Wem vergangene Woche der blutige Aspekt ein wenig zu kurz gekommen ist, der dürfte bei Sakizuki vollends auf seine Kosten kommen. Diese Episode von Hannibal dürfte jedoch nicht nur den Gore-Fans unter euch die Tränen in die Augen treiben. Auch sonst leisten Bryan Fuller und sein Team wie gewohnt eine hervorragende Arbeit.
Einer der Opfer des Farbpaletten-Psychopathen hat es tatsächlich geschafft, sich aus der Gefangenschaft loszureißen und zu fliehen – was allerdings trotzdem in seinem Tod endete. Immerhin hat es seine Leiche Jack (Laurence Fishburne) und dem Team erleichtert, dem Mörder auf die Schliche zu kommen, auch wenn seine Verhaftung aufgrund des Zusammentreffens mit Hannibal (Mads Mikkelsen) leider nicht mehr möglich war. Wie erwartet hat Jack herausbekommen, dass Beverly (Hettienne Park) sich heimlich mit Will (Hugh Dancy) trifft, damit er bei der Wahrheitsfindung helfen kann. So richtig böse sein kann er ihr aber natürlich nicht und gibt ihr indirekt die Erlaubnis, wenn nicht gar den Befehl, weiterhin mit Will zusammenzuarbeiten. Für diesen scheint sich die Lage zumindest langsam zu bessern. Er wirkt klarer als je zuvor und ist entschlossen, seine Unschuld zu beweisen. Schritt für Schritt bekommt er es hin, dass das FBI ihm wenigstens eine zweite Chance gibt und Hannibals Ex-Therapeutin Dr. Bedelia Du Maurier (Gillian Anderson) hat er gar schon komplett überzeugen können. Schade nur, dass sie ihm in Zukunft wahrscheinlich keine allzu große Hilfe sein wird.
Ich werde nicht lügen. Mein Zustand während der Selbstbefreiungsaktion gleich zu Beginn war alles andere als stabil. Mir fällt kein anderes Beispiel aus der TV-Landschaft ein, in dem das pure Grauen so kalt, so kompromisslos und vor allem so explizit scheußlich auf Film gebannt wurde, wie in dieser grandiosen Horror-Sequenz. Die unvorstellbaren Schmerzen, die durch diese Bilder übertragen werden, erreichen eine Intensität, von der die gesamte Saw -Reihe nur träumen kann. Und trotzdem wird der Flüchtling für seine Leistung nicht mit dem Leben belohnt, sondern stirbt – herrlich trocken inszeniert – beim Versuch, sich im Wasser zu retten, durch einen Aufprall auf dem Fels. Visuell ist das ganze wie gewohnt zum Anbeißen; vor allem die sichtlich von Choreographie-Legende Busby Berkeley inspirierten High Angle-Einstellungen der zusammengeklebten Leichen sind ein wahrer Augenschmaus. Nach Bryan Fullers Angaben ist diese ganze Leichen-miteinander-verbinden-Sache auch noch eine vollkommen bewusst platzierte, kleine Jeepers Creepers -Referenz.
Überhaupt gefällt mir die Einbindung der nebenher laufenden Psychopathen-Fahndung deutlich besser als noch in der ersten Staffel. Dort wirkte das killer-of-the-week Prinzip teilweise noch gezwungen und fehl am Platz, gar nicht wirklich zur eigentlichen Story beitragend. Hier verhält es sich jedoch anders, allein schon durch die Entscheidung, den Fall auf zwei Episoden zu strecken. So kann das Augenmerk problemlos auf Will und Hannibal gelegt werden, ohne den Eindruck zu erwecken, dass die Morde nur geschehen, um künstlich Spannung zu erzeugen. Wenn der Farbpaletten-Mörder jedoch mal Thema ist, dann ist er stets in den Hauptplot eingebettet: Er offenbart uns, wie die einzelnen Charaktere noch zu Will stehen, ob sie bereit sind, ihm zu glauben, Hannibals Position als “der neue Will”, usw. Ganz zu Schweigen von der Leichen-Konstellation als riesiges Auge, das in den Himmel und damit Gott anstarrt, welcher jedoch scheinbar durch Hannibal Lecter, dem Satan persönlich, ersetzt wurde. Interessanterweise ist dementsprechend der psychopathische Schöpfer dieses Riesenauges quasi gar nicht charakterisiert. Anders als bei den meisten Killern in der ersten Staffel erfahren wir weder etwas über seine Motive, noch über seine Vergangenheit. Das kann in einigen Fällen schädlich für das Sehvergnügen sein, in diesem hier ist es aber eine vollkommen richtige Entscheidung. Bryan Fuller hat nach der ersten Staffel allein durch die Konflikte seiner Hauptcharaktere solch eine Fülle an Material, dass er ruhigen Gewissens solch sekundäre Informationen über Bord werfen und Subplots allein darauf ausrichten kann, dass sie zum großen Bild der gesamten Staffel beitragen und sich nicht wie Lückenfüller anfühlen.