Wer die beste Serie der letzten 10 Jahre mit dem Game of Thrones-Desaster vergleicht, hat Succession nie verstanden

03.06.2023 - 10:00 Uhr
SuccessionHBO
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Ja, Succession und Game of Thrones haben einiges gemeinsam. Die Finalfolgen der Serien zu vergleichen, ist trotzdem eine absolute Frechheit. Und zeigt, wie viele nicht begriffen haben, worum es dem genialen Drama eigentlich geht.

Succession ist zu Ende. Nach 4 Staffeln und 39 Episoden endet die beste, klügste, herzzerreißendste und witzigste Serie, die ich jemals gesehen habe. Das ehemals so riesige Familienimperium von Medienmogul Logan Roy hat einen neuen Inhaber und einen neuen CEO. Wer am Ende die Zügel bei Waystar Royco in der Hand hält, scheint allerdings viele überrascht zu haben.

Seit Beginn wurde die mehrfach ausgezeichnete Serie von Showrunner Jesse Armstrong mit Game of Thrones verglichen – auch von uns bei Moviepilot. In beiden Serien geht es um toxische Familiendynamiken, Machtkämpfe und eben auch darum, wer am Schluss über alles herrscht. Die überraschende Wendung im Succession-Finale? Für viele ähnlich ärgerlich wie das Ende der achten und letzten Staffel von GOT, über das Fans immer noch nicht hinweg sind.

Wer das Succession-Finale nur aus dem Grund nicht mag, weil es angeblich den gleichen desaströsen Fehler macht wie Game of Thrones, liegt aber falsch – und hat nie verstanden, was der wirkliche Kern der Serie ist.

Achtung, es folgen Spoiler für die Enden von Game of Thrones und Succession.

Succession und Game of Thrones haben viele Gemeinsamkeiten, doch nur eine Serie endet enttäuschend

Wir erinnern uns: In der letzten Folge von Game of Thrones wird Bran Stark (Isaac Hempstead-Wright) zum König von Westeros gekrönt, weil er laut Tyrion Lannister (Peter Dinklage) die beste Geschichte aller Figuren hat und deswegen am geeignetsten ist. Das ist zum einen eine ziemlich offensichtliche Lüge. Zum anderen sollte Tyrions Meinung kein Gewicht haben, schließlich ist er zum Zeitpunkt seiner großen Rede ein Gefangener und nicht das offizielle Wahlkommittee der sieben Königslande. Selbst eingefleischte Fans der Fantasy-Serie zeigten sich von dieser Auflösung enttäuscht und das zu Recht.

Auch Succession endet mit einer Art Krönung: Tom Wambsgans (Matthew Macfadyen) wird nach der Firmenübernahme durch GoJo zum neuen CEO von Waystar Royco. Tom, der immer etwas trottelig wirkte und lange nur deswegen überhaupt einen Posten im Familienimperium zu bekleiden schien, weil er mit der Tochter von Logan Roy (Brian Cox) verheiratet war. Ja, der Tom. Eine Überraschung oder komplett schwachsinnige Plot-Entwicklung ist das allerdings nicht.

Tom Wambsgans (rechts) in Staffel 4 von Succession

Denn Tom wird nicht urplötzlich als idealer Kandidat gehypt, der hochkompetent die richtigen Entscheidungen trifft und deswegen zurecht "siegt". Er ist ein schwitzendes, schmieriges, neurotisches Nichts, das Machtdynamiken versteht und etwas schafft, wozu die Roy-Geschwister nie fähig wären: sein eigenes Ego zu töten.

Männer wie Logan Roy und Lukas Matsson (Alexander Skarsgård), der neue Inhaber von Waystar Royco, wollen nämlich niemanden, der ihnen ebenbürtig ist, der sie herausfordert. Matsson kann nicht selbst auf dem Thron sitzen, also braucht er jemanden, der Entscheidungen von oben umsetzt und den Kopf hinhält, falls es brenzlig wird. Tom ist nicht der würdige Nachfolger von Logan Roy, nicht der geeignetste Kandidat für den eisernen Thron von Waystar Royco. Er ist eine Fleischpuppe ohne Agenda und Gewissen – und damit die perfekte Wahl für die leere, kalte Welt von Succession.

In der besten Serie des letzten Jahrzehnts ging es nie wirklich darum, wer am Schluss "gewinnt"

Sowohl in Game of Thrones als auch Succession steckt der Kampf um eine Thronfolge im Namen. Bei den Roys zeigte sich allerdings ziemlich schnell, dass es eigentlich um etwas anderes geht. Die Nachfolge war nie wirklich zum Greifen nah, sie blieb eine Behauptung. Etwas, womit Patriarch Logan Roy seine Kinder immer wieder an sich ziehen konnte, um sie dann doch von sich zu stoßen. Ein Mittel zur Manipulation.

Denn eigentlich gibt kein Familienimperium ohne Logan Roy. Das weiß Logan, der seinem Sohn Kendall direkt in der ersten Folge die abgesprochene Beförderung verwehrt. Das weiß die alte Firmengarde um Gerri, Frank und Karl, die nicht mit seinen Kindern, sondern um die pubertär wirkenden Streitereien seiner Kinder herumarbeitet. Das wissen die Banker:innen, die sehen, wie der Aktienkurs der Firma nach Logans Tod in den Keller rauscht. Und das weiß auch der neue Firmeninhaber Lukas Matsson, der deswegen keinen Platz auf dem Thron für einen Roy warmhalten muss.

Schon im Opening von Succession steckt jede Menge Familientrauma:

Succession - S01 Opening Credits (English) HD
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Dass hier weder Kendall (Jeremy Strong), noch Shiv (Sarah Snook), noch Roman (Kieran Culkin) gewinnen können, ist Mittelpunkt der Erzählung um kaputte, erwachsene Kinder, die vielleicht alles Geld der Welt haben, aber keine echten, eigenständigen Menschen sind. Der Roy-Nachwuchs braucht eben nur vier Staffeln, um das zu begreifen.

Game of Thrones endet mit einem egalen Charakter auf einem geschmolzenen Thron und verkauft die behauptete Erneuerung von Westeros als große Auflösung. Succession zeigt in aller bittersüßer Grausamkeit, was Trauma und fehlende Liebe mit Menschen macht. Welche Fehler seiner Eltern ist man verflucht zu wiederholen? Kann man der eigenen Familie, der eigenen Prägung jemals entkommen? Am Ende sind die Roys frei vom übermenschlichen Erbe ihres Vaters – ein Happy End war aber nie möglich. Und seien wir ehrlich: Wer von ihnen hätte eines verdient?

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