Wir schauen Homeland - Staffel 3, Folge 12

17.12.2013 - 10:35 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Homeland
Showtime
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Homeland vollzieht im Finale der dritten Staffel eine Trennung, die viele seit langem forderten. In diesem vorgeblich radikalen Schritt offenbart sich jedoch nur das vergebene Potenzial einer Serie, die einst HBO Konkurrenz machen wollte und nun auf Showtime-Standards zurückfällt.

Gleich nach dem Finale der dritten Staffel von Homeland wurden Interviews veröffentlicht, in denen Showrunner und Autor Alex Gansa das Wort “Reboot” in den Mund nimmt, um die Entwicklungen zu beschreiben, die sich The Star anschließen werden. Erleichterung und ein gewisser Stolz kann da oft hineingelesen werden und warum auch nicht? Homeland hat sich vom Kritiker- zum Publikumsdarling entwickelt, die Quoten in der dritten Staffel kontinuierlich gesteigert und im Finale zu ihrem bisherigen Höhepunkt gebracht. Der Backlash auf Seiten der Recapper ist zwar seit eineinhalb Staffeln im Gang, aber solange Showtime seine Abonnenten nicht verscheucht, kann das den Verantwortlichen herzlich egal sein. Die Emmys und Golden Globes kann ihnen niemand mehr nehmen. Erleichterung und Stolz sind denn auch The Star anzumerken und das im schlechtesten Sinne. Homeland geht den für Serien so gefürchteten Schritt und entledigt sich einer Hauptfigur, doch was bleibt von dieser Staffel, ist nicht Nicholas Brodys verspätetete Erlösung, sondern die Dexterisierung einer der fesselndsten Auseinandersetzungen mit dem Leben nach 9/11. Das ehemals so widerspenstige Homeland ist in The Star im Durchschnitt angekommen. Ganz ohne Holzfällerhemd.

Nach dem Mord an Akbari spaziert Brody (zum Abschluss stark: Damian Lewis) unbehelligt aus dem Gebäude der revolutionären Garde. Erst spät wird der Leichnam entdeckt. Da ist der Attentäter davongebraust. Mit Carrie flüchtet Brody in ein Safe House, wo die beiden auf die versprochene Rettung aus dem Iran warten. Um den Überlebenswillen des Marines zu stärken, berichtet Carrie ihm von ihrer Schwangerschaft, doch das hat nur zur Folge, dass Brody (und wir) seinem Tod etwas weniger lässig entgegenschreitet, als er in der Nacht festgenommen wird. Denn Javadi, der Akbaris Posten auf Befehl der CIA einnehmen soll, hat von seinen iranischen Vorgesetzten den Auftrag bekommen, Brody zur Rechenschaft zu ziehen und eine Flucht des Attentäters könnte auf Javadi zurückfallen. Saul verrät seiner “Marionette” zwar nicht, wo sich Brodys Safe House befindet, aber wir können damit rechnen, dass Dar Adal dafür verantwortlich ist. So kommt es, wie es kommen muss: Brody wird öffentlich gehängt, absichtlich so, dass ein Genickbruch als Erleichterung ausgeschlossen ist. Carrie sieht dem grausamen Schauspiel am Zaun zu und da Brodys Opfer berechtigterweise filmisch überhöht wird und einem Albtraum gleicht, wirken ihre Kletterversuche am Zaun nicht fehl am Platz.

Und dann folgt die Einblendung: 4 Months Later. Zeitsprünge dürften im Homeland-Universum langsam als Warnsignal gelten, wenn auch der neuste, der ein wenig an den berüchtigten Harry Potter-Epilog erinnert, alle Merkmale einer Selbstparodie in sich trägt, aber leider keine ist. Carrie wird von Lockhart der Chefposten in der wichtigsten CIA-Station im Mittleren Osten angeboten, was einerseits nachvollziehbar ist, da sie für den Erfolg der Iran-Mission mitverantwortlich ist, andererseits aber auch so gar keinen Sinn macht. Die CIA kann sich zu Brody nicht bekennen, was einen öffentlichen Druck für Carries Beförderung ausschließt. Nun bleibt also der in den letzten Folgen sympathischer gewordene Lockhart, der eine Behörde führt, die – und das hat uns Homeland ein ums andere Mal eingebläut – nichts so sehr mag, wie die eigenen Leichen im Keller zu verbuddeln. Plot-Unglaubwürdigkeiten seien aber mal beiseite gelassen, denn Homeland handelt von einer manisch-depressiven Analystin, die ihren Zustand jahrelang vor der Agency geheimhielt und ihr Gehalt immer noch bekommt. Dies auf einmal nach drei Staffeln zu kritisieren, zeugt von Betriebsblindheit.

The Star enttäuscht als Staffelfinale andernorts. Denn obwohl beispielsweise Carries Angst vor dem heranwachsenden Kind in ihrem Leib von Claire Danes ausgezeichnet gespielt wird und an die Stärken der Serie erinnert, versagen die Autoren in der Charakterentwicklung. So darf Javadi (Shaun Toub), der als Gegenspieler Sauls aufgebaut wurde und, zur Erinnerung, seiner Ex-Frau eine Flasche in die Kehle gerammt hat, Carries persönlichen Therapeuten mimen. Als Agent der Autoren klärt er sie über die Bedeutung von Brodys Opfer auf, ohne dass der Moment eine Sekunde lang wie eine in sich stimmige Reaktion der Figur wirkt. Selbiges gilt für Saul, der nur ein wenig am Sinn des Geschehenen zweifeln darf, es sich insgesamt aber ganz gemütlich macht in seinem verrenteten Größenwahn. Das ist nämlich die Crux der dritten Staffel von Homeland. Saul hat Carries Wohl, Brodys Leben und Quinns Gewissen dafür aufs Spiel gesetzt, Frieden zwischen Iran und Israel zu stiften und am Ende geht der Plan trotz all der Opfer, all der angerissenen, aber nicht zu Ende gedachten Konflikte zwischen den Hauptfiguren, auf. Weil die Autoren es so wollen und es sich mit der Trennung von Brody zu erkaufen suchen. Wie J.K. Rowling sagen würde: “All was well.”

Deswegen wirkt The Star wie das Finale einer gerade gecancelten Serie, hastig zusammengeworfen und unehrlich in seinem Bemühen, möglichst vielen Figuren ein Happy End zu verschaffen. Carrie bekommt ihren Traumjob und darf sogar ein Sternchen an die Erinnerungsplakette in Langley malen. Sauls Ehe wurde von der Sonne gekittet, aber damit wir gar nicht erst fürchten, Mandy Patinkin werde nach Chicago Hope – Endstation Hoffnung und Criminal Minds wieder früh aus einer Serie aussteigen, zwinkert er Dar Adal (F. Murray Abraham) und uns zu, wie es Dumbledore tun würde, nachdem er seinen Doppelagenten in den Tod geschickt hat. Begann die dritte Staffel mit ihren Figuren an ihrem tiefsten Punkt, kommt in Folge 12 der als fatal zu bezeichnende Twist aus Game On voll zum Tragen. Alles war nur ein Spiel, der Zwist zwischen Carrie und ihrem Mentor nie ernst zu nehmen und er wird es auch nie sein, weil den Autoren die letzte Härte gegenüber ihren Figuren, der Wille, sie mit den Folgen ihrer Taten zu konfrontieren, mittlerweile fehlt. Er war noch zu erahnen im Wiedersehen zwischen Brody und Dana. Mit dem gebrochenen Marine und seiner ins Vergessen geratenen Familie verlassen allerdings jene Figuren die Serie, deren Schmerz ein Bewusstsein für die menschlichen Konsequenzen des Krieges gegen den Terror schuf.

The Star ist letztlich eine Folge, die vor allem eines beobachtet: sich selbst. Der Titel, Ankündigung einer weitreichenden Trennung, deren Wirkung verpufft, erinnert an den Kampf der Serie mit ihrer zweiten Hauptfigur, ihrem wichtigen draw und asset. Mit dem schon vier Monate später ansetzenden Reboot zeigen sich die Autoren wohl ehrlicher, als ihnen bewusst ist. Tatsächlich bieten nur wenige Serien eine fundamentale “Veränderung” der Helden, was auf ihrer zur Wiederholung neigenden Natur beruht. Tony Soprano bleibt Tony Soprano, so sehr sich auch seine Umwelt von ihm entfremdet. Gaius Baltar können wir nie wirklich trauen, erst recht wenn er zum religiösen Heilsbringer wird. Die besten Shows aber verändern unsere Sicht auf diese Helden, stellen sie in immer wieder in Frage. Denn kaum etwas ist langweiliger als eine Serie, die sich und uns im Gefängnis einer Comfort Zone einschließt und den Schlüssel wegwirft. Das ist Dexter.

Zitat der Folge: “Honestly, I don’t know what the fuck we’re doing here anymore.”

Alle Recaps zu Homeland Staffel 3:
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Im Rahmen der Aktion “Hot from the US” stellt FOX die neuen Folgen von Homeland zeitnah zur Ausstrahlung in den USA bei iTunes, maxdome und Videoload zur Verfügung.

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