Trumbo, Hail, Caesar! und das Schreckgespenst des Kommunismus

11.03.2016 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Bryan Cranston als Dalton TrumboParamount Pictures
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Mit Trumbo und Hail, Caesar! laufen zurzeit gleich zwei Filme im Kino, die sich mit Hollywoods Beziehung zum Kommunismus auseinandersetzen. Ein Vergleich.

"Sind Sie oder waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei?" Wer während des Kalten Krieges zu diesen Worten öffentlich Stellung beziehen musste, galt in den USA als Landesverräter. Großinquisitor Joseph McCarthy und seine Scharfrichter argwöhnten in Hollywood die Hochburg dieser moralischen Verworfenheit und läuteten eine regelrechte Hexenjagd ein, in deren Folge zahlreiche Filmschaffende der kommunistischen Ketzerei bezichtigt wurden. Die Rote Angst, die das gesamte Land umklammerte, wurde von der verschwörerischen Vorstellung getragen, dass Filme in der Lage sein könnten, die Zuschauer zu subversiven Taten anzustiften. In jedem auch nur geringfügig kritischen Filmschaffenden wurde ein potenzieller Manchuarian Kandidat vermutet.

Ohne gleich die Geister der Geschichte beschwören zu wollen, so ist es evident, dass sich in letzter Zeit mit Brooklyn, Bridge of Spies - Der Unterhändler, Carol, Hail, Caesar! und Trumbo zahlreiche Hollywoodproduktionen dieser Ära annehmen. Handelt es sich hierbei lediglich um historische Patina oder offenbart sich darin eventuell ein Signal für unsere heutige Zeit, die in vielerlei Hinsicht gespenstische Parallelen zur Paranoia des Kalten Krieges aufweist? Soll damit unser Blick für die heutigen Botschafter der Angst wie Donald Drumpf oder die Populisten der AfD geschärft werden, die unverfroren mit den Sorgen der Bevölkerung spielen, um daraus politischen Profit zu schlagen? Kurz gesagt, geht gerade ein Linksruck durch Hollywood?

Dalton Trumbo, Luxus-Kommunist

Dalton Trumbo gilt als einer der be- und gerühmtesten Drehbuchautoren seiner Generation, dessen Name für immer mit dieser dunklen Episode aus Hollywoods Vergangenheit verbunden bleiben wird. 1947 wurde Trumbo, der fünf Jahre lang Mitglied der kommunistischen Partei gewesen war, vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe (HUAC) gezwungen, die Namen ehemaliger Parteigenossen preiszugeben. Als er sich weigerte, wurde er zu einer Haftstrafe von elf Monaten verurteilt. Sein Ruf war ruiniert, sein Name landete auf Hollywoods Schwarzer Liste und seine berufliche Laufbahn stand vor dem Aus. Ähnlich erging es hunderten weiteren Filmschaffenden, die von den großen Studios vor allem aus Sorge um finanzielle Einbußen boykottiert wurden. Viele von ihnen wanderten aus, wie Orson Welles oder Charlie Chaplin, manche, wie Philip Loeb, begingen Selbstmord. Andere, etwa Edward G. Robinson und Elia Kazan, denunzierten unter dem Druck des Komitees ihre Kollegen, um unbehelligt weiterarbeiten zu können.

Dalton Trumbo kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Stellung zu, da ihn der Studioboykott keineswegs von der Arbeit abhielt. Stattdessen schrieb er unter diversen Pseudonymen mehr Drehbücher als je zuvor. 1956 gewann er unter falschem Namen den Oscar für Roter Staub, den ein gewisser Robert Rich als Strohmann für ihn entgegennahm, ironisch, wenn man bedenkt, dass Trumbo, der zuvor im größten Luxus geschwelgt hatte, nun als gebrandmarkter "Roter" um seine Existenz bangen musste, während andere an seiner statt die Lorbeeren einheimsten. Erst durch die Intervention von Kirk Douglas und Otto Preminger fanden die Repressalien ein Ende, als sie 1960 öffentlich bekanntgaben, dass Trumbo sowohl das Drehbuch für Spartacus als auch für Exodus geschrieben hatte. Beide Filme entpuppten sich als die größten kommerziellen und kritischen Erfolge des Jahres. Hollywoods Schwarze Liste war Geschichte.

Wenn sich auch das Biopic Trumbo von Jay Roach an der politischen Brisanz dieses Themas bedient, ist dies allerdings größtenteils kosmetischer Natur. Trumbo (Bryan Cranston) verbringt mehr Zeit mit dem Mixen von Martinis als mit dem Schwingen großer Reden. Dass der Film als Artikulation radikalen politischen Gedankenguts wenig taugt, erkennen wir bereits in einer frühen Szene, in der Trumbo seiner kleinen Tochter das Konzept des Kommunismus anhand eines mehr als bedenklichen Vergleichs näherzubringen versucht. Auf die Frage, ob sie ebenfalls Kommunistin sei, stellt er folgende Gegenfrage: Würdest du dein Sandwich mit einem Hungernden teilen und dafür als Gegenleistung Zinsen erheben? Empört verneint sie solch eine abwegige Idee. Dann, meine Liebe, sagt daraufhin Genosse Trumbo, bist du Kommunistin. Dieses wackelige politische Fundament wird zum Glück im Film selbst zu Fall gebracht, wenn Arlen Hird (Louis C.K.) seinem Freund Trumbo vorwirft, ein Dilettant zu sein, der zwar für die Rechte der Arbeiter einstehen will, aber keineswegs dabei seine Privilegien aufs Spiel setzen möchte. Der Status quo soll erhalten bleiben, was sich schwerlich mit einer kommunistischen Weltrevolution verträgt. Tiefer steigt der Film aber nicht in die Materie ein. Insgesamt wird die politische Debatte eher als Faktionalismus dargestellt, der auf gegenseitigen Abneigungen und persönlichen Ressentiments beruht.

Alles in allem wird uns in Trumbo Systemkritik nur im Weichspülmodus geboten, der eher frivol in Hollywoods Vergangenheit rührt, als subversiv mit ihr zu brechen. Roach begnügt sich mit intellektuellen Fingerübungen und intertextuellen Verweisspielchen, bei denen Trumbo und seine Genossen als zwar wohlgesonnene, aber letztlich naive Idealisten dargestellt werden, während ihre Widersacher wie John Wayne (David James Elliott) oder die Klatschkolumnistin Hedda Hopper (Helen Mirren) als ebenso stereotype Dummschwätzer verlacht werden. In beiden Fällen macht es sich der Film mit der politischen Grenzziehung damit zu einfach.

Hail, Caesar! und der amerikanische Albtraum

Spannender wird es, wenn wir uns Hail, Caesar! anschauen, der durch seine wilden Varieté-Einlagen in struktureller Hinsicht das genaue Gegenstück zum linearen Biopic Trumbo darstellt. Im Übrigen ist dies nicht der erste Film von Joel und Ethan Coen, der sich dieser Thematik widmet. Mit Barton Fink haben sie bereits 1991 eine schwarze Komödie über das Goldene Zeitalter Hollywoods abgeliefert, die lose auf dem Leben des proletarischen Schreiberlings Clifford Odets basiert.

Hail, Caesar! dreht sich um die Entführung des Starschauspielers Baird Whitlock (George Clooney) durch eine infantile Rasselbande kommunistischer Intellektueller, die mithilfe von Marxens Kapital ihrem Arbeitgeber Capitol Pictures ein Schnippchen schlagen wollen. Letztlich versprechen sie sich von dieser Aktion ein größeres Stück vom Kuchen, da sie sich von den Studiobossen übergangen und ausgebeutet fühlen. Mit drolligem Witz werden die Pseudo-Marxisten nach und nach als narzisstische Heuchler entlarvt, etwa wenn sie in einer luxuriösen Strandvilla große Reden über den dialektischen Materialimus schwingen. Wenn dann ein gewisser Professor (Herbert?) Marcuse den entführten Whitlock von der Notwendigkeit eines revolutionären Umsturzes überzeugen will, erinnert dies nicht bloß aufgrund seines fremdländischen Akzents an Dr. Seltsam. Dass sie ausgerechnet den Hauptdarsteller eines Films entführen, der mit The Coming of the Christ denselben Untertitel trägt wie Ben Hur mit dem republikanischen Hardliner Charlton Heston in der Hauptrolle, ist natürlich auch kein Zufall. In Bezug auf Trumbo fällt auf, dass hier ein ähnlicher Monumentalfilm wie Spartacus oder Exodus gedreht wird, mit denen Dalton Trumbo 1960 aus der Versenkung auftauchen konnte.

Wie Aaron Lecklider von Slate  richtig bemerkt hat, wartet der Film neben all dieser glamourösen Nostalgie noch mit einer weiteren Thematik auf, die in den USA analog zum Kommunismus als Bedrohung für den heimischen Frieden gesehen wurde: Homosexualität. Achtung, der folgende Abschnitt enthält Spoiler!

Insbesondere in der Figur des Schauspielers Burt Gurney (Channing Tatum) verbinden sich die amerikanischen Schreckgespenster Kommunismus und Homosexualität zu einer subtilen Kritik, die die Absurdität dieser Ängste aufzeigt. So wird Gurney mit einer an Urlaub in Hollywood mit Gene Kelly erinnernden Tanzeinlage vorgestellt, bei der er als lüsterner Seemann auf Landgang mit No Dames! die bevorstehende Herrenrunde auf See besingt. Natürlich entpuppt sich am Ende eben dieser latente Homosexuelle als Anführer der kommunistischen Entführerbande, der insgeheim zudem ein Spion des Kremls ist. In triumphierender Pose am Bug des Ruderboots, das ihn zu den Klängen der Roten Armee an Bord eines russischen U-Boots geleitet, kollidiert letztlich die sowjetische Propaganda eines maskulin überhöhten Proletariats mit dem Körperkult von Hollywood. Doch ist die Nähe von Homosexualität und unpatriotischen Anschuldigungen keineswegs eine Fiktion der Coen-Brüder. Während des Kalten Kriegs kam es zu einer Verfolgungswelle homosexueller Staatsbeamter, die viele den Job kostete. Hail, Caesar! findet großen Gefallen daran, diese Ängste zu verspotten, indem genau dieser Mythos einer kommunistischen Unterwanderung Hollywoods durch die Agenten des Kremls bestätigt wird. Auf diese Weise vermittelt er uns ein Portrait vom Hollywood des Kalten Krieges, das den offiziellen Gedächtnisschwund hinsichtlich der eigenen Vergangenheit durchbricht. Nicht jede Zeit ist eben golden, selbst, wenn sie glänzt.

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