Niemand war skeptischer als Autorin Anne Rice, als Blockbuster-Boy Tom Cruise Anfang der 90er Jahre für die Adaption ihres bahnbrechenden Romans Interview mit einem Vampir auserkoren wurde. Ausgerechnet der Schönling aus Lockere Geschäfte und Top Gun sollte ihren Lieblingsblutsauger Lestat de Lioncourt spielen – die charmante Antiheldenfigur, die ab dem 2. Buch ihrer Chronik der Vampire zum Hauptcharakter avanciert. Ein Alptraum für die Göttin der Goth-Literatur.
Warner Bros. setzte seinen Willen durch mit der Besetzung von Cruise, der mit seiner ungeheuren Performance am Ende aber nicht nur Fans, sondern vor allem auch die kritische Vorlagenautorin um den Finger wickelte. Das ist jetzt genau 30 Jahre her und Teil der Entstehungsgeschichte des vielleicht besten Vampirfilms aller Zeiten, der am 11. November 1994 herauskam.
Der romantische Horrorfilm nahm die Perspektive allzu menschlicher Monster ein, die nebenbei so attraktiv waren, dass sie sexy Vampiren aus Buffy, Twilight und Co. den Weg ebneten.
30 Jahre Interview mit einem Vampir mit Tom Cruise: Eine Blutsymphonie in Moll mit Rüschen
Filmemacher Neil Jordan adaptierte das melancholische Horror-Märchen mit einem Drehbuch von Anne Rice und einem Cast, der sich sehen lassen konnte: Brad Pitt schlüpfte in die Rolle des von Schuldgefühlen zerfressenen Vampirs Louis, der sich mit dem Trinken menschlichen Blutes zunächst nicht anfreunden kann. Tom Cruise konvertiert ihn als Lestat in die Unsterblichkeit und wird zu seinem unsterblichen Gefährten.
Der Film arbeitet wie der erste Roman mit jeder Menge homoerotischem Subtext – erst die späteren Bücher werden expliziter in ihrer Queerness. Trotzdem eher ungewohntes Terrain für Herrn Cruise, der sich gerüchteweise nur dagegen sträubte, mit Pitt in einem Sarg zu schlummern.
Christian Slater interviewt Louis in der Gegenwart als junger Reporter und hört sich dessen lange Lebensgeschichte an. Wie der Plantagenbetreiber nach dem Tod seiner Familie im 18. Jahrhundert von Lestat ins Vampirtum verführt wurde, wie die ersten Jahre voller "Eheprobleme" und philosophischer Differenzen vonstattengingen. Und schließlich, wie beiden Monstermänner ein Vampirtöchterchen mit Claudia (Kirsten Dunst) erschaffen. Das ewige Kleinkind mit einem unbändigen Blutdurst und einer Lust am Töten, die der ihres blonden Schöpfers gleicht.
Dass Lestat ein arrogantes Scheusal und eine aufbrausende Blutsauger-Bitch ist, attestiert in der zweiten Hälfte des Films auch der von Antonio Banderas gespielte Armand vom Vampirtheater in Paris. Doch seine Toxizität gleicht er durch ungeheuren Charme aus, so dass man Lestat fast nichts übel nehmen kann, wenn am Ende passenderweise Sympathy for the Devil zu den Credits spielt.
Kein Wunder, dass jemand wie Tom Cruise, der trotz aller Horror-News über ihn und seine unheimliche Sci-Fi-Sekte eine florierende Schauspielkarriere hat, in der Rolle brillierte.
Teuflisch charmant: Tom Cruise verführt alle als untoter Lebemann
Anne Rice hatte sich laut Los Angeles Times eigentlich jemanden wie Daniel Day-Lewis, Jeremy Irons oder Peter Weller in der Lestat-Rolle vorgestellt und war vor Sichtung der Adaption untröstlich, was das Cruise-Casting angeht. Hinterher kam sie aus den Lobgesängen für den Darsteller gar nicht mehr heraus, wie sie unter anderem im Interview mit Larry King zu verstehen gab. Sie ging sogar so weit, eine ganze Zeitungsseite zu reservieren, nur um Cruise im großen Stil für seine schauspielerische Leistung zu feiern.
Das hatte sich Cruise auch regelrecht verdient, denn die Dreharbeiten zu Interview mit einem Vampir sollen alles andere als ein blutiges Zuckerschlecken gewesen sein. Cruise, Pitt und Banderas mussten vor jedem Dreh kopfüber von der Decke hängen, um ihre Adern sichtbarer zu machen und litten zudem unter der permanent nächtlichen Arbeit. So sehr, dass Cruise seinen Agenten bat, ihn aus der vertraglichen Verpflichtung des Projekts zu befreien. Zum Glück ohne Erfolg.
Ob das auch der Grund ist, warum sich Cruise nie wieder an eine ähnliche Rolle traute, bleibt jedoch fraglich. Ab Mitte der 90er Jahre war er fast nur noch als Action-Held wie in Mission: Impossible oder zumindest typisch-cooler Playboy wie in Vanilla Sky oder Magnolia zu sehen. Umso mehr müssen wir das eine Mal wertschätzen, als er eine erfrischend campe Performance als Vampir-Lebenspartner von Brad Pitt hingelegt hat.
Wo kann man Interview mit einem Vampir ansehen?
Die Interview mit einem Vampir-Filmadaption ist als Leih- und Kauftitel bei Amazon, Apple TV, Sky und Co. streambar. Sie liegt auch bei MagentaTV vor, das obendrein die Heimat der aktuellen Serienadaption Interview with the Vampire ist. In zwei Staffeln wurde darin bereits die Story des ersten Buches abgedeckt, die auch in etwa den Film ausmacht – nur mit einem Interview in der Gegenwart und einigen adaptiven Änderungen.
Mit das Beste an der Serienversion ist der australische Schauspieler Sam Reid, der aus der Lestat-Rolle sogar noch viel mehr rausholt als Tom Cruise damals. Eine 3. Staffel, die den Folgeroman Der Fürst der Finsternis umsetzt, ist bereits in Arbeit.