Wie sich der Golden Globe bei Hollywood anbiedert

16.12.2011 - 17:00 Uhr
Dame, König, As, Spion
StudioChanel
Dame, König, As, Spion
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Die Golden Globe-Nominierungen sind gestern bekannt gegeben worden und bei mir hat sich wieder einmal ob der am konventionellen Hollywood-Mainstream anbiedernden Entscheidungen große Enttäuschung breitgemacht.

Mit der Hollywood Foreign Press Association, jener Vereinigung, die den Golden Globe vergibt, stehe ich auf Kriegsfuß. Jedes Jahr bin ich mehr oder weniger entsetzt über ihre Entscheidung, konsequent Filme, die irgendwie von Bedeutung sein könnten, auszusparen. Auch in diesem Jahr ist es nicht anders.

Ich erwartet von Filmkritikern – im Gegensatz zur Academy of Motion Picture Arts and Sciences, in der die einzelnen Berufsstände ihre Favoriten mit dem Oscar küren – einen Blick auf Filme, die in irgendeiner Weise Innovation versprechen, die auch in ein paar Jahren nicht vergessen sind, die Genres modernisieren, die Trends setzen. Leider bin ich da wohl ziemlich idealistisch, denn von der Hollywood Foreign Press Association gibt es das in den seltensten Fällen. Hier wird sich eher an das mainstreamige Hollywood angebiedert, werden europäische oder asiatische Filme stiefmütterlich behandelt und eher auf Althergebrachtes statt Neues geschaut. Einige Beispiele gefällig?

Nicolas Winding Refn ist mit Drive ein Glanzstück gelungen, wofür er beim Festival Cannes auch mit dem Regie-Preis ausgezeichnet wurde. Eine Nominierung bei den Golden Globes in der Kategorie Beste Regie? Fehlanzeige. Wie immer ein jeder von euch zu The Tree of Life steht, den Film von Terrence Malick komplett aus der Nominierungsliste auszuschließen, grenzt an Ignoranz. Ein Film, der in diesem Jahr zurecht mehrfach den Europäischen Filmpreis gewann, auch auf englisch gedreht wurde, ist ebenfalls nicht zu finden: Melancholia von Lars von Trier. Auch wenn sich der Regisseur selbst mit seiner Nazi-Diskussion ins Abseits gestellt hat, bleibt sein Film ein Meisterstück und Kirsten Dunst war nie so gut wie in diesem Weltuntergangsdrama.

Mit Shame (eine Nominierung für Michael Fassbender als Bester Hauptdarsteller) taucht bei den Golden Globe-Nominierungen ein Film auf, der auf einem der großen A-Festivals einen Preis gewonnen hat. Aber auch der britische Regisseur Steve McQueen wird genauso wie sein jüngerer dänischer Kollege Nicolas Winding Refn mit Ignoranz bestraft. Jeff Nichols, dem mit Take Shelter – Ein Sturm zieht auf ein seltsam-interessantes Weltuntergangsszenario gelang, fehlt ebenfalls. Übrigens genauso wie der Schwede Tomas Alfredson, der mit Dame König As Spion überhaupt nicht vertreten ist, obwohl der Film in Venedig gefeiert wurde und Gary Oldman wahrscheinlich einen seiner besten Leinwand-Auftritte überhaupt hinlegt. Das sind übrigens alles Regisseure, die deutlich nach 1960 geboren sind. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Die Riege der Nominierten nimmt sich dagegen wie das Who is Who jener Filmleute aus, die wir schon auf tausend Preislisten immer wieder gesehen haben. George Clooney (gleich dreimal nominiert als Darsteller, Regisseur und Drehbuchautor), Martin Scorsese, Woody Allen, Meryl Streep, Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Kate Winslet. Gerade weil ich so viele neue Gesichter und Namen vermisse, wirkt die Golden Globe-Nominierungsliste für mich irgendwie langweilig, auch wenn ein jeder, der auf ihr steht, es verdient hat. Ich schätze diese Filmleute wirklich sehr, jeden einzelnen, aber gern hätte ich etwas weniger Konsens-Hollywood und mehr Experimentierfreude.

Mag sein, dass das Marketing für den einen oder anderen Film nicht funktioniert hat, die Festival-Hypes bereits verklungen und Filme an den Kassen untergangen sind: Aber das darf meines Erachtens gerade Filmkritiker nicht beeinflussen. Leider scheint es aber so zu sein.

Wie seht ihr das? Könnt ihr mir zustimmen oder hab ich nur einen schlechten Tag?

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