Neues russisches Kino - Ostblockbuster & Indie

01.09.2011 - 08:50 Uhr
Das neue russische Kino
Alexandergusev/Wikimedia
Das neue russische Kino
6
9
Russland ist für einige Menschen aus dem Westen immer noch sehr fremd. Das gilt auch für die dortige Filmindustrie, die kaum bekannt ist, obwohl sie seit einiger Zeit wieder einen Aufschwung erlebt und einen Blick wert ist.

Filmindustrien verschiedener Länder sind für unsereins manchmal Bücher mit schon mehr als sieben Siegeln. Die Produktionsstandorte wie die USA, Deutschland, England, Italien, Japan, Frankreich sind alle mehr oder minder gut bekannt, andere wie Spanien, Kanada, Südkorea usw. auch noch. Aber es gibt Nationen, deren internationaler Bekanntheitsgrad gering ist – selbst wenn es sich um eine Weltmacht wie Russland handelt.

Der russische Film lag lange Jahre in einem Dornröschenschlaf, zumindest was die Beachtung außerhalb der eigenen Grenzen anbelangte. Kommt die Sprache auf russische Werke, wurden und werden Größen wie Sergei M. Eisenstein, Andrei Tarkowski, Elem Klimow oder Sergej Bondartschuk genannt, Filme wie Panzerkreuzer Potemkin, Stalker, Komm und sieh oder Krieg und Frieden sind noch immer der Inbegriff russischer Filmkunst. Aber seit einigen Jahren ist auch das neue russische Kino im Kommen, junge Filmemacher aus Russland bzw. der russischen Föderation demonstrieren, dass die heimische Industrie auch heutzutage noch einiges zu bieten hat. Anlässlich des Starts des Dramas How I Ended This Summer von Aleksei Popogrebsky wollen wir uns heute einmal mit dem modernen Kino Russlands beschäftigen.

Die Entstehung der Ostblockbuster
Die Geschichte Russlands bedingt eine Wellenbewegung innerhalb der Filmindustrie. Das sowjetische System unter Führung der KPdSU bedeutete eine starke Einschränkung künstlerisch tätiger Personen, sich beim Klassenfeind Amerika Inspiration holen war verpönt. Unter Druck entstehen fraglos Diamanten, auf Dauer war der politisch-ideologische Rucksack für Filmschaffende aber zu schwer, um getragen werden zu können. Die veränderte weltpolitische Situation führt nach und nach jedoch dazu, dass das Blockbuster-Konzept, das in dieser Form aus den USA bekannt war, auch im flächenmäßig größten Staat der Erde populär wurde. Besonders Genre-Filme wie Wächter der Nacht oder der Nachfolger Wächter des Tages des Kasachen Timur Bekmambetov sorgten nicht nur national, sondern auch fernab Russlands für Aufsehen. Es war auch Timur Bekmambetov, der den bis dato erfolgreichsten russischen Film drehte, nämlich Ironie des Schicksals. Die Fortsetzung, eine romantische Komödie aus dem Jahr 2007. Stilistisch nah an den großen Hollywoodfilmen, die Kriegsbombast und Romantik vereinten, bewegte sich Admiral – Warrior. Hero. Legend. mit n/a in der Hauptrolle.

Action & Krieg
Doch wo es ums Geldverdienen geht, entsteht nebst der großen Industrie auch meist eine kleine, die fließbandmäßig Filme rausbringt, um auf dem Markt Kohle abzugreifen. Werke wie Schwarzer Blitz, der sich stark am US-Superheldenkino orientiert, oder der Actionthriller Apocalypse Code bewegen sich noch eher im Blockbusterbereich, recht lieblose Produktionen wie Paragraph 78 – Das Spiel des Todes!, Russian Transporter oder Antikiller – Der härteste Cop Russlands weniger. Bedingt durch die ziemlich günstigen Produktionskosten und eine ganze Menge potentieller Zuschauer lässt sich aber auch mit Durchschnittsware noch reichlich Geld verdienen.

Relativ häufig jedoch, so der Eindruck, greift das neue russische Kino das Kriegsthema auf. Nicht nur im schon erwähnten Admiral – Warrior. Hero. Legend., auch in War Fighter, Tötet Hitler – Spezialeinheit in den Tod oder Todeskommando Russland setzen sich die Filmemacher mit der Thematik auseinander. Die martialischen deutschen bzw. internationalen Titel vermitteln manchmal auch einen inkorrekten Eindruck, denn nicht selten steckt mehr dahinter, als nur banale Action. Das gilt sicherlich nicht für alle diese Filme, aber angesicht der russischen Historie, die bis zum heutigen Tag von Kriegswirren begleitet wird, ist eine Auseinandersetzung mit respektive Thematisierung von Kampfhandlungen nur allzu verständlich.

Entwicklung neuen Anspruchs
Doch nicht nur kostenintensive und einträgliche Filme sind Teil des neuen russischen Kinos. Filmemachen war und ist nirgends eine Frage der Budgetgrößen, sondern der Leidenschaft. Und selbiges gilt auch für Russlands Kreative. Das internationale Ansehen russischer Produktionen stieg in den vergangenen Jahren stets an, die Filmbranche in all seinen Facetten scheint förmlich aufzublühen, Meisterwerke von fast unscheinbarer Natur schwappen verstärkt in den Westen. Kukushka – Der Kuckuck, The Return – Die Rückkehr, Vater und Sohn, Luna Papa – sie alle verkörpern in ihrer Art Brillanz, jeder dieser Streifen ist für sich ein Kleinod der Filmkunst, ein Teil russische Seele, einfühlsam verpackt und ansprechend präsentiert.

Dass Russland trotz aller Fortschritte noch einen langen Weg zu bestreiten hat, demonstrierte ausgerechnet Nikita Mikhalkov, dessen Werk Die Sonne, die uns täuscht 1995 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Als Chef des “Verband der Filmschaffenden” gibt er seit einiger Zeit keine gute Figur ab, lässt offen antidemokratische und revisionistische Tendenzen erkennen und regiert mit eisenharter Hand. “Der Westen”, besser gesagt die Veranstalter des Filmfestival Cannes hätten sich klar positionieren können, indem sie Nikita Mikhalkov ignoriert hätten, gaben seinem zweifelhaften Film Die Sonne, die uns täuscht – Der Exodus jedoch einen Wettbewerbsstartplatz.

Wir wollen dennoch hoffen, dass der Weg, den die russische Filmindustrie eingeschlagen hat, nicht durch die Politik zerstört wird. Und wir können ja durchaus positiv gestimmt sein, wenn wir uns den überwiegenden Teil russischer Filmarbeitender ansehen und das registrieren, was sie erschaffen. Mammutprojekte wie Der Mongole werden beachtet, Russian Ark, der mit nur einer Einstellung gedreht wurde, diskutiert, der internationale Austausch wird immer reger. Das neue russische Kino, das steht fest, wird so oder so die nächsten Jahre für Gesprächsstoff sorgen.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News