film fast 1,6 Millionen Menschen in den deutschen Lichtspielhäusern versammeln, auch wurde die Tragikomödie über Körperbilder und die Rolle der Frau im 21. Jahrhundert von Kritik und Publikum weitgehend gefeiert. Nun setzt Herfurth ihren Film fort – und übernimmt dabei erneut die Regie und eine der Hauptrollen. Das Ergebnis ist geglückt: Mit Wunderschöner knüpft Herfurth gelungen an den Vorgänger an und erweitert diesen in zahlreichen Aspekten so sinnvoll wie stark.
Mit Wunderschöner setzt Karoline Herfurth ihren Kino-Hit fort – und erzählt neue Geschichten, die Frauen ins Zentrum stellen
Wunderschöner setzt drei Jahre nach Wunderschön an und taucht erneut in das Leben einiger uns bekannter Figuren in Berlin ein. Darunter sind Sonja (Herfurth) und Milan (Friedrich Mücke), die nach ihrem vorläufigen Happy End wieder an einem Scheidepunkt stehen und jetzt mit einer Paartherapie ihre Beziehung retten wollen. Auch zwischen Vicky (Nora Tschirner) und Franz (Maximilian Brückner) kriselt es. Während es Franz auf einer Selbstfindungsreise von einem Berggipfel zum nächsten verschlägt, springt Vicky in ihrer Einsamkeit ein neuer Kollege, Trevor (Malick Bauer), geradezu entgegen.
Julie (Emilia Schüle) hingegen hat sich nach ihrer Therapie ein neues Standbein aufgebaut und fängt als Aufnahmeleiterin bei einer großen TV-Show an. Ihre Chefin Regine (Anja Kling) macht ihr jedoch das Leben schwer, vor allem, als sie von einem ihrer Kollegen belästigt wird. Zum elitären Freundinnenkreis von Regine gehört auch Nadine (Anneke Kim Sarnau), die von dem Seitensprung ihres Mannes (Godehard Giese) mit einer Prostituierten erfährt. Deren Tochter Lilly (Emilia Packard) lernt in Vickys Schulklasse gerade, dass nicht alle Frauen dieselbe Freiheit genießen, während sich ihr Bruder Julian (Albert Lichtenstein) in Trevors Unterricht mit toxischer Männlichkeit auseinandersetzen muss. Und so schließt sich der Kreis. .
Schaut hier einen Trailer zu Wunderschöner:
Wunderschöner ist unbequemer – und aktueller denn je
Das Ensemble in Wunderschöner stellt uns viele Figuren, Geschichten und Schicksale vor, die nicht nur äußerlich miteinander verwoben sind, sondern in ihrem Grundthema vereint: die Rolle von Frauen – und Männern – in einer patriarchalen Gesellschaft. Karoline Herfurth scheut sich nicht, in der von ihr mitgeschriebenen Fortsetzung mehr die Feel-Good-Ebene der deutschen Mainstream-Komödie zu verlassen und düsterere Wege einzuschlagen als noch in Teil 1: kritischer zu hinterfragen und sich so unbequem und klar zu bestimmten Themen zu positionieren, wie noch nie.
So werden die vielen Alltagsgeschichten beinahe schon zu Aufklärungsarbeit und Statements, die häufig zwar so unsubtil mit dem Zaunpfahl winken wie in Greta Gerwigs Barbie. Was oft als weißer, heteronormativer und für viele auch bekannter Feminismus daherkommt, ist mit der Reichweite, auf der Filme wie Wunderschöner oder Barbie sich bewegen, jedoch immer noch ein Geschenk in einer Zeit, in der Frauen auch in Deutschland wieder vermehrt um ihre Rechte fürchten müssen. Dass wir noch lange nicht da angekommen sind, wo wir manchmal glauben zu sein, muss nicht nur Lilly schweren Herzens feststellen, als sie mit den Geheimnissen ihrer Eltern konfrontiert wird und einen Blick über den eigenen Tellerrand wirft, sondern auch das Publikum.
Da lässt es sich verschmerzen, dass zeitweise wieder tief in die Kitsch- und Klischeekiste gegriffen wird und die Figurendichte die stolze Laufzeit von 132 Minuten im letzten Drittel ins Stolpern bringt. Hier hätte vielleicht auf mehr als Martina Gedeck und Joachim Król verzichtet werden müssen, um den restlichen Figuren und ihren Einzelschicksalen wirklich gerecht werden zu können.
Am Ende schafft es Herfurth jedoch, das große und vielfältige Ensemble gelungen zu einem Gesamtbild zu vereinen und uns einmal mehr das Modell einer Welt vorzustellen, wie sie vielleicht sein könnte, wenn alle an einem Strang ziehen und nicht wegschauen. Der dem Film angestellte Abspann kann hier nur als zusätzliches Statement dienen, wenn darin zahlreiche weiblich konnotierte Namen die verschiedensten an der Produktion beteiligten technischen und kreativen Departments ausfüllen. Dass dieses Modell weder Momentaufnahme noch entfernter Traum bleiben muss, stellt Herfurth mit Wunderschöner gleich doppelt infrage.
Wunderschöner läuft seit dem 13. Februar 2025 im Kino.