Rust - Legende des Westens wird niemals ein normaler Film sein. Ein tragischer Todesfall während der Dreharbeiten wird für immer alle Qualitäten überschatten, die er als Kunstprodukt besitzt: Am 21. Oktober 2021 löste Hauptdarsteller Alec Baldwin am Set eine Filmwaffe aus und tötete damit versehentlich die Kamerafrau Halyna Hutchins.
5 Jahre der Trauer, Wut, der Gerichtsverhandlungen und eines Freispruchs für Baldwin später lässt sich der Inhalt des Films kaum noch von seiner fatalen Genese trennen. Aber jetzt läuft er tatsächlich doch noch im Kino.
Rust ist kein Reinfall und kein Meisterwerk. Die Regiearbeit von Joel Souza (Im Netz der Gewalt) hat Mut und Ambitionen und eine reiche Bildsprache. Sie hat auch ihre ganz eigenen Schwächen. Vielleicht, weil sie nicht nur ein Western, sondern auch ein Denkmal sein möchte.
Darum geht's im Western Rust
Rust beginnt mit dem extrem harten Leben des 15-jährigen Lucas (Patrick Scott McDermott): Nach dem Tod seiner Eltern kümmert er sich allein um seinen kleinen Bruder Jacob (Easton Malcolm) und die abgelegene Farm, die kaum genug zum Leben abwirft. Als er versehentlich einen benachbarten Bauern erschießt, landet der Jugendliche im Gefängnis und soll gehängt werden.
Schaut euch hier den Trailer zu Rust an:
Doch eines Nachts bricht ein alter Mann in das Gefängnis ein, schlitzt zwei Deputies auf und befreit Lucas – der grobschlächtige Ex-Bandit Harlan Rust (Alec Baldwin) entpuppt sich als sein Großvater. Gemeinsam begibt sich das ungleiche Duo auf die Flucht nach Mexiko, während ihnen redliche Gesetzeshüter wie Wood Helm (Josh Hopkins) und der psychopathische Killer Fenton Lang (Travis Fimmel) nachsetzen.
Rust ist voller wunderschöner Western-Bilder
Die erste Stärke von Rust ist eine kraftvolle Bildsprache. Souza gibt sich als Western-Fan zu erkennen, wenn er berühmte Einstellungen aus Genre-Klassikern wie Der schwarze Falke zitiert. Aber die Bilder, die Halyna Hutchins und ihre Nachfolgerin Bianca Cline komponiert haben, sind nicht nur referenziell.
Sie haben eine finstere Schönheit, etwa wenn Reiter in Zeitlupe vor dem Panorama schneebedeckter Gipfel im Abendrot dahingaloppieren. Die Kamerafrauen schaffen Momente voller Symbolik. In einer Szene hebt sich die schwarze Silhouette eines Mannes, der vor zwei Gräbern kniet, von der goldenen Landschaft ab.
Im Kontrast der majestätischen Berge wirken die Lebensbereiche der Menschheit karg und dunkel. Sie erinnern an die Beschreibungen von Schauerromanen, als hätte man aus Emily Brontës Sturmhöhe einen Western gemacht. Der überdeutliche Farbfilter mag für manche plump wirken, aber mutig sind die optischen Entscheidungen der Filmemacher auf jeden Fall.
Die Rust-Macher haben viele mutige Entscheidungen getroffen
Generell kann man Souza und sein Team nur dafür loben, eigene Wege zu gehen. Das gilt auch für das Drehbuch: In einer der schönsten Szenen sitzen Lucas und Rust am Lagerfeuer. Es ist der Moment, in dem Rust dem Jungen seine Vergangenheit offenbart. Aber statt aus Texas oder Montana oder New Mexico, die in jedem zweiten Western als Symbole der Gesetzlosigkeit dienen, stammt Rust aus Chicago.
Er ist als Sohn eines Zeitungsverkäufers aufgewachsen, versuchte es mit dem Bauernleben und verlor alles. Brutalität ist seine engstirnige Rache an einer Welt, die ihm sein Glück genommen hat. Eine Western-Figur so zu entmystifizieren, ist einfach erfrischend und zeugt von klugen kreativen Entscheidungen.
Das eigentliche Rückgrat des Films aber sind seine Darsteller. Alec Baldwin überzeugt als ruppiger Gewaltmensch, der sich zum gutmütigen Großvater wandelt. Josh Hopkins spielt mit viel Leidenschaft einen Sheriff, der alle Hoffnungen auf persönliches Glück aufgegeben zu haben scheint. Vor allem aber begeistert Patrick Scott McDermott, der seine Figur mit der perfekten Mischung aus hilfloser Wut, naiver Prinzipientreue und kindlicher Angst verkörpert.
Der Film hat zu viele Schauplätze und Figuren
Auch die besten Darsteller:innen können allerdings mit den Auswüchsen des Drehbuchs bisweilen nicht mithalten. Der Film ist einfach zu lang und ausufernd, sowohl mit Blick auf die reine Laufzeit wie auf seine erzählerische Ambition.
Auch interessant:
Ständig werden neue Schauplätze und Personen eingeführt, deren Bedeutung für die eigentliche Kerngeschichte gegen null tendiert. Manchen Nebenfiguren verpasst Souza kleine Szenen, die ihren Charakter verdeutlichen sollen. Aber in einer solchen personellen Vielfalt wirken sie beliebig. Wenn sich etwa zwei Hilfssheriffs prügeln oder ein Barbesitzer sich großmütig für den verurteilten Lucas einsetzt, kann man nur die Schultern zucken, denn solche Momente münden nie in irgendeiner größeren dramaturgischen Erkenntnis.
In der Folge bleibt für die wirklich wichtigen Figuren nicht genug Zeit. Harlan und Lucas könnten beispielsweise längere Szenen vertragen, die die Entwicklung ihrer Beziehung glätten. Als sich beide irgendwann ins Herz geschlossen haben, scheint es abrupt und konstruiert. Auch Travis Fimmels psychopathischer Kopfgeldjäger hätte von komplexerer Figurenbildung profitiert. Aber mit seinen mosaikhaften Auftritten wirkt er oft wie eine Karikatur, deren Kaltblütigkeit kaum erklärt wird.
Das fehlende Gespür für wichtige Figuren und wichtige Szenen ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass Rust nicht einfach nur ein Western ist. Er erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern ist auch das Resultat und die Dokumentation einer geteilten tragischen Erfahrung. Den Film zu Halyna Hutchins' Ehren in ein Epos mit gigantischem Figureninventar und unzähligen Nebenszenen zu verwandeln, wäre nur allzu nachvollziehbar. Aber diese Beobachtung ist nur Spekulation.
Am Ende tut man dem Film und den Beteiligten womöglich den größten Gefallen, wenn man das Resultat nüchtern betrachtet. Rust ist ein Film mit Schwächen, aber großem Mut und einzigartigen Szenen. Auch in Hutchins' Namen wäre ihm zu wünschen, dass er die Zeit nicht nur aufgrund seiner Tragik überdauert.
Rust läuft seit dem 1. Mai 2025 im Kino.