Lana del Rey - Paradise
Jahr: 2012
Genre: Soul
Anspieltipps: Cola, Body Electric, Blue Velvet
Kurz nach ihrem fulminanten Durchbruchsalbum "Born to Die" veröffentlichte Soulsängerin Lana Del Rey eine Deluxe Edition desselben, genannt "The Paradise Edition"; neben den 12 regulären Songs war dieser Ausgabe noch eine weitere CD mit 8 neuen Titeln beigelegt. Wie bereits zuvor Lady Gaga mit ihrem "The Fame Monster"-Projekt erschien diese neue Disc allerdings auch seperat als eigenständiges Werk, wobei bei beiden je nach Angabe variiert, ob es als EP oder Album durchgehen soll. Wie dem auch sei, es ist reviewbar und von daher widme ich mich diesem Tonträger. Bei solchen Veröffentlichungen besteht immer ein gewisser Zweifel. Wenn es sich hier ursprünglich "nur" um eine Bonus-CD handelte, können diese Lieder auch als eigenständiges Werk bestehen, oder erscheint es wie eine Sammlung zweitklassiger Ware? Gagas oben erwähntes "The Fame Monster" war hier um ein Vielfaches besser als die Hauptdisc und bis zul heutigen Tag sogar ihr bestes Werk überhaupt, wie sieht es bei Kollegin del Rey aus?
"Paradise" erscheint erst einmal wie eine klassische Ergänzung zu "Born to Die", ein Spinoff, wenn man so will. Die 8 Songs führen genau dort fort, wo das Blockbusteralbum aufgehört hat, bietet denselben Stil und die gleiche Prämisse, aber auch die gleiche hohe Qualität. Del Rey ist eine Sängerin mit magisch-eleganter Ausstrahlung, deren Stimme so hypnotisch über die Instrumente streift wie die Kamers eines David Lynch-Films über das Geschehen, und genau dieses Talent, den Zuhörer in den Bann zu ziehen, setzt sie effektvoll auf "Paradise" ein. Ihre Version von "Blue Velvet" ist dabei nahezu genauso mysteriös anmutig wie Lynchs Variante. Del Rey war immer schon eine Virtuosin der leisen Töne und auch hier weiß sie dieses Können bestens einzusetzen. Sind wir gewohnt, sehr pathetische Gesangsarien und besonders kraftvolles Belting als guten Gesang zu umjubeln, führt uns del Rey geschickt und kunstvoll vor, dass man mit Ruhe und Grazie eine mindestens genauso magische Wirkung erzielen kann. Und sei es nur, um uns zu sagen, dass ihr Schambereich nach Pepsi Cola schmeckt.
Dabei wirkt sie, die sich selbst wenig inszeniert, deutlich irrealer als extravagante Diven a la Lady Gaga oder Nicki Minaj. Wieso ist ihre Musik so sirenenhaft, klingt so verlockend und einladend, mystisch, graziös und versetzt in einen nahezu tranceartigen Zustand? Vielleicht das Wechselspiel zwischen unschuldiger, hoher Stimme, selbstbewusster, tiefer Stimme und ungewöhnlichen Texten? Vielleicht das niedrige Tempo der Musik, das Fehlen eines dramaturgischen Höhepunkts oder der Hall, der auf den Arrangements und ihrem Gesang liegt? Wohl alles zusammen. Die 8 Songs auf "Paradise" sind unmöglich nur nebenbei zu hören. Ab dem ersten Einsetzen ihrer Stimme hat uns Lana del Rey fest im Griff, und verlangt uns durchgängig ihre volle Aufmerksamkeit ab. Ich halte sie für eines der größten Talente, welches die 2010er Jahre hervorgebracht haben, und diese EP ist der beste Beweis für ihr Können.
★★★★1/2 (4 1/2 von 5)
Dat Adam - Hydra 3D
Jahr: 2016
Genre: Cloud-Rap, Experimental, Trap, Electronica
Anspieltipps: Sanageyama, horrible_person, No Worries, HYDRA 3D
Ytitty, ApeCrime, JuliensBlog, Liont - viele bekannte deutsche YouTuber haben es sich nicht nehmen lassen, ein Musikalbum aufzunehmen, um ehrlich zu sein meist mehr schlecht als recht. Generell versuchte man, den typischen Charakter und den Humor der Videos in die Songtexte zu verpacken, allerdings blieben Musikalität und Eigenständigkeit der Songs auf der Strecke. Wer Fan der jeweiligen Internetkünstler ist, kann oftmals sicherlich darüber lachen, doch als in sich geschlossene musikalische Projekte taugen eigentlich keine YouTube-Alben wirklich etwas (trotzdem stehe ich diesen deutlich wohlwollender gegenüber als die meisten Kritiker, die zumeist vorgefestigte Meinungen aufweisen). Hinter dem Pseudonym Dat Adam verbergen sich nun die YouTube-Stars Taddl und Ardy, sowie der Musikproduzent Marley, und dass sie weder ihre YouTube-Namen verwendeten noch auf dem Cover zu sehen sind, sagt einiges darüber aus, wie ernst die Künstler ihr Werk nahmen. Beide Frontmänner stellten alle ihre Videos auf privat, und zogen sich für eineinhalb Jahre komplett aus der Öffentlichkeit zurück, um sich auf das Musikprojelt zu konzentrieren. So sehr ich diesen Move ihren YouTube-Fans gegenüber, die sich die alten Videos nun nicht mehr ansehen können, auch kritisiere, es zeigt doch recht deutlich, dass die Musikgruppe Dat Adam - im Kontrast zu den musikalischen Ergüssen ihrer YouTube-Kollegen - keine Promo-Einlage zur Bewerbung der Kanäle der Mitglieder darstellt, sondern einfach eine Gruppe junger Musiker, von denen zufälligerweise ein paar zusätzlich auch noch auf YouTube unterwegs sind. Das Album und eventuelle zukünftige Erscheinungen sind richtige und eigenständige Werke und Herzensangelegenheiten dreier Freunde, die gemeinsam Musik machen wollen. Da das nun gleich vorab aus dem Raum ist, kommen wir nun zum eigentlichen Album.
Als ich die Musik von Dat Adam erstmals hörte, war ich zugegebenermaßen etwas skeptisch. Trap-Beats sind jetzt gerade der neueste Trend der deutschen Hip-Hop-Szene, weshalb ich zunächst annahm, man wollte etwas auf dem Zug aufspringen. Dies geht sich allerdings zeitlich mit der Produktionsgeschichte nicht aus. An dem Album wurde so lange getüftelt, dass es bereits lange vor Flers revolutionärem "Vibe" den jetzigen Sound gehabt haben müsste, außerdem erschien von dem Trio bereits 2015 eine EP, ebenfalls mit Trap-Musik. Tatsächlich orientierten sich Dat Adam an einem in erster Linie in den USA verbreitetem Subgenre, dem Cloud-Rap. Dieser zeichnet sich durch verwaschene Synthesizer und künstlich bewusst stark eingesetztes Autotune aus. Zu Autotune gibt es in meinen Augen eine gewissen Richtwert, ab wann der Effekt passend oder störend ist. Wird er bewusst eingesetzt, um futuristisch, künstlerisch, etc. zu klingen, klingt das richtig gut (Beispiele: Cher, Kanye West), wenn es wahllos eingesetzt wird, weil es gerade der Standard ist, dann törnt das doch ziemlich ab (Sun Diego, Wiz Khalifa). Bei Dat Adam merkt man recht rasch, dass an dem Klang des Effektes lange gefeilt wurde, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Und man hält es kaum für möglich: das Album gehört zu den experimentellsten, die ich seit Langem irgendwo in Mainstreamnähe gehört habe. In seinen radikalsten Momenten schlägt es in Sachen Arthausigkeit sogar Kanye Wests "Yeezus", wenngleich es dessen extrem hohe Qualität freilich nicht erreicht. Dafür gibt es hier hochwertige Anti-Melodien, die an postapokalyptische Welten erinnern. Die musikalische Struktur ist noch irgwndwo zu erkennen, aber auf den meisten Songs herrschen keine regulären Beats, sondern rhythmische Geräuschkulissen vor, zusätzlich noch durch Hall und/oder Rauscheffekte bearbeitet, die Stimmen der Leadsänger/-rapper sind bis zur Unkenntlichkeit verfremdet (auf "horrible_person" gibt es das krasseste Autotune-Gewitter seit Kanyes "Runaway"-Song). Wie am Cover zu sehen orientiert man sich an elektronischen und videospielartigen Elementen, jedoch werden diese komplett wirr angeordnet; es fühlt sich an, als hätte sich ein Glitch selbstständig gemacht und ein Musikalbum komponiert. Zwischenzeitlich wird dann extrem hart mit den virtuell und digital klingenden Songs gebrochen, denn "Lennon 1" ist acapella vorgetragen, und offenbar nicht in einem Studio, sondern mit einem qualitativ nicht hochwertigen Mikrofon, vielleicht einem Smartphone, aufgenommen worden - Hintergrundgeräusche inklusive. Hiermit wird die enorme Künstlichkeit des Rests des Albums bizarr kontrastiert. Ein sehr eigenes und schwer zu beschreibendes Hörerlebnis. Besonders intensiv wird es auf "Sanageyama", in welchem regelrecht ins Mikro gebrüllt wird - und ich meine nicht im Sinne von Marilyn Manson, sondern Brüllen im Sinne von es nicht mehr aushalten, was gerade auf der Welt los ist. Dat Adam kritisieren ein System, von dem sie lange genug Teil waren, und zwar komplett aus dem Bauch heraus; da wird auf Ästhetik geschissen, um dafür einfach mal das herauszuschreien, was das Innere komplett zerfrisst.
Wie Taddls und Ardys doch größtenteils recht junge Fangemeinden dieses sehr erwachsene Klangexperiment aufnehmen werden, ist noch nicht ersichtlich, aber um die Musik von "Hydra 3D" verstehen und konsumieren zu können erfordert es schon ein gewisses Niveau, mit welchem man vielleicht so nicht gerechnet hat. Ich bin jedenfalls weiterhin interessiert und hoffe, dass sich das Trio auch zukünftig für Musik zusammentut, auch wenn Taddl seinen Kanal wieder eröffnet hat. Ich denke aber, es wird eine Verlagerung stattfinden: fortan ist er kein Musik machender YouTuber mehr, er ist Musiker, der nebenbei auch auf YouTube tätig ist.
★★★★1/2 (4 1/2 von 5)
Blood on the Dance Floor - Epic
Jahr: 2010
Genre: Crunkcore, Eurodance, Bubblegum Pop
Anspieltipps: Lose Control, Sexting, Sugar Rush, It's On Like Donkey Kong
Projekt iTunes ist geglückt - "Epic" war das erste von mir heruntergeladene Album, aber ich bleibe dem Format CD freilich weiterhin treu, lediglich, wenn es Alben nicht (mehr) in dieser Form zu kaufen gibt, wird heruntergeladen.
Was wäre eine Folge "Dingo's Musikecke" ohne eine Blood on the Dance Floor-Review? Naja, immer noch eine Folge "Dingo's Musikecke", aber es hat doch irgendwie schon Traditionscharakter, außerdem umfasst das Output des Duos noch genug Material, um mindestens noch die nächsten 5 Folgen mit jeweils einer Review zu versehen.
Ich bin in vergangenen Reviews schon oft genug auf die Bandgeschichte eingegangen, also werde ich es diesmal sein lassen. Wisset nur, dass "Epic" vor dem radikalen Stil- und Qualitätsumbruch "Evolution" entstand und unter Fans gemeinhin als ihr bestes Album gilt, was ich, um es mal vorwegzunehmen, definitiv nicht unterschreibe. Sehr wohl ist es aber das beste in ihrer Amateurphase.
Das Blood on the Dance Floor, das auf diesen 21 Songs plus Outro zu hören ist, gab es bereits seit mehreren Jahren nicht mehr, und man kann dieses 6 Jahre vor ihrer Trennung entstandene Stück keinesfalls mit Überwerken wie "The Anthem of the Outcast" oder "Bad Blood" zu vergleichen. 2010 war BOTDF synonym mit eurodance-artiger Gute-Laune-Musik im Stile von Aqua, jedoch mit deutlich vom Hip-Hop geprägten Elementen; von Tiefgang, Emo-Klängen und höchst emotionalen Reaktionen der Band auf den Internet-Hass keine Spur. Trotz des düsteren Cover-Artworks finden sich unter den vielen Tracks von "Epic" nahezu ausschließlich spaßige Party-Songs, die vor Allem durch nicht jugendfreie Texte aus der Masse hervorstechen. Keiner der beiden hätte damals wohl damit gerechnet, dass sie 2 Jahre später eine ganz andere Zielgruppe ansprechen würden. Trotz des Songs "Haters Make Me Famous" war noch nicht abzusehen, welchr Hetztiraden über die Band herniederbrasseln würden, sodass ich mir gut vorstellen kann, dass Dahvie Vanitys Leben, hätte er keine treue Fanbase, verpfuscht wäre - kleines Recap: ein One Night-Stand mit einem 17-jährigen Fan sowie etliche in meinen Augen eher tagträumerische Statements von besonders jungen Fangirls, die damit protzen, mit ihrem Idol eine Nacht verbracht zu haben, haben dazu geführt, dass man ihn als pädophil abstempelte, was ich mir persönlich nicht vorstellen kann, man hat wohl eher ein paar kreischende Fans zu ernst genommen. Aber das soll hier gar nicht weiter zur Debatte stehen, ich reviewe hier die Musik und nicht eine von 2 Personen dahinter. Jedenfalls haben diese Vorwürfe dem musikalischen Output der Band sehr geholfen, die weiteren Alben würden düsterer, man traute sich an ernstere Themen heran und klang generell viel weniger unbeschwert. Waren die beiden Musiker auf "Epic" sicherlich noch deutlich unbeschwerter, die Musik selbst ist wenig experimentierfreudig und um einiges simpler. Eingängige Refrains, frech-witzige Texte, stampfende Beats im 90er Jahre-Style und ein gewisser Hang zur Freakiness dominieren das Album. Die Raps sind Dahvie Vanity zumeist zu schnell und er wirkt etwas in Atemnot, und beim Singen setzt er ausgiebig auf das Programm Autotune, um zu kaschieren, dass er im Grunde kein begnadeter Sänger ist. Ich finde, dass er hier, in Betracht der technohaften Natur der Songs, eher wie ein Gimmick als wie ein Hilfsmittel klingt. Ich begrüße die Entscheidung, ihn auf späteren Alben unbearbeitet singen zu lassen, auch, wenn seine Stimme nicht die beste ist, denn auf Songs, die auf E-Gitarre und Schlagzeug setzen, passt Autotune nur, wenn man Lil Wayne heißt. Der bekannteste Song des Albums ist "Sexting", eine sexuell ziemlich explizite Eurodance-Nummer, die mir beim ersten Hören ein O-Zone-Flashback verpasst hat. Es war der erste Song, den ich von der Band kannte, und ihr könnt euren Arsch verwetten, ihr hätte damals niemals gedacht, dass das einmal eine meiner Lieblingsbands werden würde. Jedenfalls fand ich den Song frech lustig, den flotten Beat mit all seinen Piepsern schön durchgeknallt und die Hook extrem eingängig. Das war für den Sommer genau das Richtige für mich, obwohl ich nicht damit rechnete, dass mir dieselbe Gruppe brillante Songs wie "Unforgiven", "Your Sorry Life" oder "Unchained" schenken würde. Auch der Rest von "Epic" hält die Prämisse ausgesprochen gut und wirkt dabei ungewöhnlich fokusiert. An ParaPara-Musik erinnernde Beats, die man sonst nur von wilden japanischen Eurobeat-Bands kennt, leicht verdauliche Texte und simple, einprägsame Melodien. Auch der Lovesong "Lovestruck" ist sicher der Hit auf jeder verspielten Rave-Party, und die ab und an auftretende Affinität zum Horrorcore-Genre ("Sluts Get Guts", "Death to Your Heart!") erscheint sehr tanzflächenreif - den meisten Pop-Appeal besitzt aber zweifelsohne das extrem stampfende "Sugar Rush". Das ist sicherlich nicht genial, aber es macht doch zuemlich Spaß für ganze 75 Minuten.
Aber es gibt auch ein paar Ausreißer aus dem Stil: Mit "Lose Control" bekommen wir ihren ersten Song im späteren Stil geliefert. Hier wird die Elektronik verdammt rockig eingesetzt und der Beat klingt bereits viel dubstepartiger als auf dem Rest des Albums, das könnte man durchaus auch auf "Evolution" finden. "Believe" stellt eine von Akkustikgitarre dominierte Ballade dar, die trotz ihres kitschigen Textes wohl wegweisender für den weiteren Verlauf der Band als man es hier vermuten würde, wo das Lied eher wie ein Frendkörper erscheint. Eines meiner Favoriten des Album ist jedoch das Hip-Hop-artige "It's On Like Donkey Kong" und das, obwohl es mit VIEL ABSTAND den schlechtesten Text hat, den Vanity je vorgetragen hat ("My cum's so chunky, it's like an Oreo McFlurry", "It's wrong wrong wrong like Gaga's got a ding dong") unf das auch nicht immer auf dem Takt. Warum ich es trotzdem feiere? Zuerst mal: Jayy von Monroe zerstört absolut alles, wirkt richtig verrückt und rappt ziemlich geil, außerdem sind Beat und Hook gewohnt fantastisch (den Song mit einer Chipmunkstimme enden zu lassen hätte man sich aber sparen können).
Letzten Endes ist "Epic" ein ziemlich spaßiges Guilty Pleasure für Liebhaber von Bands wie Aqua, Toy-Box, O-Zone, und ähnliches. Beurteilt die Band aber bitte nicht aufgrund dieses Albums, sie haben sich über die Jahre so dermaßen gesteigert und sind nahezu unrealistisch viel herangereift, dass man es kaum für möglich hält, dass es sich um dieselben Musiker handelt.
PS: Dieses Album bekommt dieselbe Wertung wie ihr Album "Scissors", obwohl dieses um ein Vielfaches gelungener, reifer und professioneller ist, einfach weil der Spaßfaktor hier der größere ist.
★★★☆☆ (3 von 5)
Thirty Seconds to Mars - A Beautiful Lie
Jahr: 2005
Genre: Alternative Rock, Emo
Anspieltipps: Attack, Hunter [Hidden Track], The Story
So, das war also mein erstes Thirty Seconds to Mars-Album. Mich wundert es, dass ich mir so dermaßen lange Zeit gelassen habe, denn eigentlich müsste much diese Band wirklich ansprechen und exakt in mein Beuteschema passen: emotionale Texte, melodramatische Rock-Aufmachung und ein Sänger, der nicht nur verdammt gut schauspielern kann, sondern auch die perfekte Stimme für das Alternative- und Emo-Genre aufweist. In einigen Momenten melancholisch, in anderen wieder sehr aufgewühlt, wobei die Stimmbänder in kratzigen Screamo-Gesang übergehen, der hier aber absolut passend in die Melodie eingefügt wird und nie nach Gröhlen klingt. Es klingt nach der idealen Mischung und müsste absolut perfekt in meinen Geschmack passen. Man merkt es vielleicht schon an meiner Formulierung, so ganz überzeugen konnte mich das Album dann leider doch nicht so richtig. Das Wirre an der Geschichte ist, ich habe keine Ahnung, weshalb, denn es hat mich zu keiner Zeit enttäuscht und ich habe im Grunde absolut nichts daran auszusetzen.
Nach dem ersten Mal hören ging ich sehr gut gelaunt aus dem Album heraus - das ist, trotz des zumeist sehr schweren Inhalten, die von Melodram, Gefühlskrisen und Zerrissenheit nur so strotzen, erstmal etwas sehr Gutes. Der Klang, die Melodien und einfach das Gesamtpaket hinterließen einen fabelhaften Eindruck, und so war ich mir sicher, dass das Album in meiner Sammlung von emohafter Musik (was auch Alternative Rock, Nu Metal, Crunkcore, Metalcore, usw. einschließen kann, sofern es in den Emo-Lifestyle passt) gut aufgehoben sei. Allerdings fiel mir bald auf, dass nach dem Ende der CD nichts von der Musik an mir haften blieb. Trotz eines unwerfenden Sounds und absoluter technischer Perfektion fehlte es "A Beautiful Lie" an diesem gewissen Haken, den Musik braucht, um sich fest zu verankern. Das Besondere, Unverwechselbare vielleicht, vielleicht ein Ohrwurm, vielleicht auch ein gewisser Patzer, der das Ganze nicht so glatt erscheinen lässt. Wir haben insgesamt 12 Songs, 2 davon Hidden Tracks (eine davon eine gelungene Coverversion von Björks "Hunter"), und einen kurzen Song, der nach einer überlangen Stillepause ans Ende von Track 10 gehängt wurde - aber dieser eine Funke, der mir sagt "Mann, ist das vielleicht was Endgeiles!", der will nicht so richtig überspringen. Das Album lässt sich ohne irgendwelche Tiefpunkte vom Anfang bis zum Ende komplett durchhören, gerne auch mehr als einmal; es geht runter wie Öl, aber leider ist es danach auch schon wieder weg. Und das, obwohl alles perfekt auf dem Punkt sitzt, an dem es sein muss. Vor Allem bei Musik, die auf Screamo setzt, ist das eine hohe Kunst. Ich kann mich wirklich über kein Detail dieses Albums aufregen, und im Grunde habe ich eine Vielzahl an guten Argumenten, warum das hier eines meiner Lieblingsalben sein müsste. Aber leider spüre ich es nicht, kann es nicht verinnerlichen, habe nicht wirklich Lust auf mehr. Und im Regal frohlocken bereits meine My Chemical Romance- und Black Veil Brides-CDs, die mich mit ähnlichen Zutaten auch nach dem x-ten Durchlauf immer noch befriedigen - was stimmt nicht mit mir?
★★★☆☆ (3 von 5)
Queensberry - Volume 1
Jahr: 2008
Genre: Pop
Anspieltipps: No Smoke, I Can't Stop Feeling, Stiletto Heels
Mir alte Castingstars aus den 00er Jahren anzuhören ist immer ziemlich spannend. Wenngleich ich nach wie vor immer noch sehr gerne Popmusik höre, hat sich meine Sicht speziell auf diese Sparte doch sehr verändert und gerade hier gibt es viele Interpreten, von denen ich zwar die Alben (oder bei weniger erfolgreichen Projekten "das Album") besitze, mir die Musik darauf aber nicht mehr gefällt. Das gilt natürlich nir für deutschsprachige Castingshows, Ameika und Großbritannien bringen eigentlich zumeist ziemlich gute Künstler hervor (Kelly Clarkson, Leona Lewis). Bei der Sendung "Popstars" ist es immer ein gewisses Glücksspiel, ob das Output der Staffelsieger halbwegs ordentlich oder ein Griff ins Klo sein würde. No Angels oder Monrose haben ja eigentlich recht eingängige und spaßige Guilty Pleasure-Popmusik zu verzeichnen (und auch mehr als ein Album vorzuweisen), aber das, was mit dem einzigen Some & Any-Album an unfertiger und unausgereifter Materie losgelassen wurde, ist ja kaum mehr tragbar. Da hab ich doch ein altes Queensberry-Album wieder ausgegraben, um mir auch davon ein frisches Bild machen zu können. Es handelt sich hier um eine Girlgroup, und mit denen hatte man in der Vergangenheit den meisten Erfolg, vielleicht hat man sich ja wieder etwas Mühe mit dem Album gegeben - immerhin hat das Projekt ja 3 vollwertige Alben hervorgebracht, also kann es kein Totalreinfall sein, oder?
Um es gleich einmal kurz zusammenzufassen: schlecht ist "Volume 1" nicht direkt, aber ziemlich langweilig. Man hat schon deutlich mieseres in der Welt der künstlich fabrizierten Popmusik gehört, aber eben auch viel besseres. Es ist alles da: mit "No Smoke" haben wir die obligatorische, deutlich herausstechende Hitsingle (wenngleich ein Cover), "Bike" ist ganz Gwen Stefani-like hip-hop angehaucht, "Dr. Blind" springt auf den Amy Winehouse-Zug auf, "Sorry", "Why Should I Believe in You" und "Stiletto Heels" bieten etwas für die zartbeseiteten Balladenliebhaber, "Over You" klingt verdächtig nach Destiny's Child und "I Can't Stop Feeling" wäre eine ideale Wahl für die zweite Single (obwohl ich nicht weiß, ob es letztlich die 2. Single wurde), etwas ruhiger und gefühlsbetonter und trotzdem poppig genug für den Durchschnittsradiohörer. Auf dem Tonträger sind 13 Songs, nicht zu lang und nicht zu kurz, und so wird man für etwas über eine Dreiviertelstunde kurzweilig unterhalten. Und ja, das klingt alles ganz nett, es gibt keinen einzigen Patzer oder Totalaussetzer und die Damen haben angenehme Stimmen, aber es ist so schnell vergessen wie gehört.
"Volume 1" erschien bereits vor dem Ende der "Popstars"-Staffel in 3 verschiedenen Versionen. 3 der 4 letztendlichen Mitglieder standen bereits fest, für den vierten Platz gab es noch 3 Finalistinnen. Also hat man alle 3 das Album einsingen lassen, zusammen mit den Anrufen entschieden dann die Verkaufszahlen, welche der 3 in die Band kommen würde. Ich habe mir damals, da ich im Alter von 12 Jahren die Sendung mitverfolgt habe, die Version mit Finalistin Antonella gekauft, und die wurde letztlich auch Teil der Gruppe. Ich beziehe mich bei dieser Review auf besagte Edition, obwohl ich mir denke, dass es nicht allzu viel Unterschied machen würde.
Anm.: In einer vergangenen Review habe ich einmal den Fehler begangen, deutsche Casting-Girlgroups mit den Spice Girls und den Sugababes zu vergleichen, um zu demonstrieren, dass da qualitativ noch viel Luft nach oben ist. Das ist freilich allein schon deshalb Blödsinn, weil die beiden von mir genannten britischen Gruppen ihre Lieder selbst schrieben und maßgeblich am kreativen Prozess beteiligt waren, außerdem gingen sie nicht aus einem Casting hervor. Bands wie Queensberry, oder auch Monrose, sind hingegen reine Interpreten, die über bereits produzierte Beats bereits komponierte Melodien mit bereits geschriebenem Text einsingen. Es sind im Grunde Studiomusikerinnen, die sich ihre Stilrichtung und ihr Image nicht aussuchen konnten und sich gegenseitig auch nur vom Casting kennen. Das ist, als würde man Shrimps mit gegrilltem Lachs vergleichen, nur, weil beides aus dem Wasser kommt.
★★1/2☆☆ (2 1/2 von 5)