Sam Raimi & Spider-Man – Eine Kritik zur Selbstkritik

07.01.2015 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Die dunkle Seite des Superhelden -    	Tobey Maguire in Spider-Man 3
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Die dunkle Seite des Superhelden - Tobey Maguire in Spider-Man 3
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Er habe den dritten Spider-Man in den Sand gesetzt, sagt Regisseur Sam Raimi. Damit spielt er der Ablehnung zu, die der Film seit jeher erfährt. Grund genug also, das Werk gegen seinen Schöpfer zu verteidigen.

Nun ist er doch noch eingeknickt. In einem Podcast für nerdist.com  hat Sam Raimi erstmals Stellung bezogen zum leider konsensfähigen Hass gegenüber dem Abschluss seiner Spider-Man-Trilogie. Während des umfangreichen Gesprächs übt sich der kürzlich 55 gewordene Filmemacher in harscher Selbstkritik und äußert sein Bedauern über das vermeintliche Misslingen des 2007 veröffentlichten Comicspektakels.

Spider-Man 3 sei ein Film, der nicht gut funktioniere, bekennt Raimi kleinlaut. Er habe zu sehr versucht, die beiden künstlerisch und kommerziell erfolgreichen Vorgänger Spider-Man und Spider-Man 2 übertreffen zu wollen. Wenn ein Regisseur mit einer Idee unzufrieden sei, sie aber anderen zuliebe dennoch umsetze, könne dabei nur etwas Falsches, etwas "Verfluchtes" entstehen. Sein Film, so Raimi voller Demut, sei mit "schrecklich" gut umschrieben - alles in allem habe er Spider-Man 3 vermasselt.

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Dieses Missbehagen dürfte sich wohl vor allem aus der Produktionsgeschichte des eigentlich nicht als Abschluss einer Trilogie geplanten dritten Teils speisen. Wie seinerzeit schon vor Kinostart des Films durchsickerte, soll es zwischen Raimi und Produzent Avi Arad Unstimmigkeiten gegeben haben, die allesamt zugunsten des Gründers und Geschäftsführer der Marvel Studios und Comics gelöst worden sind. Avi Arad fand seinen Weg nach Hollywood über Spielzeugumwege und gilt als kompromissunfreudiger Verhandlungspartner mit Big-Boss-Mentalität, wie es sie augenscheinlich auch braucht, um das Finanzielle vor dem Künstlerischen, um also das Prinzip Marvel zu bewahren.

Arad bestand darauf, den bei Fans beliebten Spider-Man-Gegenspieler Venom im dritten Film auftreten zu lassen, obwohl Raimi mit der Figur und deren "Unmenschlichkeit" große Schwierigkeiten gehabt haben soll. Und auch Gwen Stacy, Peter Parkers erste große Liebe, sei nur auf Druck der Produzenten in die Geschichte des dritten Films gebracht worden, als beiläufig abgewickelte Rivalin von Mary Jane Watson.

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Entsprechend überladen wirkt Spider-Man 3, dessen vielleicht schwächste Momente jene sind, bei denen Raimi sich mit den unliebsamen Auflagen zu arrangieren versucht: Der halbherzige Subplot um Gwen Stacy wird der Comicvorlage keineswegs gerecht, die eigentlich sehr komplexe Venom-Geschichte bleibt unausgearbeitet und hinter den ungleich sorgfältigeren Bösewichtsentwürfen des Sandman und neuen Kobolds Harry Osborn zurück.

Wie aus dem Nichts purzelt da ein im Schatten New Yorker Gassen gestricktes Komplott der Gegenspieler in den Film, als müsse Raimi die Fülle an Figuren und Themen kurz vor Schluss noch irgendwie unter einen Hut bringen. Fraglos ist er, sind der Film und sein Entwurf, zeitweilig allzu überfordert mit dieser Aufgabe – und flüchten, welch schöne Konsequenz, in ausgedehnte Musicalsequenzen, hübsche Montagespielereien und wunderbare Albernheiten (Emo-Spider-Man), die ihren Regisseur einmal mehr als großen Romantiker zu erkennen geben.

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Überhaupt: Dieses offenherzige Bekenntnis zum Romantischen. Und das im Rahmen von Comicverfilmungen, die im Gegenwartskino entweder bitterernst auftreten oder infantil das eigene Amüsement bestätigen müssen. Wie wenig Interesse die Spider-Man-Filme von Sam Raimi für ihren strahlenden Titelhelden aufbringen, aber umso engagierter von den Adoleszenznöten eines Peter Parker erzählen wollen, ist bemerkenswert.

Man hat das Raimi von Anfang an übel genommen, die Gefühligkeit im Eintausch gegen das Donnerwetter, den Mangel an Actionrambazamba bei gleichzeitig unbeirrt ausgespielter Melodramatik. Selbst dem freundschaftlichen Widerstreit widmet er noch große Blicke, dramatische Versöhnungsgesten, flamboyanten Herzschmerz. Seine Spider-Man-Filme erscheinen tatsächlich eher als in Coming-of-Age-Kontexten verortete Erzählungen, und sie inszenieren das physische Spektakel ebenso begierig wie das emotionale.

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