Wo ist eigentlich deutsches Quality-TV?

24.03.2012 - 08:31 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Im Angesicht des Verbrechens mit Max Riemelt
Arte
Im Angesicht des Verbrechens mit Max Riemelt
In den USA sprießen die hochkaratätigen TV-Serien wie Pilze aus dem Boden. Aber wie sieht es eigentlich hierzulande aus? Gibt es wirklich nur “Schrott” im deutschen Fernsehen, wie viele behaupten? Und wenn ja, warum?

In den letzten beiden Wochen ging es bei unserem Serienthema zum einen um die Entstehungsgeschichte des so genannten Quality-TV Phänomen und zum anderen um dessen wichtigste Vetreter auf der Seite der Autoren und Showrunner. Dabei dürfte niemandem entgangen sein, dass das goldene Fernsehzeitalter von dem so viele sprechen, vornehmlich auf Grund amerikanischer Produktionen ausgerufen werden konnte. Aus Großbritannien (Luther, Sherlock) und Skandinavien (The Killing) kommen allerdings ebenfalls immer mehr Fernsehserien, die sich durch ihr hohes erzählerisches und inszenatorisches Niveau auszeichnen. Aber was hat eigentlich die deutsche Fernsehlandschaft außer Das Traumschiff oder dem Tatort zu bieten? Und hat es in Deutschland jemals schon so etwas wie Fernsehautoren gegeben?

Warum in Deutschland nur schwer gutes Fernsehen entstehen kann
In den USA hat die Entwicklung qualitativ hochwertiger TV-Serien besonders dadurch an Fahrt aufgenommen, dass sich ein immer größers Netz an Pay-TV Kanälen gebildet hat. Um sich von der Konkurrenz abzusetzen, versuchten die Senderchefs mit eigens produzierten Serien Zuschauer zu binden, anstatt lediglich auf die Ausstrahlung großer Sportveranstaltungen und Hollywoodfilme zu setzen. Die Rechnung ging zu allererst beim Branchenprimus HBO auf und schnell zog die Konkurrenz nach, wobei sich mittlerweile auch frei empfangbare Sender an der Machart der teuren Privatproduktionen orientieren.

In Deutschland hat eine solche Entwicklung bis jetzt nicht statt gefunden. Die Idee des Pay-TV setzt sich hierzulande wenn überhaupt, dann nur sehr langsam durch. Früher gab es Premiere, aktuell existiert Sky. Beide Sender waren und sind vor allem auf Grund ihrer exklusiven Sportrechte beliebt. Quality-Serien werden nicht selbst produziert, sondern lediglich für Sender wie TNT oder Sky Atlantic aus dem Ausland eingekauft. Solange es auf dem Gebiet der Pay-TV Sender keinen größeren Konkurrenzdruck gibt, dürfte sich im Bereich Quality-TV hierzulande nicht viel tun. Wobei es natürlich ironisch ist, dass das Fernsehen in den USA erst einmal völlig unterirdisch werden musste, um letztendlich einzelne Perlen im Pay-TV hervorzubringen. Für viele mag das deutsche Fernsehen schon jetzt eine Zumutung sein, aber tatsächlich dürfte eine Großteil der Zuschauer immernoch zufrieden mit der Auswahl an Spielfilmen und sonstigen Unterhaltungsshows sein, trotz zahlreicher Werbeunterbrechungen.

Sollen wir also auf einen weiteren Qualitätsverfall des deutschen Fernsehens hoffen, damit mehr Leute an Pay-TV Angeboten interessiert sind? Und überhaupt – zahlen wir nicht bereits Rundfunkgebühren, die eigentlich dazu genutzt werden sollten, uns ansprechenden Unterhaltung zu bieten? Leider sind solche Dinge ja immer Auslegungssache und solange die Risikobereitschaft im deutschen Fernsehmarkt nicht wächst, werden ARD und Co. sich weiter an den weniger anspruchsvollen Formaten der Privaten orientieren und diese in leicht veränderter Form auch in den öffentlich-rechtlichen Kanälen ausstrahlen. Die Erfüllung des Bildungsauftrags scheinen die Verantwortlichen leider ausschließlich durch dokumentarische Formate abdecken zu wollen, obwohl da sicherlich auch fiktionale Serien eine wichtige Rolle spielen könnten.

Licht am Ende des Tunnels
Ganz sollten wir die Hoffnung auf gute Serienproduktionen aus Deutschland allerdings nicht aufgeben, hat es doch im Laufe der Zeit immer wieder qualitativ hochtwertige Produktionen gegeben, die sich nicht vor ihren ausländischen Pendants verstecken müssen. So hat beispielweise Edgar Reitz mit seiner Heimat-Trilogie bewiesen, dass in Deutschland durchaus Autorenarbeit im Fernsehen zu bewundern ist. Die drei Serien über die Geschichte eines Dorfes im Hunsrück bestechen durch ihre ihren Realismus (Dialekte, Kostüme etc.), ihre Langsamkeit und gleichzeitige erzählerische Tiefe. Ein Werk, welches auch heute noch mehr als sehenswert ist. Das gleiche gilt für den Magnus Opus Berlin Alexanderplatz von Rainer Werner Fassbinder, eine 14-teilige Serie basierend auf dem Roman von Alfred Döblin.

Leider scheinen vergleichbare Werke aktuell meist lediglich in Form eines eingeschränkten Umfangs möglich zu sein. Die Miniserie Im Angesicht des Verbrechens von Dominik Graf bot 2010 durchaus anspruchsvolle Krimikost, die über die Qualiät der meisten Tatort-Folgen hinaus ging und mit tollen Schauspielern wie Max Riemelt und Alina Levshin besetzt war. Leider haben nur wenige Zuschauer von der lediglich 10-teiligen Serie rund um die russische Mafia in Berlin Notiz genommen. Der ähnlich anspruchsvolle KDD – Kriminaldauerdienst, der sich stilistisch am großen Vorbild The Wire orientierte, ging zwar in Serie, wurde aber nach nur drei Staffeln wieder abgesetzt. Und auch eine zumindest mutige Comedyserie wie Stromberg, die versucht hat, aus einem ausländischen Format etwas genuin deutsches zu machen, hatte es trotz großer Fanbasis schwer, im Fernsehen zu überleben. Wenn die Zuschauer bei diesen Angeboten schon nicht einschalten, warum sollten sie dann Geld für eigens produzierte Serien im Pay-TV ausgeben?

Sehr gespannt dürfen wir auf den ersten Versuch des Bezahlsender TNT-Serie sein, eine eigens produzierte Serie auf den Markt zu bringen. Bei Add a Friend (ab dem 19. September) handelt es sich um ein Komödien-Format, welches Geschichten rund um die sechs Hauptfiguren und ihre Benutzung sozialer Netzwerke erzählen soll. Klingt nach einem spannenden und, im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen, auch zeitgemäßen Thema. Wer weiß, vielleicht leitet TNT mit Add a Friend auch in Deutschland einen neuen Serientrend ein.

Woher kommt für euch der Mangel an Kreativität im deutschen Fernsehen?

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