Nordwand

30.04.2009 - 16:33 Uhr
Nordwand
Majestic
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Nordwand ist ein guter Action-Film und eine mittelprächtige Daily Soap.

Als sie fallen, brechen die Stimmen weg. Es hört sich an wie eine Verfolgungsjagd zu Fuß. Es sind Schreie zu hören, kurze, impulsive Schreie. Niemand ruft um Hilfe, niemand ruft einen anderen Namen, niemand ruft irgendwas irgendwem irgendwie zu. Seile rutschen durch die Hände, Kraftlosigkeit wird plötzlich vertont: ein Keuschen, ein Luftholen, ein Festhalten und Loslassen.

Wenn Nordwand die Kletterer bei ihrer Arbeit zeigt, ist es ganz großes Kino. Oft holt die Kamera Luft, die Personen sind irgendwo in der Ecke, der massive Berg dominiert bedrohlich das Bild, auf der anderen Seite ist die Ferne zu sehen und der Boden der Tatsachen: Sie sind oben, sie sind in Lebensgefahr, sie haben – machen wir uns nichts vor – keine Chance. Der Berg, der eigentliche Hauptdarsteller, der sich betreten, beschlagen und nicht besteigen lässt, gibt den Ton an und vergreift sich darin selten: Spektakulärer wurde in keinem deutschen Film das Klettern inszeniert, den Vergleich mit internationalen Produktionen sollte und darf Nordwand nicht scheuen.

Toni Kurz (Benno Fürmann) und Andi Hinterstoisser (Florian Lukas) sind Abenteurer, ein großes Stück auch lebensmüde: Sie wollen die Eiger Nordwand erklimmen, wie so viele andere Bergsteiger auch. Sie alle scheiterten, tauften mit ihrem Versagen das Naturobjekt „Mordwand“. Doch Toni und Andi sind von ihren Fähigkeiten überzeugt, vielleicht auch von der Hoffnung darauf, dass das Erklimmen ihnen den sozialen Aufstieg und olympisches Gold gewährt. Der nazitreue Reporter Arau (Ulrich Tukur) ist sich dessen auch sicher: Zwei Deutsche als Erste an der Spitze wäre die Krönung. Begleitet wird er bei seiner Recherche vor Ort von der Fotografin Luise (Johanna Wokalek), Tonis Jugendliebe, die sich ihrer Liebe zum Bergsteiger erst richtig bewusst wird, als dieser sich schon in Lebensgefahr begeben hat…

Es ist ein wenig schade: Würde der Film nur davon handeln, wie zwei Wagemutige versuchen, einen überlebensgroßen Berg zu besteigen, würde er sicher makellos sein. Die Kamera zeigt dynamisch und in oftmals wirklich grandiosen Aufnahmen, wie Toni, Andi und ihre Schweizer Konkurrenten und zur gleichen Zeit auch Kollegen Willy und Edi geradezu gegen den Berg kämpfen. Das ist Action-Kino und das ist gut.

Dumm nur, dass der Film gleichzeitig auch ein Liebes-Drama sein möchte und in wirklich unglücklichen Momenten auch die Propaganda-Maschinerie der Nazis kommentieren will, halbgar, ein wenig angedeutet, nicht zu Ende gedacht: Nordwand ist ein Abenteuer-Action-Film geworden, will aber eigentlich viel mehr sein.

Obwohl es auf einer wahren Geschichte beruht, wollte Regisseur Philipp Stölzl sie noch ordentlich verwässern: Luise, gespielt von Johanna Wokalek, die hier auftritt, als wäre sie direkt aus Barfuss zum Bergfuß gerannt, ist die Kraft, die Toni antreibt. Sie lieben sich, das wissen sie beide und wenn Andi von Frauen redet, die auf ihre Rückkehr warten, denkt Toni an seine Luise. Das ist ja irgendwie süß, aber auch Geschichte erzählen nach Rezept: Der Held, der den Berg erklimmen möchte, der kräftige Draufgänger, wird bei seinem Wagemut von der Angebeteten beobachtet. Das ist irgendwann ein wenig nervig, wird aber zum Glück von Ulrich Tukur gerettet, der den Journalisten so großartig spielt, dass es eine Freude ist im zuzuschauen. „Ich bin Reporter!“ „Sind Sie nicht auch ein Mensch?“ „Gelegentlich.“

Dem Film ist anzumerken, dass Stölzl nicht einfach nur einen Bergfilm machen wollte. An vielen Ecken und Enden sind Ambitionen auf Größeres zu erkennen. Die eindimensionale Charakterisierung der beiden Hauptfiguren wird von den viel spannenderen Österreichern an die Wand gespielt. Sie sind letztendlich das, wozu der Film nicht den Mut hatte, Toni und Andi zu machen: draufgängerisch, mutig, ein wenig dumm, lebensmüde – und vor allem ohne Frauen, ohne Vorgeschichte. Einfach nur Bergsteiger. So kommt es, dass das Besteigen der Eiger Nordwand wirklich gut, doch das Drumherum wirklich schwach gemacht ist. Ein spannender Action-Film, eine mittelprächtige Seifenoper. Hätte mehr sein können, ist es aber nicht.

Auf DVD erhältlich. Als Bonusmaterial gibt es ein sehr gut gemachtes Making-Of, zwei Featurettes (Visual Effects und Am Gipfel – Das Filmteam erklimmt den Eiger), entfallene Szenen, Kinotrailer und ein Audiokommentar mit Benno Führmann, Florian Lukas, Regisseur Philipp Stölzl und Produzent Boris Schönfelder

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