Diese Heldin lehrt Männern das Fürchten! Sie trägt eine Skimaske und entwickelt gegenüber Männern, die Frauen vergewaltigt haben, extreme Kräfte. Statt bedeutungslosem Bang Boom Bang geht die RTL+-Serie Angemessen Angry an die Substanz, weshalb jeder Folge eine Triggerwarnung vorangestellt ist.
In Angemessen Angry ist eine Vergewaltigte kein Opfer, sondern eine Superheldin
Amelie (Marie Bloching) arbeitet in Angemessen Angry als Zimmermädchen in einem Hotel. Schauspiel-Chamäleon Bernhard Schütz mimt den Frauenversteher-Chef, der gerne Übergriffigkeiten als Nettigkeit deklariert. Tun Gäste selbiges, vertuscht er sie.
Für Amelie ist ihr Job pure Routine. Dass so mancher Gast die hübsche Zimmermädchen-Aufmachung in viel zu kurzem Kleidchen sexuell anregend findet (ein Gast sitzt nackt auf einem Sessel), nimmt sie recht amüsiert zur Kenntnis. Sie ist bestens mit ihrem schwulen Kollegen Tristan (Bless Amada) und Johanna (Shakiba Eftekhari-Fard) befreundet, die als Call-Girl im Hotel ein- und ausgeht. Sie reden über Dating, die ewige Wohnungssuche in Berlin und den Job.
Weibliche Hysterie wird in der RTL+ Serie zur Waffe
Die Kamera ist mal wieder kaputt, als Amelie mit dem Aufzug in den Personalbereich fährt. Ein Gast folgt ihr, missversteht ihr professionelles Hotel-Lächeln. Laut und deutlich sagt Amelie zuvor mehrmals "nein", was den Gast (Laurence Rupp), wenig überzeugt. Elsa van Damke entscheidet sich dagegen, die Vergewaltigung zu zeigen. Stattdessen springt die Mikrowelle an, das Geschirr fällt aus dem Schrank und Amelie liegt im Anschluss in einem Scherbenhaufen.
Durch den Vorfall entwickelt sie eine Superkraft: Sie erkennt durch Berührung Männer, die Frauen gegenüber übergriffig und gewalttätig waren, kann durch ihre Wut Dinge bewegen oder zerspringen lassen. Fortan besucht sie – wenn auch widerwillig – eine Selbsthilfegruppe von Opfern und greift gemeinsam mit Tristans und Johannas Hilfe als Superheldin "Hysteria" zur Selbstjustiz. Sie stellt Männer mit immer drastischeren Mitteln zur Rechenschaft und lässt sie als Rächerin körperlich leiden. Das zeigt die Serie deutlich. Dabei geht Amelie die typischen Stadien einer Superheldin durch: von der Findung ihrer Mission, der Namensgebung bis hin zum großen Showdown, als sie ihrem Trauma begegnet.
Durchgeknallte Superheldin als Verkaufsargument
Angemessen Angry wird als Dramedy deklariert, die Comedy-Elemente liegen in rabenschwarzen Situationen. Als Amelie Tristan von der Vergewaltigung erzählt, bricht nicht sie, sondern er in Tränen aus. Natürlich stellen sich die Polizisten dumm und unsensibel an, wenn sich die Heldin endlich entscheidet, eine Anzeige gegen unbekannt aufzunehmen. Amelies härteste Bestrafung wird plötzlich zum Triumph der übleren Sorte. Aber ist das wirklich lustig?
Darum geht es nicht. Regisseurin Elsa van Damke, die das Drehbuch gemeinsam mit Jana Forkel geschrieben hat, legt den Fokus auf harte Wahrheiten. Die durchgeknallte Story einer Superheldin oder besser: Die Story einer durchgeknallten Superheldin soll das Vergewaltigungs-Thema einfach besser verkaufen. Alles auf Low-Budget-Basis. Ein paar Mülltonnen fallen um oder ein Paket mit Champagnerflaschen explodiert und der eine oder andere Mann wird nicht mehr aus seinem Hotelbett aufstehen können, weil Amelie ihn erst mit ihren Kräften daran hindert und dann fesselt. Aber das war's dann auch schon mit den Superheldenkräften. Um die große Show geht es den Autorinnen der Serie auch nicht.
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Frustrierende Fakten in Angemessen Angry
Für van Damke sei das Superhelden-Genre das gar nicht so weit hergeholt, denn schließlich müsse jede Frau ständig Männer auf ihre Vertrauenswürdigkeit hin scannen. Noch trauriger sind die Fakten, die van Damke in die Serie einstreut. In der ersten Folge weigert sich Amelie, zur Polizei zu gehen. Tristan fragt sie, warum. Der Bildschirm füllt sich langsam mit echten Zeitungszeilen – vom gescheiterten Rammsteinprozess, einem Regiepreis für Roman Polanski, bis hin zu Gina-Lisa Lohfinks Anklage gegen zwei Männer, die ihr K.-o.-Tropfen für Sex verabreicht haben sollen. Lohfink landete wegen Falschbeschuldigung selbst vor Gericht.
Später stehen von Amelie entlarvte Männer vor Gericht. Van Damke zeigt den Prozess nicht, sondern switcht das Setting. Plötzlich befinden wir uns mitten in der Quizsendung "Wer wird freigesprochen?" Derjenige, der richtig antwortet, ist frei von jeglicher Schuld und schon streut van Damke neue, frustrierende Zahlen ein. Nur klägliche acht Prozent der gemeldeten Vergewaltigungen führen zur Verurteilung, so die Serie. (Wahrscheinlich ist Deutschland gemeint.). Eine frustrierende Bilanz, die Wut gegen solche Ungerechtigkeiten hervorruft. Aber wie ist man eigentlich Angemessen Angry? Obwohl die Serie poppig daherkommt, spürt man den ernsten Hintergrund. Natürlich ist vieles durch rabenschwarzen Humor überzeichnet, aber weh tut es trotzdem.
Angemessen Angry besteht aus fünf Episoden und streamt ab dem 25. November bei RTL+.