Anime im Kino - Mein Abend mit dem Schmerz des Loslassens

28.07.2020 - 19:00 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Hinako und Minato
2019「きみと、波にのれたら」製作委員会
Hinako und Minato
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Gegensätze ziehen sich manchmal tatsächlich an, so auch in der berührenden Liebesgeschichte Ride Your Wave. Doch letztendlich kommt alles ganz anders.

Letzten Monat durften wir dem ungleichen Duo Detektiv Conan und Meisterdieb Kaito Kid bei ihrem neuesten spannenden Abenteuer folgen. Diese Woche geht es hingegen deutlich romantischer und fantasievoller zur Sache, denn in Ride Your Wave wir begleiten eine junge Surferin dabei, wie sie versuchen will, auf der Welle ihres Lebens zu reiten. Wie auf den Wellen geht es dabei natürlich auch für sie auf und ab.

Eine bittersüße Liebesgeschichte

Hinako ist eine lebenslustige junge Frau, die gerade für ein Studium umgezogen ist. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten am Strand, denn als begeisterte Surferin ist sie immer auf der Jagd nach der nächsten Welle. Während einer schicksalhaften Nacht trifft sie den Feuerwehrmann Minato, der ihr das Leben rettet. Obwohl sie sich eigentlich gar nicht allzu sehr ähneln, verlieben sie sich ineinander, doch ein Happy End ist ihnen nicht vergönnt.

Eigentlich wollte Minato nur etwas Surfen üben, um später seine Freundin beeindrucken zu können, doch plötzlich verunglückt jemand. Minato eilt zu Hilfe und stirbt. Hinako ist zu tiefst erschüttert und verliert ihren Antrieb im Leben. Sie zieht sich zurück und will nicht mehr surfen, zu sehr schmerzen die Erinnerungen. Doch plötzlich beginnt sie, ihren verstorbenen Freund im Wasser zu sehen. Ist er vielleicht doch noch bei ihr?

Hinako sieht Minato in einem Wasserglas

Ride Your Wave ist der neueste Film von Regisseur Masaaki Yuasa, der in den letzten Jahren unter anderem Netflix' Devilman: Crybaby inszenierte. Auch wenn die Geschichte seines neuesten Werkes vergleichsweise simpel daherkommt, besticht sie vor allem durch ihre komplex gezeichneten Hauptfiguren. Die Schicksale von Hinako und Minato gehen zu Herzen, auch deshalb, weil im Kern zwei Storys erzählt werden.

Fantasievolle Liebesgeschichte oder Herz zerreißendes Drama?

Zwei Geschichten deshalb, da die Perspektive des Zuschauers großen Einfluss darauf haben kann, wie die Story rund um Hinako und Minato wahrgenommen wird. Zunächst beginnt Ride Your Wave zweifelsohne als Liebesfilm. In einer wunderschön anzusehenden Sequenz sehen wir, wie die beiden einander näherkommen und sich letztendlich verlieben. Dies ist fast schon zu zuckersüß anzusehen, was so ebenfalls die Freunde des Pärchens ihnen mehrfach sagen.

Der Knackpunkt sind die Ereignisse nach Minatos tragischem Ableben. Hinako droht daran zu zerbrechen und weiß lange nicht, wie sie mit ihrem Verlust umgehen soll. Ihre Freunde versuchen, sie zu unterstützen, doch nichts scheint sie aus ihrem Schneckenhaus herauslocken zu können. Bis Hinako plötzlich Minato im Wasser erscheint - in einem Glas, einer Pfütze oder auch dem Waschbecken, überall sieht sie sein Gesicht.

Hinako und Minato zusammen im Wasser

Wann immer Hinako ein Lied singt, dass ihr und Minato viel bedeutet, erscheint ihr Freund ihr im Wasser, um ihr weiterhin beizustehen. Er versprach ihr vor seinem Tod, sie auf ewig zu beschützen und auf ihrem Weg zu helfen. Ja, Ride Your Wave beginnt zwar als Liebesfilm, doch so sehr sich der Zuschauer auch für Hinako freuen mag, dass sie ihren Minato noch einmal sehen kann, hat dies doch einen bittersüßen Beigeschmack.

Unsere junge Heldin steigert sich zusehends in die Vorstellung hinein, ihr Liebster sei noch immer da, dass sie gar nicht realisiert, sich verzweifelt an eine Illusion festzuklammern. Obwohl sie Minato überall sieht, kann sie ihn nicht berühren, ihn nicht umarmen und nicht küssen. In diesen Augenblicken ist es, der Schönheit der Bilder zum Trotz, eine herzzerreißende Geschichte über eine junge Frau, die den Verlust ihres Geliebten nicht verwinden konnte und ihn in ihrer Fantasie wiederauferstehen lässt.

Was braucht es, um ein Leben zu retten?

All dies funktioniert in Ride Your Wave insbesondere deshalb so gut, weil Yuasa die alte Film-Weisheit "Show, don't tell" beherzigt. Uns wird nicht in ellenlangen Dialogen erzählt, wie sich das Paar gefunden und letztendlich verloren hat, wir sehen es, wir erleben es mit. Dies gelingt wundervoll und zieht in letzter Konsequenz uns Zuschauer noch tiefer in diese Welt hinein. All das macht es natürlich umso schwerer mit anzusehen, wie Hinakos Leben aus den Fugen gerät, denn die Dinge werden nie wieder so sein wie zuvor.

Hinako und Minato auf einem Date

Obgleich Ride Your Wave nicht ähnlich vielschichtig und anspruchsvoll aufgebaut ist wie vorherige Werke Yuasas - die Erzählung seines aktuellsten Films ist vermutlich seine bisher simpelste - verhandelt das Werk komplexe Thematiken. Besonders die Themen Liebe und Verlust werden eingehend ergründet, was Dank der vielschichtig gezeichneten Hauptfiguren wunderbar eindringlich funktioniert. Dabei verhandelt der Film noch eine weitere philosophische Frage: Was ist nötig, um ein Leben zu retten?

Ist dazu eine aktive Tat notwendig? Müssen wir, wie Minato, unser Leben riskieren und uns beispielsweise in brennende Gebäude oder die eisigen Fluten stürzen, um jemanden zu retten? Oder gelingt dies womöglich auch anders? Dies ist vermutlich die zentrale Frage des Films, auf die Yuasa keine eindeutige Antwort gibt. Womöglich braucht es manchmal keinen Helden, der Leib und Leben riskiert, sondern einfach nur die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Vielleicht merkt man auch gar nicht, dass selbst eine kleine Geste, ein kleiner Satz, ein ganzes Leben verändern und jemandem helfen kann.

Reite die Welle deines Lebens

All die wunderschönen wie tieftraurigen Momente werden uns dabei im von Yuasas gewohnt eigenwilligen Zeichenstil präsentiert, doch noch nie steckte so viel Leben in den Bildern wie in seinem jüngsten Werk. Geschmeidig wie das Wasser bewegen sich die Charaktere und so brachial wie eine mächtige Welle präsentieren sich die aufwendigsten Momente des Films, auf denen man am liebsten gemeinsam mit Hinako surfen würde.

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Die Bilder sind farbenfroh und voller Leben, was durch den atmosphärischen Soundtrack und die toll aufgelegten deutschen Sprecher vervollkommnet wird. Sicherlich, ein paar Nebenfiguren, etwa Hinakos Studienfreundinnen, kommen zu kurz und die Geschichte von Ride Your Wave ist in ihren Grundzügen altbekannt wie vorhersehbar.

Doch mit ihren universellen Botschaften, die von den lebensecht porträtierten Charakteren gestützt werden, vermag sie es letztendlich, jeden von uns anzusprechen. Und wer weiß, vielleicht hilft der Film auch Dir dabei, die Welle des Lebens ein Stückchen besser zu reiten.

Ride Your Wave läuft nur heute, dem 28. Juli 2020, im Rahmen der KAZÉ Anime Nights in ausgewählten deutschen Kinos.

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