Nach dem Ende von Bridgertons dritter Staffel warten wir gespannt darauf, wer in Staffel 4 zur neuen Hauptfigur aufsteigt. Showrunnerin Jess Brownell grenzte es gegenüber Glamour bereits auf Benedict, Eloise oder Francesca ein. Ein versteckter Bridgerton-Hinweis auf einen Maskenball macht Benedict derzeit klar zum Vorreiter. Doch wenn der zweitälteste Bruder als Nächstes die Führung übernimmt, muss die Netflix-Serie hart daran arbeiten, ihn zum würdigen Protagonisten zu machen. In der Vergangenheit lief nämlich einiges schief, ihn uns schmackhaft zu machen.
Benedict Bridgerton ist aktuell nicht interessant genug für Staffel 4
Nachdem Benedict Bridgerton (Luke Thompson) in der Reihenfolge der 8-teiligen Romanreihe zugunsten von Penelope und Colin übersprungen würde, wäre es nur gerecht, seine Geschichte aus Julia Quinns drittem Buch in Staffel 4 nachzuholen. Doch während nach Daphnes Liebesgeschichte in Staffel 1 die Vorfreude auf Anthony in Staffel 2 und dann auf Colin/Penelope in Staffel 3 groß war, weckt die Aussicht auf Benedict als Hauptfigur wenig Begeisterung. Woran liegt das?
Eigentlich ist Benedict Bridgerton charmant und sympathisch: Er hat Humor, ist gegenüber Neuem aufgeschlossen und liebt seine Familie. Trotzdem blieb er in der Netflix-Serie bisher eine Randfigur ohne echte Richtung. Dass er Gentleman-Clubs besucht und seinen Brüdern beim Fechten zusieht, macht ihn zu keiner interessanten Figur.
Vor allem beim Karussell seiner Liebeleien fällt auf, wie wenig Einblicke in seine Psyche die Serie bisher gab: Staffel 1 führte ihn an der Seite des schwulen Henry Granville in alternative Zirkel der Gesellschaft ein, dann landete er aber schnell mit Modedesignerin Genevieve Delacroix (Kathryn Drysdale, Staffel 1), Malerei-Model Tessa (Emily Barber, Staffel 2) und Witwe Tilley Arnold (Hannah New, Staffel 3) im Bett. Seine Hobbys und Zukunftspläne wechselt er ohnehin so häufig wie Unterwäsche. Der Traum der Kunstschule ist in Staffel 3 zum Beispiel schon wieder passé. Doch was bleibt dann noch, um Benedict Alleinstellungsmerkmale und einen echten Charakter zu geben?
Benedict ist in Bridgerton der Suchende, aber seine Suche braucht eine Richtung
Am ehesten greifbar wird Benedict noch bei den wiederkehrenden Szenen auf der Schaukel im Garten: Als Bezugsperson seiner Schwester Eloise (Claudia Jessie) ist er ihr zugewandt, wenn die zwei Außenseiter ohne Heiratsambitionen sich im Privaten austauschen und einander Halt bieten. Zuletzt schob Schauspieler Luke Thompson Benedicts romantische Wankelmütigkeit gegenüber Deadline aber auch auf ebendiese (zu) gute Beziehung zu seiner Schwester: Eloise schenkte Benedict genug "emotionale Intimität", sodass er sie nicht bei jemand anderem suchen musste.
Mit Eloises Weggang nach Schottland an der Seite von Francesca (Hannah Dodd) am Ende von Staffel 3 könnte Benedict diesen schwesterlichen Rückhalt verlieren. Doch bringt ihn das aus seiner passiven Perspektive heraus? Schüchtern ist er nicht. Eher ein unauffälliger Mittelfeldspieler, der sich weder als extrem extrovertiert noch besonders introvertiert hervortut. Ein Held muss aber aktiv seinen eigenen Lebensweg verfolgen. Nur bisher durften wir leider nicht hinter Benedicts Fassade sehen oder miterleben, wie er wenigstens einmal seine Fassung verlor.
Benedict Bridgerton soll uns in der Netflix-Serie offenbar als jemand verkauft werden, der noch auf der Suche ist. Doch ohne zu wissen, was er sucht, fällt es schwer, an seinem Schicksal Anteil zu nehmen. Die Menage-à-Trois am Ende von Staffel 3 könnte seiner Rastlosigkeit endlich eine Richtung geben, doch muss die Netflix-Serie hier aufpassen, seine Sexualität nicht als Mittel zum Zweck zu nutzen.
Benedicts Bisexualität ist ein spannender Schritt für Staffel 4, aber Vorsicht
Staffel 3 endet mit einem flotten Dreier für Benedict, bei dem er nicht nur mit Lady Tilley, sondern gleichzeitig auch mit Paul Suarez (Lucas Aurelio) ins Bett steigt. Damit klärt Bridgerton nach drei Staffeln Ungewissheit zumindest endlich die Frage nach Benedicts Sexualität: Er ist bisexuell bzw. pansexuell, also bei seinen Liebschaften nicht auf Geschlechter, sondern Personen bezogen. "Wir werden seine Fluidität weiter erforschen", versprach Showrunnerin Brownell im Interview mit The Wrap .
Die Auslotung von Benedicts sexueller Ausrichtung ist ein wichtiger Schritt, um seiner Persönlichkeit eine spannende Facette zu verleihen. Zugleich muss die Netflix-Serie aber aufpassen, kein falsches Bild zu vermitteln: Den Eindruck zu erwecken, dass der Bridgerton-Spross in der Vergangenheit so unbeständig und sprunghaft war, weil er bi ist, wäre äußerst bedenklich. Vorurteile gegen bisexuelle Menschen, die sich "nicht entscheiden können", gibt es schließlich schon genug.
Wenn Bridgerton in Staffel 4 mit dem schon angedeuteten Maskenball an der Aschenputtel-Geschichte der Benedict-Buchvorlage festhält, steht außerdem die Frage im Raum, wie die Serie mit seinem potenziellen Love-Interest Sophie umgeht. Wird sich Sophie an Benedicts sexueller Freiheit stoßen? Bekommen wir einen Gender-Switch wie bei Michaela Stirling? Oder erwartet uns sogar eine Transgender-Figur?
Es gibt zu viele Möglichkeiten und zu wenige Wegweiser, um jetzt schon genüsslich über Benedicts Zukunft spekulieren zu können – oder überhaupt zu wollen. Vorfreude sieht anders aus. Die Serie hat Benedict so lange vernachlässigt, dass er für Staffel 4 unattraktiv geworden ist. Eigentlich wird es höchste Zeit, endlich tiefer in seine Figur einzutauchen, bevor er uns ganz entgleitet. Doch dafür wird Bridgerton Benedict gehörig aufbrechen müssen, um sein Innenleben endlich auch zu unserer Herzensangelegenheit zu machen.
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