Die amerikanische Fernsehlandschaft blüht und besonders die Artenvielfalt der Gattung Serie macht in Sachen Vielfalt und Innovation von sich Reden. Seit geraumer Zeit schwirren daher Begriffe wie Quality TV und Cinematic Television über den Mediensumpf hinweg. Einige Jahre beobachten Serienliebhaber nun schon mit leuchtenden und immer viereckiger werdenden Augen den Vormarsch dieser Spezies. Vornehmlich amerikanische Pay-TV-Sender wie HBO, Showtime und AMC brüten aufwändig produzierte und komplex erzählte Geschichten für das Fernsehen aus und müssen sich dabei nicht den Einschränkungen und Normen des Networks unterwerfen.
Das sogenannte Quality TV, das seit Anfang der 1990er Jahre immer dichter und reicher an gefeierten Serien geworden ist, fällt durch erzählerische Komplexität, Einfallsreichtum und nicht zuletzt auch Mut der Produzenten und Regisseure auf, die die Grenzen seriellen Erzählens neu ausloten. Hochgelobte Serien-Hits wie Die Sopranos und The Wire begannen sich zusehends der Ästhetik und Qualität des Kinos anzunähern. Jüngere TV-Highlights wie Breaking Bad oder Game of Thrones knüpften an diese Tradition an und offenbarten wiederum neue Möglichkeiten der Narration und Charakterzeichnung. Haben früher noch die meisten Regisseure das Kino als erstrebenswerteste Ausdrucksform ihrer Kunst empfunden und das Fernsehen als rückständig und trivial abgestempelt, so entschieden sich in den letzten Jahren viele namhafte Regie-Größen zweigleisig zu fahren oder gar komplett die Seiten zu wechseln. Ein Trend, der zur Zeit wieder verstärkt zu beobachten ist.
Es gab immer Regisseure wie Robert Altman und Barry Levinson, die zwischen den Medien hin und her wechselten, aber die Mehrheit ihrer Zunft empfand die Arbeit für das Fernsehen als Rückschritt und wollte, einmal im Kino angekommen, nicht mehr zurückblicken. Michael Mann war einer von ihnen. Er verließ das Fernsehen, um seine Erfüllung im Spielfilm zu finden und schenkte uns Meisterwerke wie Heat, The Insider und Der letzte Mohikaner. Wahrscheinlich wäre er ewig dem Kino treu geblieben, wenn ihm nicht eines Tages ein Skript aus dem Hause HBO unter die Nase gehalten worden wäre. Luck, so der Regisseur, sei eines der besten Drehbücher, das ihm je untergekommen ist. Schneller als es Michael Mann wohl erwartet hätte, nahm er sich nach Jahren wieder einer TV-Serie an, führte Regie bei der Pilotfolge und produzierte den Rest der Staffel.
Zu dem Phänomen, dass mehr und mehr Spitzenregisseure Fernsehserien umschwirren wie Motten das Licht, sagt Michael Lombardo, Programmchef bei HBO: „Die Grenze zwischen Film- und Fernsehregisseuren verschwimmt allmählich (…). Wenn Martin Scorsese für dich einen Piloten dreht und nebenbei immer noch eine große Kino-Karriere am Laufen hält, beweist das, dass diese Arbeitsbereiche nicht mehr getrennt werden.“ Die Rede ist von dem HBO-Baby Boardwalk Empire, einer Serie im Amerika der Prohibition. Korrupte und mafiöse Strukturen unterwandern die Gesellschaft und ein Netz aus Intrigen und Machtspielchen greift von Atlantic City aus um sich. Ein Szenario ganz nach dem Gusto von Kino-Legende Martin Scorsese, der bei der Pilotfolge Regie führte und die Serie für bisher vier Staffeln als ausführender Produzent begleitete.