Da ist er also, der Titel von Star Wars 9. Kaum mehr als ein halbes Jahr vor Veröffentlichung enthüllte der am 12.04.2019 vorgestellte Trailer zum Abschluss der aktuellen Disney-Trilogie zugleich auch das zuvor so geheimnisumwobene Etikett: The Rise of Skywalker wird Episode 9 heißen. J.J. Abrams hat sich also noch einmal etwas einfallen lassen, um die erhitzten Episode 8-Gemüter zu besänftigen.
“Wir haben uns über den Fortlauf der Geschichte schon vor vielen Jahren Gedanken gemacht. Doch Rian hat dann mit seinem Film eine ganz andere Richtung eingeschlagen,” erzählt der Filmemacher gegenüber Fast Company . Die jüngsten Enthüllungen des Episode 9-Regisseurs, der den im September 2018 sich überraschend vom Projekt abgewendeten Jurassic World-Macher Colin Trevorrow kurzfristig ersetzte, verdeutlichen mehr denn je das große Problem der jüngsten Star Wars-Trilogie: Es fehlt der rote Faden.
- In unserem zweiteiligen Report ergründen wir die produktionstechnischen Probleme des Star Wars-Franchises, das seit 2012 zu Walt Disney gehört.
- Im zweiten Artikel erfahrt ihr: Disney tat sich mit den Star Wars-Spin-offs keinen Gefallen. Schaut also wieder vorbei!
Der neuen Star Wars-Trilogie fehlt die Idee für das große Ganze
Zwar warf Regisseur und Autor Rian Johnson mit Die letzten Jedi so einiges über den Haufen, was es nun bei Episode 9 zum Teil wohl wieder zu relativieren gilt: Star Wars 8 ist jedoch so ziemlich die einzige Sternenkriegs-Episode in der Disney-Ära, bei dem die Verantwortlichen wussten, was sie zu tun hatten. Und Johnson hätte mit Sicherheit nicht so vieles auf den Kopf stellen können, wenn das Studio ihm nicht jene Planlosigkeit vorgelebt hätte.
Disney und Lucasfilm haben viel Kraft und Geld investiert, um ihre Milliarden-Marke ständigen Umstrukturierungen zu unterziehen, doch speziell dem Sequel-Trio fehlte von Beginn an das vielleicht Wichtigste: Die Idee für das große Ganze. Dabei sollte ein Autor für jede Dramaturgie die Schlusszene jederzeit im Kopf haben, Regie- und Drehbuch-Rückkehrer Abrams bezeichnet den Schreibprozess auch deshalb als "enorme Herausforderung", da er bei Episode 7 erst keine zusammenhängende Geschichte für eine ganze Trilogie erkennen konnte.
Der gebürtige New Yorker startete Ende 2015 mit Das Erwachen der Macht eine neue Star Wars-Trilogie und landete einen gigantischen Box Office-Hit: Mit über 2 Milliarden US-Dollar Einspielergebnis markiert die siebte Krieg der Sterne-Episode den bis heute weltweit dritterfolgreichsten Film aller Zeiten. Längst nicht alle Zuschauer zeigten sich zufrieden mit der lang ersehnten Rückkehr ihres geliebten Franchises - zu viel Nostalgie, zu viel Fanservice, zu wenig Neues lauteten die häufigsten Vorwürfe. Dabei hätte der Film ursprünglich ganz anders aussehen sollen.
Das Erwachen der Macht wollte erst so gar nicht erwachen
So gab es einige Unstimmigkeiten beim Drehbuch. Genannt sind als Autoren Marken-Veteran Lawrence Kasdan (schrieb bereits die Episoden 5 und 6), Regisseur J.J. Abrams sowie Michael Arndt (Toy Story 3). Letzterer verfasste das Skript ursprünglich komplett auf eigene Faust, in einem Entertainment Weekly -Artikel von 2015 heißt es, dass Arndts Entwurf von 2012 jedoch schlichtweg nicht funktioniert hätte. Unter anderem die Figur von Luke Skywalker lag viel zu sehr im Fokus.
Die erfahrenen Abrams und Kasdan nahmen es sich schließlich an, kurz vor Drehstart die Geschichte glatt zu bügeln und aus dem zu dominanten Helden Luke ein regelrechtes MacGuffin zu schöpfen, die holprige Vorproduktion ist dem Endergebnis jedenfalls nicht anzusehen. Abrams und seiner Mannschaft gelangen ein sehr runder wie stimmiger Film.
Nach dem gigantischen Erfolg von Episode 7 schienen Lucasfilm und Chefin Kathleen Kennedy auf dem besten Weg, doch in den nächsten drei Jahren sollte die Macht erschüttert werden. Gerade mit den Star Wars Storys, also den Spin-off-Filmen brachte sich die Weltraumoper-Schmiede ordentlich in die Bredouille, ein Kapitel, das wir in einem zweiten Artikel behandeln wollen. Doch bleiben wir vorerst bei der Skywalker-Saga.
Für The Rise of Skywalker gab es vier Drehbücher
Als im September 2017 die Trennung von Regisseur Colin Trevorrow vermeldet wurde, stand innerhalb weniger Tage J.J. Abrams als Ersatz fest. Es galt, das Drehbuch von Trevorrow und Derek Connolly komplett zu überarbeiten, dabei mussten die schon ihren Erstentwurf nach dem Tod von Leia-Darstellerin Carrie Fisher im Dezember 2016 neu anpassen. Im April 2017 sollte Jack Thorne, Autor des Theaterstücks Harry Potter und das verwunschene Kind dann noch einmal das bis dato bestehende Skript von Trevorrow und Connolly einer Frischzellenkur unterziehen.
Regisseur Trevorrow fand das aber gar nicht gut, es kam zum Zerwürfnis.
Es ist erschreckend, wie unstimmig die Produktion von Star Wars 9 verlief. Insgesamt blickt The Rise of Skywalker auf vier Drehbücher zurück, für die finale Version hatten J.J. Abrams und Argo-Autor Chris Terrio weder Zeit zur Verfügung noch einen richtigen Plan.
Ich stand vor komplett unbekanntem Terrain [...] Mit unserem Film führten wir ja nicht nur das weiter, was wir zuvor mit Das Erwachen der Macht aufgebaut haben. Wir führten das weiter, was wir angefangen haben und was dann von jemand anderem erweitert wurde.
Der eigenständige Charakter, den Rian Johnson dann mit Episode 8 in das Ganze hineinbrachte, stellte Abrams dann noch mal ganz besonders auf die Probe. Plötzliche Wendungen wie Reys unspektakuläre Herkunft oder der Tod des Obersten Anführers Snoke waren mit Sicherheit bei Abrams zuvor nicht angedacht. Die im Episode 9-Trailer konstatierte Rückkehr des längst dahingeschiedenen Imperators Palpatine wirkt da wie ein Ass im Ärmel.
Der für die Fans unantastbaren Original-Trilogie fehlte einst allerdings genauso eine deutliche Struktur. So war Episode 4: Eine neue Hoffnung ursprünglich ein eigenständiger wie in sich abgeschlossener Film, erst mit dem immensen Erfolg von Krieg der Sterne weitete George Lucas sein Weltraum-Märchen zur Trilogie aus. Lucas glaubte sogar derart wenig an diesen Durchbruch, dass er während der Premiere von Episode 4 anno 1977 am Strand von Hawaii entspannte (via Business Insider ).
Darth Vader, dem wohl ikonischsten Bösewicht der Filmgeschichte, wurde im Debütfilm noch lediglich eine Handlanger-Rolle zuteil. In Das Imperium schlägt zurück folge dann die Beförderung zum eigentlichen Antagonisten, der sich als wahrer Vater von Luke herausstellen sollte, ein Twist, der ebenfalls Filmgeschichte schrieb. Ein zunächst fehlendes Konzept kann also auch ein gewisses Potential bedeuten.
Was die Prequels den anderen Trilogien voraus haben
Die meisten Trilogien scheitern jedoch an diesem Punkt, wie es bereits bei den ursprünglichen Solotiteln Fluch der Karibik und Matrix zu sehen war. Selbst für das mehr als 20 Werke umfassende MCU hatten die Macher hinter den Marvel Studios immer einen bestimmten Punkt vor Augen, an dem sie sich festhängen konnten, in diesem Fall Avengers 4: Endgame.
Ebenso lehrbuchmäßig funktionieren die Star Wars-Prequel-Filme. Die Episoden 1 bis 3 bilden im Franchise zwar ein besonders ungeliebtes Kapitel, George Lucas entwarf diese jedoch mit einem klaren Plan. Anders als bei der aktuellen Trilogie oder den Original-Filmen stand vom ersten Film an das Ziel der Reise fest: Es geht darum, den Werdegang vom unschuldigen Anakin Skywalker zum dunklen Sith Darth Vader zu ergründen. Nicht nur für den Autor Lucas ein wichtiges Konzept, auch für die Zuschauer stellte diese Karotte am Angelhaken einen hilfreichen Bezugspunkt dar.
Bei der neuen Sequel-Trilogie fehlt dieser rote Faden. Auch nach zwei Filmen können wir nicht sagen, worauf Helden und Schurken da eigentlich zusteuern. Das ist zwar spannend, aber bislang wenig aufschlussreich und stellt die Macher vor große Probleme. Jedes Mal müssen sich andere Köche an den Story-Herd stellen und sich ein neues Rezept für die Suppe ausdenken. Doch die bereits verteilten Gewürze lassen sich natürlich nicht mehr so einfach neutralisieren.
So wird nun bei jedem Teil für sich umgedacht. Zwar schrieb Abrams schon bei Episode 7 mit, diente aber damals wie heute mehr als Story-Supervisor, denn als zentrale Schreibkraft. So war es vor allem Lawrence Kasdan, der aus Das Erwachen der Macht ein zweites Eine neue Hoffnung schuf und bei Episode 9 bringt Chris Terrio jetzt einen ganz neuen Schwung an Ideen mit sich und das mit jeder Menge Leidenschaft.
Für das große Finale musste sogar George Lucas helfen
“Er brachte diese Perspektive mit hinein, die ich nicht hatte”, so Abrams. ”Natürlich war ich auch aufgeregt, diesen Film zu machen, aber ich dachte vielmehr daran, dass wir so wenig Zeit dafür zu Verfügung hatten.“ Eventuell mussten Abrams und Terrio sogar einige der umstrittenen Entscheidungen von Johnson wieder rückgängig machen. Der Titel des Films lässt das Undenkbare denkbar werden: The Rise of Skywalker deutet an, dass hinter Rey doch noch mehr stecken könnte als nur eine Nachkommin von Schrottsammlern.
Terrio sollte Abrams helfen, ein neues Skript innerhalb kürzester Zeit aus den Angeln zu heben. Laut IGN hat Abrams sogar Star Wars-Schöpfer George Lucas um Rat gefragt, was er mit der Handlung anstellen solle, obwohl dieser seit dem Verkauf der Rechte keinen Einfluss mehr auf die Reihe hat. Dass nun der Imperator wieder aus dem Hut gezaubert wird, soll angeblich einem Einfall von Lucas entstammen. Star Wars könnte glatt ein Kind sein, das mit dem Erwachsenwerden aus dem Elternhaus auszieht, früher oder später dann aber doch wieder ein bisschen Hilfe vom Vater braucht.
Eine zerfahrene Trilogie und Spin-offs voller Entlassungen - kein Star Wars ohne Produktionschaos, umso erstaunlicher ist da, dass ausgerechnet der radikale Die letzten Jedi hier aus dem Rahmen fällt. Der allein von Rian Johnson geschriebene wie inszenierte Film kam rückblickend ganz ohne große Überarbeitungen aus. Johnson darf sogar demnächst eine neue Trilogie erschaffen, der Einheitlichkeit zum Glück dann gänzlich aus eigener Feder. Immerhin: Disney hat dazugelernt.
Star Wars 9: The Rise of Skywalker startet bundesweit am 19.12.2019 in den Kinos.
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