Lieber Bully a. k. a. Michael Herbig
Ich darf doch Bully sagen? Ich war mal ein Fan von dir. Die Bullyparade war damals einfach verdammt cool. Die Unverfrorenheit mit der du und deine Kollegen Rick Kavanian und Christian Tramitz da völligen Nonsens auf den Bildschirm brachtet, wie ihr einfach nur das machtet, was ihr selbst lustig fandet, war beeindruckend. Und dass oft genug auch echte Rohrkreppierer darunter waren – ach, wer würde da meckern wollen angesichts beispielsweise der immer wieder grandiosen Partnerbörse:
Und diesen kleinen Song von Winnetou und Old Shatterhand (die damals noch nicht Abahachi und Ranger hießen) kann ich noch heute auswendig:
In der traditionell eher peinlichen deutschen Comedylandschaft wirkte das wie eine Offenbarung.
Und weißt du was? Ich mochte dein Kinoregiedebut Erkan und Stefan wirklich (mir wurde hier in der Redaktion wiederholt körperliche Gewalt angedroht, als ich das zugab), obwohl ich die beiden Prollkasper ansonsten zum Weglaufen finde. Ich war echt angefixt, als Der Schuh des Manitu rauskam.
Der Film sah dann auch spitze aus. Allein schon für diese Bilder, die im Gegensatz zur piefigen deutschen Konkurrenz in jeder Einstellung den Geist großer Leinwandepen atmeten gebührt dir Anerkennung. Aber schon hier knarzte und quietschte die Dramaturgie mitunter ganz schön unter der Last all der originellen Ideen, die unbedingt in dem Film untergebracht werden mussten. Viel zu viele Szenen wirkten wie aufgeblasene Sketche aus der Bullyparade – und nicht immer die Besten. Wenn sich z. B. Abahachi wundert, dass die Schoschonen den Klappstuhl ausgegraben haben, vertraust du dann wirklich deinem eigenen Spiel so wenig, dass du glaubst, die Sache würde lustiger, wenn du sie mit der Ansicht eines gigantischen Klappstuhls aus Rauch in die Länge ziehst? Der Hype und alle Zuschauerrekorde seien dir gegönnt, auch dass du ein Jahr später mit der XXL-Fassung noch mal so richtig absahnen durftest. Aber unter uns: so rein vom qualitativen Standpunkt aus gesehen wäre eine XXS-Version mit klarer Handlung und präzisem Timing wünschenswerter gewesen.
Mit Traumschiff Surprise – Periode 1 hast du dich weiterentwickelt – leider nur im visuellen Sinne (Alter, was waren die Effekte für eine Augenweide). Aber bei diesem wahllosen Hin und Her zwischen Weltraum, Mittelalter und nochmal wildem Westen blieb alles erzählerische Potenzial endgültig auf der Strecke. Das wäre ja zu verkraften gewesen, wenn der Film durchgehend Witz und Tempo gehabt hätte. Aber die (zweifelsohne vorhandenen) humoristischen Volltreffer waren noch rarer gesät als beim Vorgänger.
Und warum war eigentlich Lissi und der wilde Kaiser so billig animiert? Du hattest gerade zwei Jahrhunderthits gelandet, warst Michael Bully Fucking Herbig, einer der heißesten deutschen Regisseure überhaupt – hättest du es dir nicht leisten können einfach zu sagen: “Das muss noch besser aussehen und wenn ihr das nicht hinkriegt seid ihr alle gefeuert”? Und warum traust du dich so selten richtig böse zu sein? Wo die amerikanischen Kollegen von Dreamworks und mitunter sogar Pixar in ihren Filmen derbe – quasi “erwachsene” – Gags unterbringen, erstickte die kleine Lissi auf lange Sicht an ihrer eigenen Putzigkeit.
Und wenn ich meinem Kollegen Batzman Glauben schenke, der Wickie und die starken Männer schon gesehen hat, ist auch dein neuer Film einfach viel zu nett und harmlos. Hast du dich als Kind nicht gern gegruselt? Warum nimmst du kleine Menschen nicht ernst genug, sie auch mal richtig zu erschrecken, damit sie sich auch richtig freuen können, wenn am Ende alles gut geht.
Und im Fernsehen? Da machst du mit deinem Kumpel Rick Kavanian die Reihe Bully und Rick. Eine Folge sieht fetter aus als die andere. Alles großartig gedreht, das sieht nicht aus wie Sketchcomedy, das sind kleine Filme, die ihr da aneinander reiht; und was Comedyschauspiel, also Chargieren auf hohem Niveau angeht, macht dir und Rick in Deutschland niemand was vor.
Aber sag mal, Bully, kennst du eigentlich Monty Python? – Die Frage ist selbstverständlich rhetorischer Natur. Die haben 1969, als du ein Jahr alt warst und ich noch nicht mal geplant, mit ihrem Flying Circus die Sketch Comedy im Fernsehen revolutioniert und Standards gesetzt, die bis heute gelten. Du kennst sicher auch ihre allerwichtigste Erfindung: Den Satz “And now for something completely different.” (Und nun zu etwas völlig anderem). Diese kurze Phrase, die im Zweifelsfall jeden noch so abstrusen Szenenwechsel legitimierte, befreite die Sketche der Pythons vom Diktat der Pointe. Es ging nicht länger um den einen großen Schenkelklopfer am Ende einer Szene, sondern um viele kleine komische Momente in Reihe, um die absurde Grundidee einer Szene, die konsequent zu Ende gedacht wurde.
Das haben die meisten deutschen Comedyautoren bis heute nicht kapiert. Hier werden immer noch vorhersehbare Pointen minutenlang vorbereitet oder schöne Grundideen leichtfertig für eine drangeklatschte Punch Line verschenkt, und leider macht ihr da keine Ausnahme. Warum nur? Euer Format, in dem jede Folge eine durchgehende Rahmenhandlung hat, hätte das doch nicht mal ansatzweise nötig.
Und warum entblödest du dich nicht, zu allem Überfluss einen peinlichen Rechtsstreit um die Verwendung “deines” Künstlernamens zu führen? Sowas hätte ich von Pupsnasen und Charakteramöben wie Michael Bay oder Kurt Beck erwartet, aber nicht von dir.
Bully? Denkst du da mal drüber nach? Bitte? Ganz im Ernst: Wir brauchen dich. Wer soll es denn sonst richten? Es gibt nicht viele Filmemacher, die größenwahnsinnig und kreativ genug sind Projekte wie deine zu stemmen, und nicht genau so wenig Autoren, denen so herrlich absurde Konstellationen einfallen wie Rick Kavanian und dir. Von all den Sechserpacks, Dreisten Dreis und Konsorten erwarte ich nichts anderes als typisch deutschen unlustigen Müll. Aber du und deine Kumpels, ihr habt bewiesen, dass ihr das besser könnt. Macht es endlich!
Hochachtungsvoll
Cabuflé