1947 - Schauspieler geben alles im Actors Studio

02.01.2012 - 08:50 Uhr
Protagonisten des Actors Studio
CORBIS / Columbia Pictures / Warner Bros. / moviepilot
Protagonisten des Actors Studio
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Film ohne Darsteller geht nicht und schlechte Darsteller sind noch schlimmer. Eine schauspielerische Strategie, die 1947 in die Filmgeschichte einging, ist das Method Acting. Dem Actors Studio von Lee Strasberg widmen wir heute die Markanten Momente.

„Legt euch alle auf den Boden. Augen zu. Und nun stellt euch vor, ihr seid… Blumenranken.“ Solche und ähnliche Erinnerungen verbinde ich mit fünf Jahren Schauspielunterricht. Was haben wir nicht alles in dieser Schulaula veranstaltet? Wir sind in den unterschiedlichsten Formationen auf dem Fußboden herum gerobbt, haben Loriot -Sketche nachgespielt, die die Hälfte der Teilnehmer nicht verstand, uns in Improvisationsübungen zum Affen gemacht, wir haben uns mit Gabeln überzeugt die Haare gekämmt und verzweifelt bemüht, möglichst authentisch den Löffel abzugeben. Hochgradig unterhaltsam, was so geschieht, wenn eine Gruppe von (Möchtegern)Schauspielern für ein paar Stunden in einem geschlossenen Raum eingesperrt ist.

Auch bei den Arbeiten eines ungleich berühmteren Schauspielerkollektivs hätte ich nur zu gern einmal Mäuschen gespielt. Im Oktober 1947 gründeten der Schauspieler Robert Lewis, der Regisseur Elia Kazan und die Theaterregisseurin und Produzentin Cheryl Crawford in New York City das Actors Studio, das unter der Leitung von Lee Strasberg wenig später zu der berühmtesten amerikanischen Schauspielwerkstätte aufstieg. Schauspieler wurden vom Studio in der West 44th Street angezogen wie Motten vom Licht und so verbinden wir heute sofort Namen wie Marlon Brando, James Dean, aber auch Marilyn Monroe mit dem zugrundeliegenden Prinzip des sogenannten Method Acting.

Nicht nur spielen, sondern leben
Aber von vorn: der russische Schauspieler und Regisseur Konstantin Stanislawski entwickelte gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Schauspieltheorie, der zufolge sich Darsteller mithilfe eines „emotionalen Gedächtnisses“ mit ihrer Rolle identifizieren sollten. Seine Thesen ließen ihn zu einem bedeutenden Theaterreformer werden und beeinflussten die Lehre des Lee Strasberg maßgeblich. Dieser entwickelte Stanislawskis Thesen weiter und schuf so eine Lehrmethode, die sich aus Entspannungs- und Erinnerungsübungen zusammensetzte.

„Players Place“ nannte Mitbegründer Elia Kazan das Studio, das zwar keine eigenständige Ausbildung zum Schauspieler anbot, bereits etablierten Darstellern aber die Gelegenheit gab, ihr künstlerisches Können ohne finanziellen oder publikumsorientierten Druck zu trainieren. Der Studio-Actor berührte sein Publikum, indem er die jeweiligen Szenen nicht nur spielte, sondern unmittelbar durchlebte.

Intensive Milieustudien und massive Gewichtszunahme
Mit Filmen wie Endstation Sehnsucht oder Der Wilde von Marlon Brando und spätestens mit der Teilnahme der Ikone Marilyn Monroe wurde Das Method Acting schließlich auch außerhalb von Theater- und Filmemacherkreisen populär und mit der Zeit waren immer mehr berühmte Namen auf der Absolventenliste des Actors Studio zu lesen: Robert De Niro, Johnny Depp, Al Pacino, Julia Roberts, Anne Bancroft oder Steve McQueen sind nur einige von ihnen.

Ihre neu gewonnenen oder vertieften Fertigkeiten brachten den Teilnehmern des Studios viel Lob und diverse Auszeichnungen ein. Die Vorbereitungen auf die jeweiligen Rollen fielen oft exzessiv aus. Für Der Wilde studierte Marlon Brando beispielsweise Sprache und Auftreten der Mitglieder einer Motorradgang, Robert De Niro legte für seine Rolle eines alternden Boxers in Wie ein wilder Stier ganze 27 Kilogramm an Gewicht zu, und für Jenseits von Eden provozierte James Dean seinen Kollegen Raymond Massey am Set, damit dieser seine Wut letztlich nicht nur spielen musste.

Ein Blick hinter die Kulissen
Schauspielverrückte und Filmbegeisterte mögen angesichts der Vorstellung von einem Raum voller sich auslebender, weltberühmter Schauspielerlegenden vielleicht zur kollektiven Klage anstimmen wollen: Wieso sind wir nur so spät geboren? Nun, auch die Gegenwart hält einige unbestreitbare Vorteile bereit. Moderne Aufnahmetechnik ermöglicht bereits seit 1994 ein großartiges TV-Format namens Inside The Actors Studio (oder im deutschen Ungeschminkt), das hierzulande ab und zu auf den dritten Programmen ausgestrahlt wird.

In Ungeschminkt sehen wir Interviews mit Größen des amerikanischen Films, die sich einem Gespräch und einer offenen Fragerunde mit Absolventen des Actors Studios stellen. Anthony Hopkins, Whoopi Goldberg, Robin Williams, Bruce Willis, Jodie Foster, Kathy Bates, über 200 Filmschaffende waren seit der Gründung zu Gast, ganze 74 davon Oscargewinner. Elf Mal wurde die Serie bereits für den Emmy nominiert. Wie immer erfolgt der Blick in die Vergangenheit also mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Das gilt genauso für meine Erinnerungen an den Schauspielunterricht.

Was die Menschheit sonst noch im (Film)Jahr 1947 bewegte:

Drei Filmleute, die geboren sind
19. März 1947 – Glenn Close, die Marquise aus Gefährliche Liebschaften
30. Juli 1947 – Arnold Schwarzenegger, der Terminator
14. September 1947 – Sam Neill, Dr. Alan Grant aus Jurassic Park

Drei Filmleute, die gestorben sind
06. Februar 1947 – Max Gülstorff, Gerichtsschreiber Licht aus Der zerbrochene Krug
06. März 1947 – Ferdinand Zecca, französischer Stummfilmregisseur
30. November 1947 – Ernst Lubitsch, Regisseur von Serenade zu dritt

Die großen Festival- und Award-Sieger waren unter anderem
Oscars – Die besten Jahre unseres Lebens von William Wyler (Bester Film, Regisseur, Hauptdarsteller)
Goldener Löwe – Siréna von Karel Steklý
New York Film Critics Circle Award – Tabu der Gerechten von Elia Kazan

Die drei kommerziell erfolgreichsten Filme
Die Unbesiegten von Cecil B. DeMille
So einfach ist die Liebe nicht von Irving Rise
Das Ei und ich von Chester Erskine

Drei wichtige Ereignisse der Nicht-Filmwelt
12. März 1947 – Truman-Doktrin und Beginn der amerikanischen Containment-Politik
05. Juni 1947 – die Grundlagen des Marshall-Plans werden bekannt gegeben
15. September 1947 – die Pariser Friedensverträge treten in Kraft

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