Im Jahr 1 nach Game of Thrones fällt Netflix' Serienproblem erst richtig auf

30.07.2020 - 09:42 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Stranger Things gehört zu den Emmy-nominierten Netflix-Serien
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Stranger Things gehört zu den Emmy-nominierten Netflix-Serien
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Ein Jahr nach Game of Thrones holt sich Netflix den Emmy-Rekord für Nominierungen. Trotzdem sorgen Serien wie Watchmen für mehr Aufmerksamkeit. Woran liegt das?

160 Nominierungen - das geht wie Butter über die Zungen der Headline-Schreiber. Der Streaming-Dienst Netflix hat gestern einen Rekord beim Fernsehpreis Emmy geholt. So viele Nominierungen vereinte bisher noch kein anderer Sender auf sich.

Zum zweiten Mal in seiner Geschichte sammelte Netflix die meisten Nominierungen und ließ damit auch HBO hinter sich. Doch im Jahr 1 nach dem Ende von Game of Thrones (32 Nominierungen 2019) fällt vor allem auf, wie Netflix diese Blockbuster-große Lücke zu füllen sucht: mit dem überwältigenden Argument der Serien-Masse.

Zahlreiche Serien kämpfen unter der Schirmherrschaft des roten Ns um die Aufmerksamkeit der Emmy-Wähler - und um unsere. Damit kannibalisiert sich der Streaming-Dienst selbst.

Wer die Emmy-Nominierungen 2020 überfliegen will, findet eine Auswahl weiter unten im Artikel.

Watchmen und Succession stellen Netflix in den Schatten

Die 160 beeindruckt, keine Frage. Wenn wir allerdings über die großen Geschichten im Vorfeld des Fernsehpreises sprechen, sticht erstmal keine Netflix-Serie heraus.

Stattdessen bestätigt HBOs düstere Superheldenserie Watchmen mit 26 Nominierungen ihre zeitgemäße Relevanz, während Succession mit 18 Nominierungen beweist, wie freizügig der Hype um die dysfunktionale Milliardärs-Familie Roy nach Staffel 2 wuchert. Die 15-fach nominierte Star Wars-Serie The Mandalorian machte derweil für Streaming-Neuling Disney+ von sich reden.

Watchmen

Die größten Netflix-Geschichten beim Emmy fallen durch ein begleitendes Stirnrunzeln auf (18 Nominierungen für den fahlblauen Breaking Bad-Verschnitt Ozark) oder dadurch, dass sie größer hätten sein können.

Das betrifft vor allem die gefeierte Krimiserie Unbelievable, die mehr Darsteller-Nominierungen verdient hätte. Immerhin erfreut die 8-fache Berücksichtigung von Unorthodox. Aber hätte es für beide nicht auch mehr sein können?

Alle schauen Netflix, aber ein Game of Thrones-Ersatz fehlt

Die Emmys sagen wie auch die Oscars nichts über Qualität, aber viel über die Aufmerksamkeit aus. Dass Unbelievable in entscheidenden Kategorien übergangen wurde, zeugt eher von der Veröffentlichung und Werbung der Serie als von ihrem Inhalt.

Die enorme Popularität und Verbreitung von Netflix mag die Anzahl der Nominierungen insgesamt fördern. Jeder (Wähler) hat mal in Tiger King, Ozark, Hollywood, The Crown oder Stranger Things reingeschaut - oder sie wenigstens beim Bügeln laufen lassen.

Die Verbreitung eröffnet jedoch gleichzeitig die Frage, warum Netflix die eine Überflieger-Serie fehlt. Warum also der Streaming-Dienst nach dem Ende von Breaking Bad (AMC), Game of Thrones (HBO) und vielen anderen keinen eigenen Ersatz vorlegen konnte, dem der Spagat zwischen Massen-Unterhaltung und Kritiker-Liebe gelingt.

Ozark

Alle paar Wochen protzt der Konzern mit seinen millionenschweren Zuschauerzahlen. Doch selbst wenn wirklich 30 Millionen Haushalte in die 3. Staffel von Ozark hereingeblinzelt haben, schlug die Serie keine weiteren kulturellen Wellen. Die Ausstrahlung von Watchmen förderte derweil die längst fällige Änderung von Lehrplänen in Oklahoma (Quelle: New York Magazine ).

Angesichts der puren Masse an Netflix Originals bleibt allerdings fraglich, ob ein Watchmen auf der Plattform überhaupt die Chance hätte, diese Art von Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Das Paradox: 160 Netflix-Nominierungen sind eigentlich nicht genug

2019 brachte der Streaming-Dienst mehr Original-Produktionen auf den Markt als die gesamte US-TV-Industrie im Jahr 2005 (Variety ). In den USA veröffentlichte Netflix vergangenes Jahr demnach 371 neue Serien und Filme. Nur ein Viertel davon wurden in den internationalen Märkten des Konzerns produziert.

Wie Libby Hill bei Indie Wire  anmerkt, sind 160 Nominierungen angesichts dieser Zahlen fast noch zu wenig. Im Vergleich dazu erreicht der Premium-Kabelsender HBO mit einem Bruchteil der Netflix-Produktion ähnlich beeindruckende Emmy-Ergebnisse.

Derweil kämpfen sehenswerte Serien bei Netflix gegen den Schwall wöchentlich nachgeschobenen Contents in einem unübersichtlichen Katalog.

Die stetige Erweiterung der eigenen Zuschauer-Basis verkommt zur Sisyphos-Aufgabe. Jeden Freitag um 9 Uhr rollt der Stein weiter den Berg hinab.

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