Inglourious Basterds & Shutter Island sind gefährlich

10.03.2010 - 10:45 Uhr
Zu freier Umgang mit Nazi-Vergangenheit?
Universal Pictures
Zu freier Umgang mit Nazi-Vergangenheit?
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Der französische Publizist und Philosoph Bertrand-Henri Lévy wirft den aktuellen Hollywoodproduktionen Inglourious Basterds und Shutter Island eine Tendenz zum historischen Revisionismus vor.

Auf seinem Blog Le régle du jeu veröffentlichte der französische Philosoph Bertrand-Henri Lévy letzte Woche einen Essay mit dem Titel “Von Tarantino bis Scorsese – Wenn Hollywood mit dem Revisionismus flirtet”. Darin beobachtet er eine Tendenz Hollywoods, zunehmend freier mit der Geschichte des Dritten Reiches umzugehen und diese aus ihrer historischen Wahrheit herauszulösen.

Das Problem, das er darin sieht, ist die Bildgewalt des Kinos. Für eine junge Zuschauerschaft, die sich nur noch ansatzweise für die realen geschichtlichen Ereignisse interessiert, könnte Inglourious Basterds die dominante Erinnerung ans Dritte Reich werden. “Warum sollte der Tod ohne Bilder in einem dunklen Bunker in Berlin nicht letztendlich doch durch jenen Tod ersetzt werden, der von einem Genie in Bilder gesetzt und von einem Orchester unterlegt wurde? […] In den lustigen aber makaberen Späßen von Inglourious Basterds gibt es eine wirkliche Gefahr des Revisionismus.”

Ähnliches beobachtet er auch in Shutter Island von Martin Scorsese. Auch hier erzeugen gerade die Qualität des Filmes und die Meisterschaft des Regisseurs die Gefahr der Geschichtsfälschung. Gerade die historisch ungenaue Darstellung des Lagers Dachau bedroht die Erinnerung. Durch die Anpassung der Lagerszenen an die Bildästhetik des Filmes werden sie selbst zu einem Teil der Fiktion. “Was sollen wir von diesen Leichenbergen halten, von denen uns die colorierten Toten mit den Augen von Wachsfiguren oder Puppen anstarren und die, über die gesamte Länge des Filmes, als schreckliches Leitmotiv unseren Helden heimsuchen?”

Levy nimmt in seiner Betrachtung der beiden Filme Bezug auf Kritiken von Jacques Rivette und Claude Lanzmann zu älteren Filmen, welche die (ästhetische) Darstellung des undarstellbaren Grauens grundsätzlich infrage stellen.

“Die Wahrheit ist, dass der Nazismus dabei ist, eine neue Spielwiese für die Bad Boys eines Hollywoods zu werden, bei dem die Entscheidungsträger, ähnlich den Göttern Berkeleys, die jede Minute ihre Schöpfung umändern, entschieden hätten, dass sie die Macht hätten, jederzeit selbst festzulegen, was real ist und was nicht. Besser noch: Der Nazismus wird ein Selbstbedienungsladen, nicht mehr oder weniger tabuisiert als andere, in dem sich jene bedienen, die glauben, dass die Realität nicht mehr sein muss, als eine Art der Fiktion. Die Kunst kommt dabei auf ihre Rechnung, aber nicht die Erinnerung.”

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