Aus der rauen Natur Neuseelands in die glitzernden Hügel Hollywoods. Nach anfänglichen Splatterfantastereien in den 80ern und 90ern krönte Amerikas Filmindustrie Peter Jackson endgültig anno 2004 für den künstlerisch wie kommerziell erfolgreichen Abschluss seines Fantasy-Monolithen Der Herr der Ringe. Elf Oscars für ein gut dreistündiges Epos um Zauberer, Zwerge und einen magischen Ring - das gab es noch nie in einem bis dato belächelten Genre.
Peter Jackson aus Neuseelands Hauptstadt Wellington avancierte in Folge zu einem der gefragten Regisseure und bekam schließlich die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt, um seinen Kindheitstraum King Kong famos zu einer eigenen, sehnsuchtsvollen Vision zu formen. Heute feiert Jackson seinen 55. Geburtstag. Wir gratulieren dem Träumer, der sich trotz des großen Einflusses der US-Filmindustrie seinen Stil des kindlichen Schwärmens bewahrte.
Es klebt Blut an seinen Händen
Dabei begann Peter Jackson seine Karriere im Zeichen jenes Genres, das schon vielen anderen Filmschaffenden zum Sprung ins internationale Rampenlicht verhelfen sollte. Seine Splatter-Orgien wie Bad Taste (1987) und Braindead (1992) mit ihrem schwungvollen Charme aus überzeichneter Gewaltfantasie und urkomischer Trash-Attitüde erinnern unweigerlich an namhafte Kollegen, die im Horror ebenfalls ihre ersten Schritte auf einem von Leichen bedeckten Pfad machten: Die blutigen Hände von B-Movie-Ikone Roger Corman erwiesen sich für die späteren, internationalen Größen John Sayles, Francis Ford Coppola und James Cameron als wichtige Berührungspunkte, denen eine Weltkarriere folgte.
Das unheimliche Genre war seit jeher ein Abenteuerspielplatz für angehende Filmschaffende. Eine Geburtsstätte ästhetischen Ungehorsams, die nicht selten seltsame, bizarre, perverse, kurzum: faszinierende Filmkinder hervorbrachte.
Peter Jacksons erste Schritte waren überdies von einer, wie wir heute sagen würden, Guerillamentalität begleitet. Bad Taste, seine willkürlich erscheinende, wilde Idee um invadierende Aliens, die für den Erfolg ihres intergalaktischen Fast Food-Franchises Menschen ernten wollen - eine extraterrestrische Version menschenverschlingenden Neokapitalismus' quasi - wurde ausschließlich am Wochenende und ausschließlich mit unbezahlten Freunden des Regisseurs gedreht. Ähnlich ging auch Christopher Nolan (Interstellar) mit seinem düsteren Türöffner Following seine filmische Schaffensphase an. Was folgte, ist nicht minder beeindruckend.
Die Sehnsucht nostalgischer Träumerei
1994 kam Peter Jackson für seinen virtuosen Thriller Heavenly Creatures schließlich auch das breitflächige Wohlwollen der Kritik zu - nebenbei verhalf er Kate Winslet auf ihrem eigenen Wege zum Ruhm. Wenn sich zwei befreundete Teenager der 50er gemeinsam in Bildern, Statuen und Geschichten ausdrücken, ihr eigenes Reich der Fantasie erschaffen und darauf hoffen, dass es ihre Abenteuergeschichten nach Hollywood schaffen, zeigte sich bereits die Faszination für Amerikas schillernde Filmindustrie und eine Neigung zur Träumerei. Perfekt also für die Maschinerie der Illusion, die gerade Jacksons späteres Affenspektakel auszeichnete.
Dann sehen wir Peter Jackson, am anderen Ende der Welt sitzend, verträumt und voller Ambition, einem Kinde gleich, mit Kamera und Leidenschaft bewaffnet und bereit zur Eroberung der amerikanischen Traumfabrik.
1997 brachte er sich mit ersten Arbeiten seines Herrn der Ringe in Stellung. 2001 blies er schließlich zusammen mit seinen Gefährten zum Triumphzug - das Ergebnis ist nachhallende Filmgeschichte und ein Sieg des Traumes, der zu seinem damaligen Höhepunkt Mitte der 00er-Jahre in der Neuauflage von King Kong kulminierte. Eigentlich ein faszinierend-überdimensioniertes Außenseiter-Melodram, presste Peter Jackson hier die Essenz seiner Schwärmerei in drei Stunden Film. Variety offenbarte er:
Kein Film bezauberte meine Vorstellung mehr als King Kong [das Original von 1933]. Ich mache heute Filme, weil ich diesen Film sah, als ich neun Jahre alt war.
Seine Essenz, das ist die Faszination für die Historie Hollywoods und des Kinos im Allgemeinen, der Mut zum juvenil-naiven Gefühl und der Hang zum aufrichtigen, handgemachten Spektakel. Sein übergroßer Entwurf des Menschenaffens ist der auf die Spitze des Empire State Building getriebene Ausdruck dessen.
In einer Film-in-Film-Szene während der Fahrt auf einem heruntergekommenen Boot, mit dem sich die Filmcrew in der Geschichte auf dem Weg zur sagenumwobenden Insel Skull Island macht, beschwört Peter Jackson das Echo der amerikanischen Filmvergangenheit. Unter Anleitung des Regisseurs Carl Denham, Jack Blacks wohl nach wie vor eindringlichste Darstellung, schwebt die Liebes-verzweifelte Schauspielerin Ann Darrow über das menschenverlassene Deck hin zur Reling und ihre Verkörperin Naomi Watts im Gestus einer alten Hollywood-Legende in die Vergangenheit. Sie, als die verführerische Sirene einer untergegangenen Ära, deren inszenierte Melodramatik und aufgesetzte Emotionalität (bevor das Method Acting das Schauspiel vom Spiel ins Gefühl verlagerte) in echtes Empfinden umschlägt, als sie ihre Liebe, den Theaterautor Jack Driscoll (Adrien Brody) im Abseits stehend erblickt.
Das ist handgemachte, überhöhte Illusion eines Peter Jackson vor rosaroter Himmelskulisse, wie sie davor zuletzt in solch überzeugter und überzeugender Ausprägung James Cameron im Liebesuntergangstrip Titanic gelang. Überhöht, da er bewusst seine Illusion einer gewollten Studiokünstlichkeit wegen offenlegt, überzeugt im reflektiven Spiel mit selbiger und überzeugend in seiner Verbeugung vor den großen Gefühlsfilmen des alten Hollywood sowie der Vereinigung des Damals und Heute. Ein zeitgenössischer Trip modernen Spektakelkinos unter Einwirkung nostalgischer Rauschmittel.
Nach der Katerstimmung-hevorrufenden Hobbit-Trilogie mögen wir hoffen, dass er uns in Zukunft erneut mitnimmt in seine ergreifenden Traumwelten, auf die zunächst er sich einzulassen versteht - zum Hobbit verriet Jackson: "Ich wusste nicht, was zur Hölle ich tat."
Keep dreaming, Mr. Jackson. Alles Gute zum 55. Geburtstag!