Einem armen Hotelangestellten warf der Oscar-Preisträger Russell Crowe das sagenumwobene Telefon ans Gesicht. Das war 2005. Der Australier war dreimal für den Academy Award nominiert, hatte einmal gewonnen und stand ganz oben auf meiner Liste der Hassschauspieler. Der Telefonangriff und andere Torheiten außerhalb seiner Filmsets gaben zwar genügend Anlass, Russell Crowe auf die Ignore-Liste zu setzen, aber seine Arbeit als Schauspieler hatte eher etwas damit zu tun. Russell Crowe ging mir schlicht auf die Nerven.
Ernst sein ist alles
Russell Crowe ist ein ernster Schauspieler. Das machte er spätestens nach Gladiator jedem klar, der es nicht hören wollte. Der ernste Schauspieler spielte immerhin in The Insider mit und wurde für den Oscar nominiert. Der ernste Schauspieler schaffte das ein Jahr später nochmal mit Gladiator und setzte sich weit weniger verdient gegen Ed Harris und Geoffrey Rush durch. Aber dafür konnte der ernste Schauspieler ja nichts. Im dritten Anlauf versuchte er es mit der Oscarmassenware A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn und verfehlte knapp das Ziel. Auch der ziemlich offensichtliche Versuch, sich in einer zweiten Regiearbeit von Ron Howard in einer verdammt ernsten Rolle der Academy anzubiedern, gelang nicht. Ganz im Gegenteil: Das Comeback – Für eine zweite Chance ist es nie zu spät floppte 2005 formidabel.
Dabei fing alles so verheißungsvoll an. Russell Crowe war in den 90ern ein dauerhafter Geheimtipp, der nie so Recht in den USA durchstarten konnte. Spätestens in L.A. Confidential eroberte er mein Herz als brutaler Cop Bud White, der unter seiner harten Schale einen überraschend weichen Kern verbarg. In einem Film, der einen großartigen Cast für sich beanspruchte (Kevin Spacey, Guy Pearce, James Cromwell), gelang es dem Australier problemlos herauszustechen. Dann kam The Insider, ein Meisterwerk von Michael Mann, das leider niemand sehen wollte. Aufgedunsen und kaum wieder zu erkennen, spielte er seinen Jeffrey Wiegand ohne Eitelkeiten, aber eindrücklich und subtil. Ein Oscar hätte die logische Folge sein sollen, doch der Film war kein Erfolg und Russell Crowe noch immer kein großer Star.
Als er in den Folgejahren anfing, ohne jede Selbstironie auf den Oscar und möglichst prestigeträchtige, wahnsinnig anspruchsvolle Hauptrollen zu schielen, begann er, mir maßlos auf den Wecker zu gehen. Vielleicht trügt der Eindruck, vielleicht war der in Neuseeland geborene Australier auch vorher schon von Ehrgeiz durchsetzt und nahm sich viel zu ernst. Vielleicht wirkte das Rampenlicht der 2000er als eine Art Lupe, durch die das ihm eigene Nervpotenzial drastisch vergößert wurde. Wer weiß. Ich konnte ihn jedenfalls nicht mehr leiden.
Wie ein Urlaubsvideo meinen Glauben wiederherstellte
Dass ich Russell Crowe heute nicht mehr hasse, liegt in erster Linie am Wandel seiner Rollenwahl. Den ersten Schritt stellte ein Film dar, der unverdienterweise von den Kritikern zerrissen wurde. Es war die romantische Komödie Ein gutes Jahr, die so wunderbar entspannt wirkt, als hätte das Drehteam beim Frankreichurlaub einfach die Kamera laufen lassen. Vielleicht haben sie das tatsächlich gemacht. Ohne Ambitionen ist das feel good movie und damit unterscheidet es sich fundamental von allem, was Russell Crowe im Jahrzehnt davor angestellt hat. Ein leichtgewichtiger Film, der schnell genossen und wieder vergessen werden soll, nicht mehr, nicht weniger.
Doch Ein gutes Jahr sollte glücklicherweise kein Einzelfall sein. Das Schauspiel des Russell Crowe war plötzlich schwerelos geworden, so leichtfüßig bewegte er sich durch Filme wie Todeszug nach Yuma und Der Mann, der niemals lebte. Erst bei näherem Hinsehen wird deutlich, wie verspannt seine Leinwandpartner Leonardo DiCaprio und Christian Bale demgegenüber wirken, während der Oscar-Preisträger seine Rollen im zurückgelehnten Modus aus dem Handgelenk schüttelt.
Sicher, Oscar-Material gab es weder in diesen Filmen, noch in State of Play – Der Stand der Dinge zu sehen. Dafür schenkten uns die Streifen einen Russell Crowe, dem das Spielen selbst offensichtlich Freude machte. Nach all den Jahren des ernsten Schauspielers, war das ganz einfach eine notwendige Abwechslung. Darin liegt auch das Unterhaltungspotenzial einer Gurke wie Robin Hood. Der führt zwar nirgendwo hin, kann aber zumindest mit der verspielten Chemie zwischen Russell Crowe und seiner Landsfrau Cate Blanchett aufwarten.
Russell Crowe soll in Zukunft beileibe nicht alle Ansprüche zurückfahren. Darum geht es hier nicht. Vielmehr ist dies ein Plädoyer für einen Schauspieler, der zwar nicht mehr um Aufmerskamkeit schreit, diese aber immer noch vedient. Denn Russell Crowe beim Spielen zuzuschauen, macht im besten Fall vor allem eines: Spaß.
72 Stunden – The Next Three Days, der neue Film mit Russell Crowe, startet bei uns am 20.01. Viel interessanter ist aber: Was haltet ihr von Russell Crowe?