Heute startet mit We Live in Time ein neuer Liebesfilm von Brooklyn-Regisseur John Crowley in den Kinos. Die Romanze springt in der Zeit vor und zurück, um über eine Dekade hinweg die Geschichte von Almut (Florence Pugh) und Tobias (Andrew Garfield) zu erzählen – mit allen Beziehungshöhen und -tiefen.
Moviepilot hatte vor dem Kinostart am 9. Januar 2025 nicht nur die Gelegenheit ein Gespräch mit Florence Pugh und Andrew Garfield zu führen, sondern auch mit John Crowley zu reden. Im Interview erklärte uns der Filmemacher, wie man die zeitliche Struktur seines Dramas am besten versteht, und verriet, wie die aufsehenerregendste Szene von We Live in Time entstand.
Regisseur John Crowley erklärt im Interview die Chronologie von We Live in Time
Moviepilot: We Live in Time springt in der Zeit. Was ist so faszinierend daran, eine Geschichte derart non-linear zu erzählen? Kannst du die Filmstruktur einfach erklären?
John Crowley: Es fühlte sich für mich unglaublich filmisch an, drei Zeitebenen zu jonglieren, die nicht nur zu unterschiedlichen Zeiten spielen, sondern auch verschiedene Längen und Erzähltempos haben: Ein Zeitrahmen erstreckt sich über einen Tag, einer wird über ungefähr 6 Monate erzählt und einer umfasst 5 Jahre in dieser Beziehung. Sie alle treten gegeneinander an.
Das hört sich kompliziert an, aber mein Job war, dass es nicht kompliziert ist. Damit das Publikum nicht ein kryptisches Rätsel, sondern die Verspieltheit darin empfindet. Nach circa 20 Minuten Laufzeit sollte man sich das System der Ebenen erschlossen haben und dann ergibt alles Sinn. Ich liebe, wie die Struktur vermittelt, wie es sich anfühlt, eine Beziehung von innen mitzuerleben. Wie man Zeit erfährt: Dass sie manchmal sehr schnell und manchmal sehr langsam vergeht. Es fühlte sich wie der richtige Ansatz an, um eine im Prinzip sehr einfache Geschichte über zwei Menschen zu erzählen, die ein Leben zusammen erschaffen wollen.
Standen die Erzählebenen von Anfang an fest oder hat sich We Live in Time im Laufe der Zeit verändert?
Die Struktur der Timeline veränderte sich im Laufe des Films, aber das hatten wir erwartet. Es gibt den Film, den man schreibt, den Film, den man dreht, und den Film, den man schneidet. Am Ende hofft man, dass sie sich alle ungefähr ähneln.
Die Chemie zwischen Andrew Garfield und Florence Pugh ist unglaublich. Waren sie immer deine erste Wahl?
Andrew ist mir sofort eingefallen, als ich das Drehbuch gelesen habe. Wir hatten vorher schon Boy A zusammen gedreht. Seitdem haben wir immer mal wieder geredet, aber nie das richtige Projekt oder die Zeit gefunden. Als ich We Live in Time las und die Kombination von Tobias’ absurder Verspieltheit mit seiner Sensibilität und Emotionalität sah, dachte ich: Das ist genau Andrews Spezialgebiet. Ich habe ihm also das Drehbuch geschickt und er hat es sofort geliebt und zugesagt.
Florence' Arbeit liebte ich schon lange, aber ich kannte sie vorher nicht persönlich. Als ich das erste Mal nachfragte, war sie nicht verfügbar, weil sie einen anderen Film drehte. Gerade als wir uns anderweitig umsehen wollten, fragte ich noch ein letztes Mal und in ihrem Terminplan hatte sich etwas verschoben. Normalerweise ist es nie so einfach. Aber sie waren beide meine erste Wahl und sie haben beide ja gesagt.
Eine unvergessliche Szene in We Live in Time ist die Geburt in einer Tankstellentoilette. Kannst du ein paar Einblicke geben, wie ihr das gedreht habt?
Der Großteil dieser Szene wurde an einem Tag in einem Set gedreht. Anschließend hatten wir noch einen Nachtdreh, um die ganze Außenumgebung zu filmen. Also zusammen insgesamt zweieinhalb Tage Arbeit. Es war die Szene, die mich beim Drehbuchlesen davon überzeugt hat, dass ich diesen Film machen wollte. Weil ich realisiert habe, dass ich laut lachte, mit den Tränen in den Augen, während ich sie las.
Es ist die Nähe des Absurden dieser Situation zu einem der tiefgreifendsten Momente im Leben eines Paares. Den Mix aus Comedy und Tiefe fand ich mitreißend. Ich kann verraten: Manchmal sind bewegende Szene in einem Film nicht sehr bewegend zu drehen. Aber diese war es. Ich glaube, es war die Anwesenheit eines echten Babys, die uns berührt hat. Wenn dieses Baby geweint hat, hat es geweint. Es hat sich nicht darum geschert, ob es eine Tonaufnahme ruiniert. Man könnte sagen, es gab eine Ehrlichkeit in der Performance dieses Babys. [lacht] Die Erschöpfung auf den Gesichtern der Schauspieler:innen ist echt. Das war ein besonderer Drehtag.
Hast du eine bestimmte Herangehensweise, um deinen Filmen ihre gefühlvoll-ehrliche Note zu verleihen?
Ich habe kein Rezept, aber bei mir fängt es immer mit dem Geschriebenen an. [Drehbuchautor] Nick Payne hat zwei fantastische Hauptfiguren geschrieben und mein Job ist, die Wahrheit jeder Szene in der Performance [meiner Stars] noch zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Also der tiefsten, reichhaltigsten, lustigsten oder bewegendsten Version hinterherzujagen, um es bis an die absolute Grenze zu bringen.
Tobias ist ein Planer und Almut eher ein spontaner Geist. In welche Kategorie fällst du als Regisseur?
Man braucht beides, um ein guter Filmemacher zu sein. Du musst planen können und Menschen um dich haben, die helfen können, einen kohärenten Drehplan zu erstellen. Ich würde mich gern als jemanden sehen, der Sachen spontan entscheidet. Aber, um ehrlich zu sein, vermute ich, ich bin eher ein Tobias.
Wenn du dir, wie deine Figuren in We Live in Time, eine Süßigkeit aus einer Celebration-Box aussuchen könntest, was würdest du wählen?
Ich war immer ein Twix-Mann.
Almuts Entscheidungen im Film begründen sich darin, wie sie im Gedächtnis bleiben will. War das etwas, worüber du während des Drehs auch für dich selbst nachgedacht hast?
Das ist immer in meinem Kopf. Als Elternteil denkt man viel darüber nach, was man zurücklässt. Als emotionales Erbe, aber auch beruflich. Du hoffst, dass man sich an deine Arbeit erinnert. Dass du ein paar gute Filme geschaffen hast.