Miyazakis Vision
Wenn man die auf Filme von Studio Ghibli zu sprechen kommt, lässt es sich in den meisten Fällen kurz zusammenfassen: “Liebt man einen, liebt man alle.“. Detaillierte Vergleiche der Filme untereinander oder eine konkrete Auseinandersetzung ist selten zu finden. Zu überwältigend sind die Bilderwelten, zu eindeutig die Message „Gegen Naturzerstörung und für ein besseres Verständnis zwischen Natur und Mensch“, um Motive und Intention von Hayao Miyazaki gezielter zu hinterfragen. Dabei ist es gerade Miyazakis Erzählweise und die damit verbundene Hingabe, die erklären können, welche Faszination seine Anime hervorrufen. Es gibt mir die Möglichkeit zu beschreiben, warum ich Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde einen Lieblingsfilm nennen kann.
Gehen wir einen Augenblick zurück in das Jahr 1984, Hayao Miyazaki hat bisher neben diversen anderen Anime bei 2 erfolgreichen Lupin Verfilmungen Regie geführt und plant nun seinen Manga aus eigener Hand, Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde, mit Hilfe, seines in der Entstehung befindlichen Studio Ghibli, zu verfilmen. Wie erwartet kann der Anime national an den Erfolg des 1982 entstandenen Mangas anknüpfen und wird sogar preisgekrönt. Darauf soll sich natürlich ein Export nach Europa und den USA anschließen.
Doch hier fällt"Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde (Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde)":/movies/nausicaae-prinzessin-aus-dem-tal-der-winde der rigorosen Schnitt- und Synchronisationspraxis westlicher Rechteinhaber der 80er zum Opfer. Dieser Vorgang beschädigt nicht nur Miyazakis Verhältnis zu Veröffentlichung seiner späteren Anime für westliches Publikum, sondern beeinflusst zudem die öffentliche Wahrnehmung seines gesamten Schaffens bis heute. Betrachtet man Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde als Erstlingswerk, kann ich mir vorstellen, dass Hayao Miyazaki seine persönlichen Motive und Intention ohne Kompromisse verwirklicht sehen wollte, was entsprechenden Einsatz und Aufrichtigkeit seinerseits erfordert haben muss.
Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde bildet daher für mich die Basis für seine darauffolgenden Anime und ist der Anfang einer Entwicklung und Verfeinerung des Erzählstils von Hayao Miyazaki über Das Schloss im Himmel bis hin zu Chihiros Reise ins Zauberland. Dieser Gedanke wird natürlich konterkariert von dem zeitlichen Ablauf der Veröffentlichung der genannten Anime für das westlichen Publikum. Noch bis zum Oscargewinn von Chihiros Reise ins Zauberland galt Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde als Geheimtipp und galt nicht selten als bloße filmische Beigabe des schon Jahre vorher verfügbaren Manga.
Dabei ist bei der Betrachtung von Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde die Art und Weise der Charakterentwicklung sowie die Erzählstruktur von Hayao Miyazaki in der ursprünglichsten Form zu sehen, während die späteren Anime meiner Ansicht nach sichtbare und spürbare Konzessionen an ein eher kommerziell orientiertes Kinopublikum machen.
Allein durch das, für mich genialste, Intro eines Anime kann man erkennen, welche Ausdruckskraft in Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde liegt. Das Bild setzt ein und zeigt eine postapokalyptische Welt, deren Ökosystem zerstört und Zivilisation einer lebensfeindlichen Wüste gewichen ist. Es ist ein einsamer Wanderer, der diese Wüste nur unter Ganzkörperschutz durchstreift, und die Ausbreitung des Verfalls registriert. Nachfolgend genannt Lord Yupa, trotz seiner kurzen Auftritte im gesamten Anime, die wichtigste Bezugsperson für Nausicaä, da beide das gleiche Ziel auf unterschiedlichen Wegen verfolgen. Ein Zusammenleben von Mensch und Natur wieder zu ermöglichen. Auf der einen Seite Yupa als Vertreter der älteren Generation und geformt durch die Eindrücke des Krieges und anschließender Verwüstung, lässt sich von einer defensiven Sichtweise leiten und handelt im Sinne einer Bewahrung des noch verbliebenen Lebensraumes und dem bestmöglichen Schutz desselben.
Dem gegenüber sieht man nach dem Vorspann Nausicaä elegant und furchtlos mit ihrem Gleiter die Wüstenumgebung außerhalb ihrer Heimat erforschen. Mag ihr Erkundungstrip auf den ersten Blick auch als Begehung einer toten Umwelt erscheinen, hat sie den Schlüssel doch bereits in der Hand und beginnt die Mechanismen der Natur zu erkennen und nachzuvollziehen. Den ängstlichen Vorstellungen und Schutzbestimmungen ihres Volkes zum Trotz, gibt sie ihrer Neugier und ihrem Entdeckungsdrang nach und steht mit ihren neu erlangten Kenntnissen einzig dem verinnerlichten Glauben der Talbewohner an eine tödliche Außenwelt und dem Tal der Winde als letzten Rückzugspunkt gegenüber.
Hier setzt der Film ein und bietet mit seinem Fantasy-Setting und dem Steampunk-Einfluss nach fast 30 Jahren (für Animationsfilm eigentlich eine Ewigkeit) immer noch ein einzigartiges Filmerlebnis.
Viel Spaß.
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