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Zwei Tage mehr Science als Fiction

03.06.2016 - 00:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Das 1. internationale Space Film Festival in Berlin
International Space Film Festival
Das 1. internationale Space Film Festival in Berlin
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Derzeit findet in Berlin parallel zur Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) das erste internationale Space Film Festival statt. Seit dem 1. Juni präsentiert dieses Festival eine kleine aber feine Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilmen, die sich mit verschiedenen Themen rund um das Weltall und die Raumfahrt beschäftigen.

Zum allerersten Mal findet das internationale Space Film Festival statt. Zielgruppe des Festivals sollen sowohl Weltraumbegeisterte als auch Fans des Science-Fiction-Filmgenres sein. In diesem Jahr stehen zwei spezifische Themen im Mittelpunkt des Programmes. Ein Schwerpunkt ist die russische Raumfahrt sowie deren Jubiläen, wie beispielsweise die erste unbemannte Mondlandung vor 50 Jahren durch Luna9, der Inbetriebnahme der Weltraumstation MIR vor 30 Jahren oder dem ersten Flug eines Menschen im Erdorbit durch Juri Gagarin vor 55 Jahren. Ein zweites Thema ist das sogenannte "Space Race" von jungen Startup-Unternehmen, die es sich - motiviert durch einen ausgelobten Preis - zur Aufgabe gemacht haben, das Abenteuer Mondlandung erneut in Angriff zu nehmen, denn schließlich soll die beliebte Frage beantwortet werden, ob und wann die Menschen wieder zum Mond fliegen werden. Festivalleiter Jürgen E. Aha schreibt auf der Homepage dazu: "Es wird jetzt höchste Zeit dafür, denn auch die junge Generation hat ein Recht auf ihr 'Apollo-Erlebnis'!" Es ist tatsächlich bereits fast 45 Jahre her, seit das letzte Mal ein Mensch unseren Mond betreten hat. Der russische Botschafter zitierte noch weitreichender den berühmten Konstantin Ziolkowski, dem Begründer der modernen Kosmonautik: "Die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber der Mensch kann nicht immer in der Wiege bleiben!"

Das Festival versucht einen ausgewogenen Blick zurück in der Vergangenheit der Raumfahrt mit einer Vorausschau in die Zukunft zu verbinden. Wie ihr schon seht, ist das Space Film Festival dabei eine eher wissenschaftliche Veranstaltung, die jedoch durchaus versucht, populäre wissenschaftliche Themen aufzugreifen. Der Fokus liegt also mehr auf Science als auf Fiction. Dazu hat das Festival zahlreiche Personen mit Fachkenntnissen eingeladen, die nach einigen Filmvorführungen für vertiefende Gespräche zur Stelle sein werden. Darunter befinden sich Ingenieure und Forscher, aber auch berühmte Astronauten wie Ulf Merbold, dem bisher einzigen Deutschen, der drei Mal im Weltraum war. Eigentlich hätte auch Sigmund Jähn, der 1978 als DDR-Kosmonaut als erster Deutscher im Weltraum war, ebenfalls kommen sollen, musste jedoch aus familiären Gründen fernbleiben. Ergänzend zum Programm lässt sich vor den Kinosälen eine interessante Ausstellung mit seltenen Exponaten aus fünf Jahrzehnten Raumfahrt sowie Modelle der möglichen zukünftigen Mondfahrzeuge bewundern.

Impressionen: Gagarins Handschuh, ein Moon-Rover, Ulf Merbold und Memorabilia

Doch nicht nur wissenschaftliche Dokumentarfilme zu den genannten Themen werden in den nächsten Tagen auf dem Space Film Festival gezeigt. Ergänzend dazu können einige zumeist amerikanische Science-Fiction-Filme der jüngeren Vergangenheit erneut gesehen werden, die wohl die meisten Filmfreunde größtenteils kennen sollten (wie beispielsweise Der Marsianer von Ridley Scott, Europa Report, The Astronaut Farmer und Gravity von Alfonso Cuarón). Also auch Freunde des visuellen Kinoerlebnisses dürften auf ihre Kosten kommen, wenn diese Spielfilme nochmal auf der großen Leinwand betrachtet werden können. Anschließend wird mit Experten über den Realismusgehalt solcher Filme diskutiert. Ich persönlich werde mich größtenteils auf die Dokumentarfilme konzentrieren, doch gänzlich ohne Spielfilme werde auch ich nicht auskommen.

Allerdings begann der erste Tag zunächst mit einer hochinteressanten Eröffnungsveranstaltung, die jedoch erst mit fast 30 Minuten Verspätung startete. Aber das Warten sollte sich lohnen, denn es wurde als Einstimmung ein wundervoller Zusammenschnitt eines 24-jährigen Videokünstlers aus Moskau namens Max Shishkin präsentiert, der Szenen aus berühmten Science-Fiction-Filmen mit einem emotionalen Text (gesprochen von Anthony Hopkins) unterlegte. Nach einführenden Worten durch Festivalleiter Aha sowie dem russischen Botschafter Wladimir Grinin wurde ein etwa 25-minütiger, von Tim Allen kommentierter Film namens Back to the Moon for Good von Max Crow gezeigt, der unglaublich dynamisch und informativ ein neues Weltraumwettrennen thematisiert, und die anschließende Diskussionsrunde, geleitet durch Phoenix-Moderator Michael Krons, vertiefte dies dann nochmals. Dieses neue "Space Race" wurde durch die Ausschreibung eines mit 30 Millionen Dollar dotierten Preises, dem sogenannten Google Lunar X-Prize , ausgelöst, an dem 26 Teams aus der ganzen Welt teilnehmen (unter anderem das Berlinaler Start-Up-Unternehmen Part Time Scientists, deren Mond-Rover beispielsweise in der Ausstellung zu bewundern ist). Dieser Preis ist also ähnlich dem Orteig-Preis, den Charles Lindbergh für seinen Flug nonstop von Paris nach New York gewann. Ziel ist es nun jedoch, eine tatsächliche Mondlandung ohne staatliche Fördergelder mit einem unbemannten Fahrtzeug zu vollbringen, das mindestens 500 Meter weit fahren und Fotos und Messdaten zur Erde schicken kann. Was absolut unmöglich für so kleine, privat finanzierte Arbeitsgruppen anmutet, scheint mit extrem viel Euphorie, Motivation und Zuversicht angegangen zu werden. Der Slogan des Berliner Start-Ups lautet übrigens bezeichnenderweise "Part Time Scientists - Full Time Crazy". In jedem Fall sollte dieser Wettbewerb Innovationen und die Forschung im Allgemeinen vorantreiben. Allein über dieses Thema könnte man ganze Artikel schreiben. Da dies an dieser Stelle jedoch leider zu weit führt, beschränke ich mich auf die Zusammenfassung, dass sich die Raumfahrt in einer Zeitenwende befindet: Die staatlichen Weltraumprogramme haben teilweise ausgedient und privat initiierte Anstrengungen sollen für eine Wiederbelebung der Raumfahrt sorgen. Ob dies wirklich realistisch ist, kann nur die Zukunft zeigen. Es herrscht zumindest eine gewisse Aufbruchsstimmung. Ein demnächst erscheinender Film mit Frank Schätzing wird dieses Thema aufgreifen. Ein erster Trailer dazu konnte bereits auf dem Festival präsentiert werden.

Der erste Festivaltag endete mit der (ebenfalls verspätet startenden) Deutschland-Premierenvorführung einer einstündigen Discovery-Channel-Produktion namens Desaster im Weltall, die sich aus zwei Episoden der TV-Reihe Secret Space Escapes zusammensetzte. Die Kombination aus Interviews, Archivmaterial und nachgestellten Szenen zeigt etwas reißerisch, welche Gefahren bei der alltäglichen Raumfahrt auf die Astronauten lauern und ist leider kein wirkliches Highlight des Festivalprogrammes.

Der zweite Veranstaltungstag konnte hingegen schon mehr mit filmischen Inhalten glänzen und stand ganz im Zeichen von Juri Gagarin. Der erste Film war der deutsche TV-Dokumentarfilm Die Gagarin-Story von Martin Hübner. In 45 Minuten wurde Gagarins Biographie inklusive Werdegang, Orbitflug und bisher ungeklärtem Tode bei einem Flugzeugabsturz abgehandelt. Doch viel wichtiger erscheint die Herausarbeitung der Persönlichkeit des Mannes. Lange zurückgehaltene Fakten lassen das Bild eines umgänglichen Vorzeigesowjet aus einfachen Verhältnissen etwas bröckeln, ohne ihn jedoch seiner Leistungen zu berauben. Denn schlusssendlich betrug seine Überlebenschance lediglich 47 Prozent aufgrund der unter Zeitdruck durchgeführten Aktion. Zuvor sind sogar nur drei der sieben Testraketen nicht beim Start explodiert. Doch der Wettlauf gegen die USA musste gewonnen werden. Nicht zuletzt wird die propagandistische Ausnutzung seiner Tat und der um ihn herum entstandene Personenkult vom Film kritisch hinterfragt. Weniger kritisch und lediglich beschränkt auf die Zeit bis zum erfolgreich absolvierten Flug erzählt der russische Spielfilm Gagarin - Wettlauf ins All von Pavel Parkhomenko die gleiche Geschichte noch einmal. Dabei wirkt der Film stellenweise merkwürdig altmodisch, hat aber auch seine starken Momente. Ulf Merbold fand den Film und seine originalgetreue Darstellung "super schön".

Um den Gagarin-Tag gebührend ausklingen zu lassen, sah ich mir noch die letzten 30 Minuten der Experimental-Doku First Orbit an, bei der der Zuschauer Juri Gagarins 108 Minuten dauernde Erdumrundung mit der Wostok 1 vom 12. April 1961 auf der großen Kinoleinwand nachfliegen konnte. Auch wenn ich nur ein Drittel des Filmes sehen konnte, so durfte ich einen Einblick in die mögliche Gefühlslage des Kosmonauten gewinnen. Die kontemplativen Bilder ließen nämlich durchaus diese Möglichkeit zu. Von Zeit zu Zeit waren Funkübertragungen Gagarins und Radiodurchsagen zu hören, die in Kombination mit den Bildern vom Blick auf die Erde den Eindruck im Zuschauer erwecken konnten, dass sich die Welt unterhalb Gagarins schlagartig verändert haben musste. Lediglich die etwas aufdringliche musikalische Untermalung könnte ein bisschen negativ auffallen. Jeder Zuschauer dieser faszinierenden Doku erhielt eine Urkunde zum erfolgreich absolvierten Orbitflug, persönlich unterzeichnet von unter anderem Ulf Merbold. Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass auch ich mir eine solche Urkunde etwas unrechtmäßig ergaunerte.

* * *

In einem zweiten Artikel zum Space Film Festival werden die Filme und Erlebnisse der abschließenden drei Tage zusammengefasst. Auch durchaus etwas kritische Punkte sollen dann nicht unerwähnt bleiben, wie beispielsweise die etwas geringe Zuschauerresonanz oder der lieblose Umgang mit dem Medium Film seitens der Festivalveranstalter. Darauf werde ich etwas näher eingehen. Für den ersten Artikel müssen die Informationen genügen; wahrscheinlich habe ich bereits so schon viel zu viel hineingepackt. Wer trotzdem mehr wissen möchte, kann natürlich einfach drauf los fragen und ich werde dies dann so gewissenhaft wie möglich zu beantworten versuchen.

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