Friedliche Zombies langweilen, Island begeistert

06.08.2010 - 18:30 Uhr
Der L.A. Zombie-Skandal blieb aus
Bruce LaBruce
Der L.A. Zombie-Skandal blieb aus
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Gewitterwolken beim Filmfestival: Zwar ist Locarno bekannt als die Sonnenstube der Schweiz, doch die Gäste des diesjährigen Filmfestivals bekommen davon bisher nur wenig mit. Der gestrige Tag startete mit Gewittern und dem berüchtigten Tessiner Regen. Das passte aber auch ganz wunderbar zu den gezeigten Filmen, denn bisher zeigt sich die Filmauswahl von der kantigen bis skandalösen Seite.

Nachdem bereits der Eröffnungsfilm Deep in the Woods – Verschleppt und geschändet von Benoît Jacquot sehr kontrovers diskutiert wurde, hatte gestern ein Film Premiere, der bereits im Vorfeld für Schlagzeilen sorgte: L.A. Zombie von Bruce La Bruce. Der machte zuletzt Schlagzeilen, als ihn die australische Zensurbehörde kurzerhand aus dem Programm des Melbourne International Film Festival strich. Ein Blick auf die Story des Films macht deutlich, woran sich die Zensoren störten: Ein schwuler Zombie (gespielt vom französischen Porno-Darsteller François Sagat) zieht durch die Straßen von Los Angeles und kümmert sich mit Hingabe um die Opfer tödlicher Gewalt: Er fickt sie einfach zurück ins Leben, um sie als Menschen weiterleben zu lassen.

Für die Filmfestivals und Kinos existiert neben der Hardcore-Variante des Films eine geglättete, aber nicht minder skandalträchtige Softcore-Fassung, welche nun in Locarno zu sehen war: Eine in ihrer Ästhetik ziemlich poppige, in der Tradition des Guerilla-Filmmaking stehende (Budget: weniger als 100.000 US-Dollar!) Genrestudie, die munter mit Versatzstücken des Zombiefilms, des Horrorgenres und des Schwulenpornos spielt und dabei Popkultur von Pulp Fiction bis Grease aufruft. Mag die Verknüpfung der Genres durchaus innovativ sein, ist der Film insgesamt jedoch aufgrund fehlender Dialoge und Dramaturgie recht nervtötend – zum Kurzfilm zusammengeschnitten hätte man ihn gern gesehen. So waren auch die Reaktionen auf den kalkulierten Festivalskandal eher gelassen: Viel Gelächter und einige Seufzer während der Vorführung, mildes Abwinken bei den Kritikern und das ungute Gefühl, dass die Platzierung von L.A. Zombie im offiziellen Wettbewerb des Festivals eine Fehlentscheidung war.

Auf der Piazza hatte die isländische Komödie King’s Road mit Daniel Brühl Premiere und stieß durchweg auf ein positives Echo. Brühl spielt darin einen deutschen Touristen, der ausgerechnet ins finanziell gebeutelte Island reist, um seine Geldsorgen loszuwerden. Er strandet gemeinsam mit Gísli Örn Garðarsson (zuletzt zu sehen in Prince of Persia: Der Sand der Zeit) in einem Trailerpark, der durchweg von gescheiterten, ziemlich schrägen, aber liebenswürdigen Charakteren bewohnt wird. Zwischen skurrilem Humor und individueller Tragik balancierend unterhält der Film trefflich mit trockenem Witz und wird – Daniel Brühl sei dank – mit Sicherheit auch in Deutschland zu sehen sein. Vormerken! Und wer demnächst einen Island-Urlaub plant, sollte sich vorher bei Gísli Örn Garðarsson melden: Der versprach gut gelaunt vor Tausenden von Gästen auf der Piazza mit jedem Einzelnen reiten zu gehen und die blaue Lagune anzusehen, wenn die Zuschauer nur nach Island kämen. Das bankrotte Land braucht Touristen…

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