Ein schwerer düsterer Synthesizer bahnt sich den Weg in unseren Gehörgang. Wir sehen ein Raumschiff, das auf die Erde zusteuert und in der Atmosphäre verschwindet. Schnitt. Ein einsamer Husky spurtet durch die frostig-weiße Landschaft der Antarktis. Auf und ab jagt er durch den hohen Schnee. Über ihm zieht ein Hubschrauber seine Kreise. Ein dick eingepackter Mann mit Schneebrille zielt aus dem Hubschrauber heraus mit einem Gewehr auf den Hund. Schüsse fallen. Der Synthesizer brodelt gefährlich im Hintergrund vor sich hin. Der Hund rennt weiter auf eine nah gelegene Forschungsstation zu. Die Kugeln verfehlen ihn. Schließlich erreicht er die Station. Der Albtraum nimmt seinen Lauf.
Das Ding aus einer anderen Welt von John Carpenter hat meine Welt damals auf den Kopf gestellt. Carpenters Film von 1982 ist bereits die zweite Interpretation des Stoffes. Er basiert, genau wie der erste Film aus dem Jahr 1951 auf der Erzählung Who Goes There? von John W. Campbell Jr. und ist nicht ohne Grund noch heute einer von John Carpenters Favoriten, was seine eigene Filmografie betrifft. Im Laufe seiner Karriere hat Carpenter einige Filme gedreht, die ich zu meine Lieblingen zählen würde: Die Klapperschlange, Halloween - Die Nacht des Grauens, Big Trouble in Little China, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber keiner von ihnen kommt an Das Ding heran. Ich hatte von dem Film in einem Podcast gehört und bereits mein Faible für Horrorfilme entdeckt. Also ging ich los und besorgte mir Das Ding auf DVD, machte es mir auf meiner Couch gemütlich und harrte der Dinge, die da kommen. Und ich wurde überrollt.
Warum ich dem Ding aus einer anderen Welt mein Herz schenke
Es gibt mehrere Gründe, Das Ding von John Carpenter zu lieben. Zum einen ist es die Regie von Carpenter. Er lässt sich Zeit mit der Geschichte und mit der Entwicklung. Ich mag das Erzähltempo und die sich langsam aufbauende Geschichte. Heutige Horror- und Slasherfilmen sind schnell geschnitten, arbeiten mit einer wackligen Kameraführung und verlassen sich auf den Effekt billiger Jump-Scares. Selten lässt man sich heute noch Zeit, baut Stimmung und ein Setup auf, um den Zuschauer in die richtige Stimmung zu bringen. Das Ding ist nur ein Beispiel für viele Filme seiner Zeit und davor, welche mit dem Genre des Horrorfilms noch anders umgingen als moderne Werke der Horror-Gattung. Ein Genre, das sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat, und das nicht unbedingt nur zum Positiven.
Warum auch andere Das Ding aus einer anderen Welt lieben werden
Die dem Film zugrunde liegende Story ist simpel. Eine Basis in der Arktis wird von einem Alien befallen, das sich in andere Organismen einnisten kann, um sie zu übernehmen und perfekt zu imitieren. Die Frage, wer ist noch Mensch und wer ist bereits Alien, bildet das Zentrum des Films. Ursprünglich eine Parabel auf den Kommunismus, geht es in Das Ding um elf Männer, eingeschlossen von Eis und Schnee, die zusammenarbeiten müssen, um zu überleben. Doch wem kann man trauen? Kurt Russell macht in diesem Film eine wirklich gute Figur in seiner Rolle als MacReady. Es ist immer wieder schön, die Kombination Russell/Carpenter zu sehen, die uns in den 80ern einige trashige Filmperlen beschert hat, wie die eingangs schon erwähnte Klapperschlage oder Big Trouble in Little China.
Die simple Geschichte wird von Carpenter packend umgesetzt, so dass der Zuschauer stets überlegt, wem wohl noch zu trauen ist und in wem bereits die grauenhafte Brut schlummert. Doch der Film wäre nicht halb so viel wert, wenn da nicht die spektakulären Effekte wären. Für diese zeichnete der, damals mit Anfang zwanzig sehr junge, Rob Bottin verantwortlich. Er erschuf einige der besten Effekte, die mir jemals im Genre des Horrorfilms untergekommen sind. Mit viel Liebe zum Detail und einigen echt extrem abgedrehten und verstörenden Sequenzen machte er aus dem guten Film Das Ding ein Meisterwerk, welches mich bis heute bewegt und in Entzücken versetzt. Er selbst arbeitete hart für den Film und musst gegen Ende der Dreharbeiten wegen Erschöpfung sogar ins Krankenhaus, nachdem er lange Zeit sieben Tage die Woche gearbeitet hatte. Und es hat sich gelohnt. Surrealistische und albtraumhafte Wesen zauberte er auf die Leinwand, die heute noch ihresgleichen suchen.
Warum Das Ding aus einer anderen Welt einzigartig ist
Damit sind wir auch schon mittendrin. Neben seiner dichten Atmosphäre, seiner durchweg guten Besetzung, dem Soundtrack von Ennio Morricone und John Carpenter sowie der exzellenten Regie von letzterem besitzt Das Ding einige unglaubliche Effekte und tolle Schauwerte. Wie ich bereits vielleicht bemerkt habe, liebe ich handgemachte Effekte und auch den Einsatz von Puppen anstatt von Computereffekten. Auch wenn handgemachte Effekte als solche zu erkennen sind, sind sie für mich immer noch angenehmer zu betrachten als jedes CGI. Diese Dinge haben für diesen Moment wirklich existiert. Sie waren nicht nur auf dem Bildschirm eines Rechners zu sehen, sondern in einem Raum mit den Schauspielern. Sie wurden in mühevoller Handarbeit hergestellt und sind vor allem in Das Ding so unglaublich kreativ-bizarr und abgedreht.
Wer schon immer mal sehen wollte, wie ein Brustkorb die Hände eines Mannes frisst, der diesen gerade defibrillieren wollte, der ist hier richtig. Es gibt mehrere Szenen, die mich immer noch völlig umhauen. Oft sitze ich da und frage mich, wie zur Hölle haben die das gemacht, und wie sind die überhaupt auf diese Idee gekommen? Bei CGI würde sich zumindest erstere Frage für mich nicht stellen. Die vorhin beschriebene Szene mit dem Defibrillator ist nur der Auftakt einer längeren Verkettung von Absurditäten, an deren Ende der zugehörige Kopf zum Brustkorb versucht, sich aus dem Staub zu machen. Das alles sieht unglaublich gut und eklig aus und hat kein Stück seiner Wirkung verloren.
Warum Das Ding aus einer anderen Welt die Jahrzehnte überdauern wird
Wenn 2010 ein 18-jähriger Junge einen Film von 1982 schaut, nachdem er schon ein paar gut gemachte Horrorfilme gesehen hat und trotzdem schwer fasziniert ist von dem, was sich da auf dem Bildschirm abspielt, dann hat der Film alles richtig gemacht. 28 Jahre hatte Das Ding damals auf dem Buckel, und noch heute schaue ich ihn mit der gleichen Begeisterung. Darum sehe ich keinen Grund, warum es dieser Film nicht auch weitere 28, 50 oder 100 Jahre schaffen sollte. Ich habe mein Herz vor 5 Jahren John Carpenters Das Ding geschenkt, und es hat mich nie enttäuscht. Manch eine Ehe ist kürzer. Aber ich würde mein Jawort jederzeit erneuern. Ja, das ist wahre Liebe. Amen!
P.S.: In Vorbereitung auf diesen Text habe ich mir auch das Original von 1951 und das Prequel von 2011 zu Gemüte geführt. Zu beiden sei nur jeweils kurz eine Anmerkung erlaubt. Das Original von 1951 lohnt sich schon aus filmhistorischer Sicht und ist noch heute gut guckbar und kann mit guten Dialogen punkten. Dem Prequel stand ich sehr skeptisch gegenüber, musste aber feststellen, dass ich positiv überrascht wurde. Die Effekte sind zwar Meilen unter dem Niveau von Carpenter, aber er gibt sich redlich Mühe. Nett anzuschauen, gebraucht hätte ich ihn allerdings nicht.
Wie hat euch Das Ding aus einer anderen Welt von John Carpenter gefallen?