Wie ein wilder Stier - Ein Film ohne Zugeständnis

15.11.2010 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Robert De Niro als Jake La Motta
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Robert De Niro als Jake La Motta
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Wie ein wilder Stier wütet nun schon seit dreizig Jahren gleichermaßen durch die All-Time Best-of Listen von Filmemachern und Filmkritikern. Von vielen wird der Film als DAS Meisterwerk von Martin Scorsese gefeiert. Moviepilot geht dem noch einmal nach.

Fucking Scorsese!
Folgende Anekdote erzählte Quentin Tarantino bei einer Diskussionsrunde zu Inglourious Basterds: Als Brian De Palma im Jahre 1980 gerade Blow out – Der Tod löscht alle Spuren fertig geschnitten hatte, fest davon überzeugt, sein Meisterwerk abgeliefert zu haben (Tarantino stimmt zu), ging er mit der Absicht ins Kino, sich das neue Werk seines Freundes Martin Scorsese anzusehen. Da sitzt der stolze De Palma nun also im Kinosessel und sieht die ersten Bilder von Wie ein wilder Stier über die Leinwand flackern: Robert De Niro, wie er im Ring auf und ab wippt, in diesem wundervollen Schwarzweiss, der Musik des italienischen Komponisten Pietro Mascagni, Zeitlupe, perfekt. Brian de Palmas frustrierte Reaktion: “Fucking Scorsese!”. Man kann machen, was man will, am Ende ist da immer noch Scorsese. "There is always Scorsese“.

Ein wilder Stier in der Galerie
Wie ein wilder Stier ist ein absolut kompromisslsoer Film. Robert De Niro spielt den Mittelgewichtsboxer Jake La Motta, dessen konfrontativer, extrem aggressiver Boxstil sich leider nicht nur auf den Ring beschränkte. Martin Scorseses Film besteht zu einem großen Teil aus Szenen voll angestauter Wut – und Szenen, in denen die Wut abgelassen wird. Der Zuschauer wird Zeuge, wie eine Person sein Leben komplett gegen die Wand fährt. Die Boxszenen nehmen lediglich zehn Minuten Spielzeit von Wie ein wilder Stier ein. Sie zählen zu den harmonischeren Momenten des Filmes. Es handelt sich hier um so etwas, wie den feuchten Traum eines jeden Regisseurs: Einen Film (fast) ohne jedes Zugeständnis (eine Szene, in der Jake La Motta in einer Gefängnisszelle onaniert, wurde gestrichen), den die meisten nicht sehr oft in ihrer Karriere machen können. Einen Film für die Galerie.

Der Traum eines jeden Produzenten
Wie ein wilder Stier bietet einen unsympathischen, pathologisch eifersüchtigen Protagonisten, der seine Frau und seinen Bruder verprügelt, Ehekrise über Ehekrise, unterdrückte Sexualität, kein Happy End und das alles in schwarzweiss: die Produzenten müssen das Drehbuch geliebt haben. Wir können die Bedenken denn auch ein bisschen nachvollziehen. Der Film ist kein Zuckerschlecken. Aber das involvierte Talent ist atemberaubend.

Ein Kübel Qualität
Über Robert de Niros selbstzerstörerische Schauspieleskapade wurde ja nun schon genug geschrieben. Heutzutage wünschen wir uns fast, er hätte sich nicht so für seine frühen Meisterwerke verausgabt, um noch genug Luft für mehr als ein paar nette Komödien zu haben. Aber auch Joe Pesci, der La Mottas Bruder spielt, und Cathy Moriarty als das Objekt von La Mottas Eifersucht sind fantastisch. Paul Schraders Beteiligung am Drehbuch sind unter anderem angesprochene Momente zu schulden. Wir sagen bezüglich der berühmten Szene, in der Jake einen Kübel Eiswasser in seine Boxershorts gießt, um die aufkeimende Erregung abzukühlen und seinen Kampf nicht zu gefährden, einfach: “Chapeau, Monsieur Schrader”.

Fucking Scorsese, die zweite
Michael Chapmans Kameraführung (oh, dieses Schwarzweiss), Thelma Schoonmaker makelloser Schnitt, die bizarre Geräuschkulisse bei den Kämpfen: Alles in Wie ein wilder Stier ist wohlprepariert für den wählerischen Filmgourmet. Wir stimmen also in Brian De Palmas wilde Flüche ein und hoffen, dass Martin Scorsese möglicherweise noch einen Film von der Qualität von Wie ein wilder Stier in sich hat. Er muss ja vielleicht auch nicht ganz so kompromisslos sein…

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