Kann Cannes ohne Frauen?

15.05.2012 - 08:54 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
"Frauen zeigen in Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme" heißt es im Brandbrief
The Weinstein Company
"Frauen zeigen in Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme" heißt es im Brandbrief
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22 Filme von 22 Männern – das können einige Filmemacherinnen nicht auf sich sitzen lassen. Am Freitag gingen drei Frauen aus Frankreichs Filmbranche auf die Barrikaden und veröffentlichten in der französischen Tageszeitung Le Monde einen Brandbrief.

Männlichkeit wird beim Festival Cannes anscheinend ganz großgeschrieben. Nicht nur beim Jurypräsidenten fiel die Wahl dieses Jahr mit Nanni Moretti erneut auf einen Mann, auch bei der Auswahl der Wettbewerbsfilme scheint das Geschlecht eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen. Das beklagen zumindest drei Französinnen aus der Filmbranche.

Fanny Cottençon (Dialog mit meinem Gärtner), Coline Serreau (Saint Jacques… Pilgern auf Französisch) und Virginie Despentes (Baise Moi – Fick mich!) haben am Freitag in der französischen Tageszeitung Le Monde einen Brandbrief veröffentlicht. Unter der provokanten Überschrift Frauen zeigen in Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme beklagen die drei Frauen die einseitige Einladungspolitik beim diesjährigen Filmfestival von Cannes.

Das Festival von Cannes 2012 erlaubt es Wes, Jacques, Leos, David, Lee, Andrew, Matteo, Michael, John, Hong, Im, Abbas, Jen, Sergei, Cristian, Yousry, Jeff, Alain, Carlos, Walter, Ulrich, Thomas, ein weiteres Mal zu zeigen, dass Männer bei Frauen Tiefe zu schätzen wissen – allerdings nur bei ihrem Dekolleté, heißt es im Beitrag der drei Damen. Und weiter: Diese beispielhafte Auswahl sendet ein starkes Signal an die Branche und die Weltöffentlichkeit aus. Denn wer könnte ein besseres Sprachrohr für diese unabänderliche Botschaft sein als das prestigereichste Filmfestival der Welt? Ganz im Bewusstsein der eigenen herausgehobenen Stellung haben sie jegliches weibliche Bestreben, in diesen wohlbehüteten Bereich vorzustoßen, unterbunden. Und die Kritik stößt anscheinend nicht auf taube Ohren, denn online haben bereits über 1000 Personen den Protestbrief unterzeichnet.

Spiegel Online widmet sich dem brisanten Thema und macht darauf aufmerksam, dass es in der 64-jährigen Geschichte des Filmfestivals von Cannes bisher nur eine Dame gab, die den Hauptpreis tatsächlich mit nach Hause nehmen durfte. Der weibliche Cannes-Triumph liegt schon fast 20 Jahre zurück: 1993 gewann die neuseeländische Regisseurin und Drehbuchautorin Jane Campion mit ihrem eindrucksvollen Film Das Piano die Goldene Palme. Bei den Filmfestivals in Berlin und Venedig gibt es mit vier Gewinnerinnen etwas mehr Hauptpreise für Regisseurinnen.

Doch immerhin besteht die Wettbewerbsjury bei den 65. Filmfestspielen von Cannes nicht nur aus Vertretern des starken Geschlechts. Mit Diane Kruger, Andrea Arnold, Emmanuelle Devos und Hiam Abbass sind sogar vier Frauen in der neunköpfigen Jury (der Jurypräsident mit eingerechnet) vertreten. Das ist doch eigentlich gar keine so schlechte Quote. Und mit Bérénice Bejo darf zudem wieder eine Frau durch das Programm der Eröffnungsgala führen. So haben wir es doch gern, möchte manch einer meinen: Die Männer machen die (Film-)Arbeit und die Frauen sehen schick aus. Da ist die Welt wieder in Ordnung. Ob dies hier im Kern auch auf das Filmfestival in Cannes zutrifft, müsst ihr entscheiden.

Was sagt ihr zum filmischen Geschlechterstreit?

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