Rindvieh à la Carte - ein weiterer ARD-Kuhfladen

28.06.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Rindvieh à la Carte
ARD / SWR
Rindvieh à la Carte
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Dem die Kuh gehört, der fasst sie bei den Hörnern. Wenn Landwirtin Muriel Baumeister versagt, kann nur ein stattlicher Mann wie Bernhard Schir ihr noch den (Bauern-)Hof machen. Eine weitere Komödie in der ARD, die reaktionären Schwachsinn auftischt.

Ein gemeinsames Leben auf dem Bauernhof kann so schön sein. Was aber, wenn die Bäuerin ihren passenden Bauern noch nicht gefunden hat? Dann muss sie, nichts ahnend, erst durch ein schnittiges Großstadt-Cabrio von der Landstraße gedrängt werden, um mit ihrem Fahrrad ins Feld zu rauschen. Der Beginn einer pfälzischen Romanze! Frieda (Muriel Baumeister), allein erziehende Mutter und Landwirtin, wird von Fernsehkoch Felix Hauser (Bernhard Schir) einfach übersehen, und dann begeht er auch noch Fahrerflucht. Glück für sie (und den Zuschauer!), dass sein Kennzeichen nicht unbemerkt bleibt. Und weil der Unfall den Karriereplänen des Star-Kochs einen Strich durch die Rechnung machen könnte, muss er sein Image schleunigst wiederherstellen. Auf Anraten („Mach das das Bauerntrampel richtig fertig!“) von Manager Dennis (Roman Knizka) nistet Felix sich als Hilfskraft auf Friedas Hof ein und gaukelt ihr die große Reue vor. Wird sein Spiel auffliegen? Oder wird es zwischen der resoluten Bäuerin und dem abgebrühten Großstadtzyniker gar funken? Und wie entscheidet sich Felix in der großen finalen Vertragsunterzeichnung – für die Karriere oder für die Liebe???

Rosen und Kuhfladen
Die neckische Annäherung verläuft natürlich in gewohnten Bahnen. Allmählich bröckelt das erfolgsorientierte Antlitz des Großstadtbullen, der sich von der ländlich-bäuerlichen Exotik sichtlich fasziniert zeigt („Das ist ja eine ganz andere Welt“). Bis zur ersten Liebesnacht im Stall dauert es nicht lang, nachdem Felix und Frieda sich beim gemeinsamen Mähdreschen (!) schon näher gekommen sind. Als der Fernsehkoch die Landwirtin und ihre Töchter dann auch noch mit seinen Künsten beglückt („Ich wusste gar nicht, dass Essen so schmecken kann.“), ist es um die Frauen-WG vom Lande geschehen. Da wackelt selbst die Kuh mit dem Schwanz! Doch der Liebe folgt Gewissensbisse: Muriel Baumeister weiß schließlich nicht, dass Bernhard Schir ihr lediglich aus Selbstnutz den Bauernhof macht. Er muss das Spiel mit der lieben „Kuh…hirtin“ (again: Manager Dennis) aufgeben und trotzdem als Sieger hervorgehen. Denn die Liebe ist ja wie der Tau, sie fällt auf Rosen und Kuhfladen.

„Sonst bestell ich mir ’ne Pizza!“
Rindvieh à la carte heißt der große ARD-Freitagsfilm, produziert von der Haute cuisine des deutschen Fernseheinkaufs, der Degeto Film (und dem SWR). Gedreht wurde die superspritzige Geschlechterkomödie bereits im Sommer 2010, der ursprüngliche Sendetermin (Mai 2012) aber aus unbekannten Gründen verschoben. Das lange Warten hat sich indes selbstverständlich gelohnt: Bei der herrlich unbeschwerten Liebesgeschichte bleibt kein Auge trocken! Aus Verzweiflung. Der Film beginnt schon jenseitig, mit sonnendurchfluteten Impressionen des Bauernhofs zu beschwingten Chansons! Gleich darauf betritt Friedas Tochter Lotte den Stall: „Gibt’s heut noch was zu essen, sonst bestell ich mir ’ne Pizza!“. Eine subtile epische Vorausdeutung kommender Ereignisse. Lotte (Luise von Finckh) ist nicht zufrieden mit der Bauernmutter, es fehlt einfach der Vater. „Merkst du eigentlich nicht, dass du jeden Mann vertreibst?“, wirft sie Frieda vor. Deshalb ist das Mädchen auch froh, als Fernsehkoch Felix seine helfende männliche Hand über die notdürftige Frauenwirtschaft legt. „Ja geil, dann gibt’s hier wenigstens mal was Ordentliches zu futtern“, preist Lotte den frischen Wind auf dem Landhof ihrer Mutter.

Der Traum vom süßen Patriarchen
Dass dieses Gör einmal kräftig gemaßregelt gehört, verschweigt Rindvieh à la Carte. Der Film weiß es eben nicht besser, dessen Protagonistin schon gar nicht. Frieda ist nämlich, wie alle ARD-Frauen in ARD-Filmen zur ARD-Primetime, eine dieser scheinemanzipierten Kämpferinnen, die ihr Leben selbstständig meistern und sich doch nur heimlich einen süßen Patriarchen an ihre Seite wünschen. Eine Frau, die sich erst dann vollständig fühlt, wenn ihr ein Mann zur Hilfe kommt. Diese krankhaft reaktionäre Idee steht, das kann ich jetzt allmählich – nach Beschäftigung mit mehr Fernsehfilmen als mir lieb ist – sagen, im Mittelpunkt aller öffentlich-rechtlichen TV-Romanzen.

Mehr: So wie du bist – Naives Dramödchen zum Wohlfühlen
Mehr: Der Vollgasmann – ein Film aus der Hölle

Die Handlungsmotive sind dabei stets mehr oder weniger die gleichen banalen: Erst letzte Woche, in der Wohlfühlkomödie So wie du bist, brachte ein Autounfall das Geschehen ähnlich wie hier ins Rollen, und kurz zuvor musste Der Vollgasmann ein Vollbruchlandung hinlegen, damit Uwe Ochsenknecht die arme Anica Dobra unter seine Fittiche nehmen konnte. Der Autounfall als dramaturgischer Anstoß – keinem Fernsehautoren zu billig. Und geht halt immer wieder.

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