Die Oscar Saison - Das längste Vorspiel der Welt

30.01.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Die Oscar-Saison bereitet uns auf die Verleihung im Frühjahr vor.
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Die Oscar-Saison bereitet uns auf die Verleihung im Frühjahr vor.
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Die Entscheidungen der Academy sind oft nicht so ganz leicht nachzuvollziehen. Vorhersehbar sind sie in den meisten Fällen aber dennoch. Denn in der Oscar Saison entscheiden sich meist schon recht früh die späteren Gewinner beim Oscar.

Wer mit seinem Oscar-Tipp richtig liegen will, der muss auch über die Mechanismen hinter der Jury-Entscheidung beim Oscar 2012 Bescheid wissen. Die offensichtlichsten Kandidaten zeichnen sich bereits Monate vor der eigentlichen Verleihung ab. In der Oscar Saison (beziehungsweise Awards Season) durchlaufen Filme, Schauspieler, Regisseure und andere einen Bewertungszyklus, der nicht unbedingt Einfluss auf die spätere Oscar-Entscheidung hat, diese aber wenigstens im Vorfeld wiederspiegeln kann. Aber Vorsicht: Nicht jeder Preis ist gleich viel wert. Die Oscar Saison lässt sich in vier Phasen aufteilen, die wir euch hier vorstellen. Einen Gesamtüberblick über die Tendenzen der diesjährigen Oscar Saison hat euch bereits meine Kollegin “the gaffer” gegeben.

Phase 1: Die Festivals
Los geht die Oscar Saison im September mit den wichtigen Film-Festivals. So richtig los geht es zwar noch nicht, aber die Festivals können als eine Art Vorspiel des Vorspiels betrachtet werden. In den USA beginnt die Festivalsaison mit den Filmfestivals von Telluride und Toronto (TIFF), von denen insbesondere letztes ordentlich Oscar-Buzz produziert. Nichtsdestotrotz wird Telluride als der Startschuss der Oscar Saison gesehen, die in den letzten Jahren mit ihren Gewinnern Slumdog Millionär und The King’s Speech – Die Rede des Königs Vorarbeit für den Oscar leisteten. Sie gaben auch dieses Jahr mit The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten und The Artist hochwertige Prognosen. Auch Toronto zeigt oftmals gutes Gefühl, obwohl bei diesem Festival das Publikum große Entscheidungsmacht besitzt. Aber: Die bei Toronto beliebten Filme The Descendants und Die Kunst zu gewinnen – Moneyball zeigten, dass Stars dort wie auch bei den Oscar-Nominierungen kein wegzudenkender Faktor sind. Im Frühjahr ist es dann natürlich das Sundance Festival. 2010 schafften es 9 bei Sundance erfolgreiche Filme auch zu Oscar-Nominierungen, was das Festival immer mehr zu einem attraktiven Marktplatz für Investoren und Verleihe macht.

Phase 2: Die Kritikerpreise
Everyone’s a critic, these days. Der alte Spruch stimmt insbesondere für die Oscar Saison, die sich mit der gigantischen Masse der ab Ende November verliehenen Kritikerpreise vollends in eine reine Awards Season verwandelt. Begonnen mit den Gotham Awards und den Nominierungen für die Independent Spirit Awards für Independent-Projekte kommt der Startschuss, der mit der Bekanntgabe der Lieblinge des National Board of Review Anfang Dezember in einen filmjournalistischen Kanonenschlag verwandelt wird. Zwar bekommt die NBR wegen der frühen Bekanntgabe nicht alle potentiellen Oscar-Filme zu sehen (dieses Jahr zum Beispiel der Oscar-Kandidat Extrem laut und unglaublich nah), aber trotzdem gilt ihre Entscheidung als lenkender Faktor der frühen Oscar Saison. Dieses Jahr stand Hugo Cabret ganz oben und holte auch bei der Academy of Motion Picture Arts and Sciences ganze 11 Nominierungen.

Das weite Feld der Kritikerpreise ist breit angelegt und umfasst die großen Städte der USA. Der New York Film Critics Circle sticht bedeutungsmäßig hervor, aber auch die Critic’s Choice Awards sind nicht unwichtig. Historisch gesehen sind sie ein guter Indikator für spätere Oscar-Gewinner. Das Event der größten Kritikervereinigung Broadcast Film Critics Association ist im großen Stil aufgezogen und wird im Fernsehen übertragen. Zweifelsohne wird das auch von den Meinungsmachern der Academy beachtet. Wie wir euch bald berichten werden, kann die aus Filmleuten bestehende Oscar-Jury schlicht nicht jeden Film schauen, weshalb die Kritikerpreise auch für sie einen Leitfaden darstellen. Das ist traurig, aber leider wahr. Auch dieses Jahr liest sich die Liste der Gewinner sehr konform mit den Nominierungen der Academy.

Phase 3: Der Golden Globe als ehemaliger Meilenstein
Journalisten sind Journalisten sind Journalisten. In den letzten Jahren hat die Hollywood Foreign Press Association mit ihrem Golden Globe nicht unbedingt Geschmack oder Glaubwürdigkeit bewiesen. Bei den Nominierungen letzten Dezember wurden offensichtliche Kandidaten wie Drive oder Dame König As Spion nahezu völlig ignoriert, aber die letztendliche Juryentscheidung diesen Monat konnte die merkwürdige Vorauswahl immerhin noch in halbwegs annehmbare Bahnen lenken. Die Voraussagekraft für die Gewinner bei der Oscar-Verleihung ist in letzter Zeit immer weiter gesunken. Wenn nicht bald etwas passiert, wird der Golden Globe trotz seines großen Namens in der Versenkung verschwinden. Immerhin brachte die letztjährige Provokations-Show mit Ricky Gervais noch einen Unterhaltungsfaktor, der dieses Jahr wesentlich harmloser ausfiel. Aber auch das kann dauerhaft kein Qualitätsgarant sein. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Globe als ehemaliger Meilenstein im Oscar-Rennen entwickeln wird.

Phase 4: Die Gildenpreise
Die Gilden sind die wichtigsten Meinungsmacher im Oscar-Rennen, ganz einfach, weil sie zu großen Teilen in der Oscar-Jury sitzen. Als letzte Phase der Oscar Saison im Frühjahr festigen sie die bisherigen Tendenzen oder werfen sie ganz einfach um. Gestern und vorgestern wurden die Preise der Regisseursgilde (DGA) und Schauspielergilde (SAG) bekanntgegeben. Bei der Regisseursgilde setzte sich Michel Hazanavicius (The Artist) durch und der Gewinner bei der Produzentengilde war Thomas Langmann ebenfalls für The Artist. Diese drei Gilden sind meist zuverlässige Messinstrumente für den Geschmack der Academy, besonders für die Kategorie Bester Film. Letztes Jahr zeigte das der Sieg von The King’s Speech in mehreren Kategorien über The Social Network, der bei den Kritikern und Festivals Erfolg hatte. Kleinere Kategorien hängen oft von den Entscheidungen der dazugehörigen Gilden, wie die der Kameraleute oder der Drehbuchautoren.

Sichere Vorhersagen können wir natürlich trotz des Oscar-Vorlaufs nicht treffen. Aber mit der Oscar Saison können wir uns immerhin ein wenig in die Köpfe der Academy versetzen. So kurios deren Entscheidungen auch manchmal sein mögen.

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