Ich weiß, meine Lieben, es hat lange gedauert, aber zuerst war ich etwas im Stress und dann hat es etwas gedauert, wieder hereinzukommen, aber jetzt ist es endlich da: das Finale meiner 30 liebsten Erstsichtungen 2016. Gemeint sind damit Filme egal welchen Alters, die ich letztes Jahr zum ersten Mal gesehen habe. Und ich kann euch nur sagen: ich habe so dermaßen falsch gelegen, als ich dachte, ich hätte schon alle der großartigsten Filme, die es auf dieser Welt gibt, durch. Ich habe mich in alle Filme, die ihr in diesen Top Ten bewundern dürft, komplett verliebt. So große Glücksgefühle und ein mentales "Jawohl! Genau deshalb wurde ich damals Filmfan!" habe ich schon lange nicht mehr gespürt. Wunderbar.
Na dann, viel Spaß damit, wenn auch verspätet!
10. Steve Jobs
Etwa zwei Jahre nach dem meiner Meinung nach sehr gelungenen jOBS - Die Erfolgsstory von Steve Jobs mit dem überraschenderweise gut besetzten Ashton Kutcher legt Meisterregisseur Danny Boyle mit einer weiteren Adaption der Apple-Geschichte - eher zufällig, da beide etwa zeitgleich in Produktion gehen. Doch beide Filme ähneln sich kaum: ist der andere Streifen ein informatives Biopic, welches die Karriere der Titelfigur bebildert, exzerpiert "Steve Jobs" mit einem unübertrefflichen Michael Fassbender, umgeben von einem ihm ebenbürtigen Cast drei kurze Szenen aus deren Leben, um ein beeindruckend inszeniertes Charakterportrait des Unternehmers darzustellen. Dabei wird vor Allem die schwierige Persönlichkeit der Hauptfigur durch fantastische schauspielerische Leistungen, intensive Dialoge und eine Inszenierung mit der Spannung eines Thrillers eingefangen. "jOBS" bietet mehr Wissen, aber "Steve Jobs" ist mindestens doppelt so künstlerisch.
9. The Hours - Von Ewigkeit zu Ewigkeit
Wenn man in einem Episodenfilm drei der größten Charakterdarstellerinnen in 3 gleich großen Hauptrollen besetzt, dann kann man sich schon Einiges erwarten, aber bei "The Hours" wurden meine kühnsten Erwartungen übertroffen. Nicht nur geben die drei Schauspielerinnen Nicole Kidman, Meryl Streep und Julianne Moore feinfühlige und mit viel Fingerspitzengefühl vorgetragene Darbietungen, die 3 Geschichten, welche durch Parallelen, Spiegelungen und gegenseitige, indirekte Beeinflussungen einen poetischen Charakter erhalten, sind mit einer wahnsinnig packenden Intensität in Szene gesetzt worden, sodass wir schon bald eine Sogwirkung zu spüren bekommen, da nie vorherzusehen ist, wohin uns die seelische Reise dieser 3 Figuren führt. Klar wird, sie alle haben Trauer in sich, doch dieser zeigt sich auf unterschiedlichste Weise.
8. Hana-bi - Feuerblume
"Hana-Bi" ist ein introvertierter Film und vermutlich gerade deshalb so überwältigend. Er erzählt eine im Grunde brutale und blutige Geschichte um Yakuzas und korrupte Polizisten auf eine ruhige und auf die Gefühle der Bereiligten eingehende Weise. Takeshi Kitano, Autorenfilmer und Hauptdarsteller, hat einen stillen Film erschaffen, bei welchem wir uns konzentrieren und genau hinhören müssen. Statt auf Action und sensationelle Inszenierung ist man hier darauf bedacht, kleinere Dinge im Leben der Figur zu zeigen, fast schon meditativ legt man Wert auf das alltägliche Erleben, sieht einem Drachen zu oder lauscht dem Meeresrauschen. Ein sehr auf die audiovisuellen Sinne bedachtes Werk, welches jenseits von einer klaren filmischem Geschichte liegt, und dabei trotzdem ausgesprochen viel von seinem extrem wortkargen Protagonisten preisgibt.
7. Rashomon - Das Lustwäldchen
"Rashomon" von Meisterregisseur Akira Kurosawa zeigt das selbe Verbrechen aus mehreren Blickwinkeln, die sich allesamt komplett widersprechen. Nicht nur wäre jedes einzelne Segment des Episodenfilms für sich genommen meisterhaft und mit einer für das japanische Kino typischen Ästhetik zwischen Bild und Geschehen eingefangen, durch die Zusammenfügung der einzelnen Passagen entsteht eine Parabel, welche die Subjektivität der Realität hinterfragt. Wer letztendlich die faktische Wahrheit sagt, bleibt dem Zuschauer überlassen und ist von daher genau individuell interpretierbar wie es die Filmcharaktere mit der Tat im Film tun. Das Ganze gespickt mit japanischen Eigenheiten, welche für den westlichen Zuschauer ungewohnt und aufregend sind.
6. Paper Moon
Buddy Movies funktionieren dann, wenn die Chemie zwischen den beiden Charakteren stimmt. Und in "Paper Moom" ist das Vater-Tochter-Gespann Ryan und Tatum O'Neal als clevere Gauner und Trickbetrüger so wunderbar komisch und schlagfertig im Umgang miteinander, dass die Komödie zu den größten Highlights des Genres zählt. Es ist aber auch ein Werk, welches als Film an sich funktioniert, und sich nicht auf Lachern ausruht. Das ungleiche Paar schlägt sich von Kurzgeschichte zu Kurzgeschichte und nimmt von jeder irgendetwas mit - manchmal wortwörtlich. Die von Madeline Kahn und P.J. Johnson gedpielten Nebenfiguren des psychisch labilen Sugargirls Trixie und ihrer unglücklichen schwarzen Dienerin Imogene nehmen in einer kurzen Episode der Story den Bildschirm für sich ein. Der Film charakterisiert die USA zur Zeit der großen Depression auf lockere und sympathische Art und Weise ohne an Komplexität und Charaktertiefe einzubüßen.
5. Onibaba - Die Töterinnen
"Onibaba" zeigt die volle Faszination des japanischen Kinos, welche sich in dieser eigentlich simplen, aber nichtsdestotrotz imposant erzählten Moralgeschichte in jeder Szene entfaltet. Dabei wirkt der Film, welcher auf einer alten Legebde basiert, wie ein Märchen, jedoch nicht im heute verklärten Sinn: er ist grausam und gnadenlos, bestraft diejenigen, die sich nicht richtig verhalten, gnadenlos und unbarmherzig. Er bedient sich der Ästhetik des Schönen (idyllische Landschaftsaufnahmen) wie auch des Hässlichen (Fratzen und Gewalt) und setzt sie wie ein Maler gekonnt und mit perfekt positionierter Kamera in Szene. Symbolkraft wird hier groß geschrieben und so bekommt durch unmissverständliche Gesten trotz seines Minimalismus gewaltige Dimensionen.
4. Mein Freund Harvey
Das Schöne an "Mein Freund Harvey" ist, dass der Film den Träumer träumen lässt und die Leute, die ihn als unnormal ansehen, stattdessen ins Zentrum der Komik stellt. Letzten Endes macht sich nicht Elwood Dowd lächerlich, sondern alle, die den gutherzigen und stets nur positive Gefühle verbreitenden Mann ändern wollen. Feindlich ist ihm dabei niemand gesinnt, man will ihm eigentlich nur helfen, aber hilft ihm das wirklich? Oder sind dann nicht letzten Endes diejenigen verrückter, die die Verrückten nicht verrückt sein lassen, obwohl sie nur Gutes im Sinn haben und alle glücklicher machen? Ein origineller, lebensbejahender, wunderschöner und nicht zuletzt auch witziger Film mit einem umwerfenden James Stewart und einem - wenngleich nicht für jedermann sichtbaren - genauso umwerfenden Puka.
SPOILER:
Ich mag die Tatsache, dass sich Harvey letzten Endes doch als real entpuppt. So viele Filme mit fantasievollen Themen und Potenzial fühlen sich irgendwann dazu verpflichtet, eine rationale Erklärung einzubauen, etwa, dass die Hauptfigur sich das Geschehen erträumt oder schizophren ist - "Harvey" macht das Gegenteil: er beginnt rational und wird im Laufe fantastischer.
3. The Hateful 8
Weshalb Django Unchained als geniales Meisterwerk und ein einnehmender Film wie "The Hateful 8" als Enttäuschung gilt, wird mir nie einleuchten. Nichts gegen "Django", er ist ein großer Film mit Charakterspiel, intelligenter Aussage und kultigen Figuren. Was mir jedoch fehlte war die Dreckigkeit und die Nostalgie, mit der Virtuose Quentin Tarantino sonst immer an seine übermächtigen Filme herangeht, sowie sein Hang zu Stilkniffen in der Erzählweise. All das gibt es in "Hateful 8" aber im Überfluss. Bereits in der ersten, langen Einstellung bekommen wir das Gefühl, dass uns Großes erwartet und es wird von da an nur noch besser. Ein episches Kammerspiel, welcher versucht, den Zeitgeist der Nach-Bürgerkriegs-Ära einzufangen, dabei aber ein hohes Maß an Stilsicherheit bietet, wie man es nur von Tarantino kennt. Die Vorzüge des Filmes müssen eigentlich kaum genannt werden, das Feeling und die Qualitäten des Filmemachers sind markant und unerreicht. Ein Da Vinci ist ein Da Vinci und ein Tarantino ist ein Tarantino. Und "Hateful 8" ist das neueste und überraschend zornige Meisterwerk seiner Gallerie.
2. Panzerkreuzer Potemkin
"Panzerkreuzer Potemkin" gilt als Meilenstein des Kinos und als geschichtliches Artefakt, vollkommen zurecht und ohne einen übertriebenen Status zu haben. Sergei M. Eisenstein gelingt es durch den einzigartigen Einsatz von ikonischer Montagetechnik vollkommen ohne Protagonisten nicht nur auf schockierend drastische Weise einen Aufstand zu bebildern, sondern die Revolutionsstimmung auch extrem hautnah zu übermitteln. Durch eindeutige Gesten und Handlungen wird symbolisiert und letzten Endes hat ein verweigerter Teller Suppe mehr Aussagekraft als jede noch so komplexe Story. Den Stummfilm muss man erleben, darüber zu lesen oder davon zu hören reicht nicht; man muss selbst den bitteren Unmut, denaufkommenden Zorn, die aufsteigende Kampfeslust und die sich wehrende, schreiende Masse spüren, um den Impakt letztlich absolut nachvollziehen zu können.
1. Zoomania
Vielleicht gibt es für jeden den Film, in dem er sich persönlich am Meisten wiederfindet. Viele Filme, die absolut genial und unvergleichlich einnehmend sind, um es mal salopp auszudrücken - und das sind auch Filme, die sich larger than life anfühlen. Aber es gibt nur diesen einen Lebensfilm. Er muss nicht der beste sein, aber er muss sich - klick - sofort mit dir connecten. "Zoomania" hat eine Welt voll anthropomorpher Säugetiere, welche hoch komplex und durchdacht ist, und welche eine eigene Infrastruktur samt sozialen Schichten bietet. Ich warte schon viel zu lange auf einen Film, der das absolut lebensnah schafft, und sobald Judy Zootopia betritt konnte ich genau das fühlen, was sie in dem Moment gefühlt hat. Nachdem man dort dann einige Zeit verbracht hat, versteht man auch bald die Plätze, Rangordnungen und Grenzen der Stadt - und natürlich will man sie mit Judy niederreißen. Die Tiere ist Zootopia sind realistische Entwicklungen ihrer Spezies. Sie haben einige der urtypischen Eigenschaften und Instinkte - hat der Mensch ja auch - aber trotzdem Intelligenz und Bewusstsein und werden nicht darauf reduziert. "Zoomania" ist zudem ein perfektes Buddy- bzw. Odd Couple-Movie, bei dem die beiden Hauptfiguren Nick Wilde und Judy Hopps die vielleicht beste Chemie seit Katharine Hepburn und Humphrey Bogart in African Queen besitzen, dabei aber noch mehr Facettenreichtum zeigen: sie necken sich viel, was lustig anzusehen ist, doch sie teilen auch melancholische, wütende und gefährliche Momente und zeigen komplexere Persönlichkeiten. Wohl bekannt ist, dass der Film eine Botschaft setzt - aber selbst wie er diese umsetzt hat mich überrascht: viele andere Werke haben versucht, konkrete Probleme anzusprechen und dabei Tierspezies bestimmten menschlichen Gesellschaftsgruppen zuzuordnen. Die Welt in "Zoomania" hat dagegen ihre eigenen Gruppen, Vorurteile und Klischees und braucht sich nicht mit der realen Welt zu vergleichen, um seine Message rüberzubringen. Er bleibt stets innerhalb von Zootopia, wo man sich sowieso schnell einfindet. Als Sahnehäubchen dann noch einen gewaltigen und lockeren Sommerhit von Shakira, welchen sie nit nie dagewesener Leichtigkeit performt. Ganz ehrlich - viel klarer konnte mein Platz 1 kaum ausfallen.
So, was habt ihr denn 2016 gesehen, was euch so richtig beeindruckt hat? Was haltet ihr denn von den 30 Filmen, die ich hier vorgestellt habe? Habt ihr vielleicht etwas Neues entdeckt? Lasst es mich bitte wissen und ich freue mich über jeden Kommentar!