Netflix-Serie vom 4 Blocks-Macher: Freud blickt in seelische Abgründe

25.02.2020 - 18:30 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
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In der Netflix-Serie Freud, die auf der Berlinale ihre Premiere feierte, wird ein junger Sigmund Freud in eine Reihe verstörender Verbrechen verwickelt und blickt in den Abgrund der menschlichen Seele.

Netflix ist dieses Jahr auf der Berlinale im Serienbereich stark vertreten. Nicht nur wird im Rahmen des Festivals das Jazz-Drama The Eddy seine Premiere feiern. Auch die deutsch-österreichisch-tschechische Koproduktion Freud hat es in die Auswahl der Berlinale Special Series geschafft. Kreativer Kopf hinter dem Projekt ist niemand Geringeres als 4 Blocks-Mastermind Marvin Kren.

Das macht neugierig, immerhin ist Marvin Kren mit unangepassten Genrefilmen wie Rammbock und Blutgletscher bekannt geworden, ehe er sich in der Serienlandschaft mit der Gangstergeschichte rund um Toni Hamady etablierte. Das im Wien der 1880er Jahre angesiedelte Freud könnte nicht weiter weg vom Neukölln der 2010er Jahre sein. Der Einstieg in die Netflix-Serie vermag trotzdem zu fesseln.

Die wichtigsten Fakten zur Netflix-Serie Freud

  • Alle acht Episoden der 1. Staffel von Freud wurden von Marvin Kren als Regisseur inszeniert. Zudem schrieb er gemeinsam mit Stefan Brunner und Benjamin Hessler die Drehbücher.
  • Robert Finster verkörpert den jungen Sigmund Freud, der zu Beginn der Handlung noch weit davon entfernt ist, die Welt mit seinem Denken zu beeinflussen. Im Gegenteil: Viele halten ihn für einen Scharlatan.
  • Freud ist eine Koproduktion von Satel Film und Bavaria Fiction. Die Serie wurde für das ORF und Netflix in Auftrag gegeben. Es ist das erste Projekt dieser Art.
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Ein junger Papst, ein junger Dumbledore und, ja, jetzt auch ein junger Sigmund Freud: Film und Fernsehen werden momentan geradezu überschwemmt von jungen Ebenbildern vertrauter Figuren, die wir für gewöhnlich eher aufgrund ihres Schaffens in einer späteren Lebensphase kennen - völlig egal, ob fiktiv oder basierend auf realen Ereignissen. Netflix trifft mit Freud also einmal mehr den Nerv der Zeit.

Ein junger Siegmund Freud mischt Netflix auf

Einen kleinen Twist hat die erste Folge auch gleich parat. Mit Steven Moffats Dracula-Serie, die Anfang des Jahres auf Netflix veröffentlicht wurde, kann Freud zwar nicht mithalten. Dafür spielt der Einstieg der Serie bewusst mit unseren Erwartungen. Sigmund Freud (Robert Finster) wird uns im Rahmen einer intensiven Hypnose vorgestellt. Schnell wird jedoch klar: alles nur Schauspiel, alles nur Inszenierung.

Mit seiner Haushälterin hat sich der junge Arzt zusammengeschlossen, um gewissermaßen ein Theaterstück zu proben, das im Anschluss als Beweisführung gegenüber den Gelehrten dienen soll. Die lachen ihn aufgrund seiner - zur damaligen Zeit abwegigen - Theorien meistens aus. Als der spätere Begründer der Psychoanalyse zum ersten Mal seine Ideen präsentiert, erntet er Spott und Häme.

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Die Netflix-Serie bricht damit bewusst das Bild, das wir von dem grübelnden Sigmund Freud mit strengem Blick haben. Marvin Kren und seine Autoren schaffen hier vielmehr einen klassischen Serienhelden, der in eine Reihe geheimnisvoller Ereignisse involviert wird und sich in der nachfolgenden Aufklärung einer Mordserie aufgrund seiner besonderen Kenntnisse und unkonventionellen Methoden als Schlüsselfigur erweist.

Freud und die tragischen Gestalten im Nebel von Wien

Wo andere am Rand einer Karte nur die lauernden Drachen sehen, will Sigmund Freud als Kartograf das Unbekannte erforschen. Das Eindringen in das Unterbewusstsein seiner Mitmenschen erweist sich als knifflige Angelegenheit - in Fleur Salomé (Ella Rumpf) glaubt er jedoch, ein Medium gefunden zu haben, dass ihm Zugang zu jener Welt schafft, die ihm bisher trotz aller Überzeugung verschlossen blieb.

Fortan geht es darum, Regeln zu brechen und Grenzen zu überschreiten - gerne auch mithilfe von Kokain. Nur so erträgt Sigmund Freud die feine Gesellschaft dieses Wiens, das sich vor allem dann als spannender Schauplatz erweist, wenn Marvin Kren den Nebel unter den Brücken beobachtet und in den dunklen Straßenzügen eine tragische Gestalt wie den Polizeiinspektor Alfred Kiss (Georg Friedrich) entdeckt.

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Der wird eingeführt als tobende Instanz, fast wie ein Bösewicht. Mit einer blutüberströmten Frau stürmt er in die Wohnung von Sigmund Freud und kriegt sich gar nicht mehr ein, so eindringlich schleudert er seinem Gegenüber kommandierende Worte ins Gesicht. Nach und nach stellt sich heraus, dass hinter der vernarbten Glatze und dem wuchtigen Schnurrbart eine zerrissene, verzweifelte Seele versteckt.

Der heimliche Star von Freud ist Georg Friedrich

Georg Friedrich erweist sich als klares Highlight in den ersten drei Episoden von Freud und erweitert ebenfalls die gesellschaftliche sowie die politische Dimension der Serie. Gezeichnet vom Krieg sind die Menschen hier - und trotzdem provozieren sie weitere Narben, wenn nicht sogar das Duell auf Leben und Tod, um das letzte bisschen Stolz zu wahren. Doch Ehre hat von diesen Männern kaum noch jemand.

Wo das Unterbewusstsein im Bezug auf Sigmund Freud und Fleur Salomé oftmals wie ein Gimmick wirkt, um den Krimi-Plot auf möglichst spektakuläre und mitunter äußert eklige Weise voranzutreiben, offenbart sich bei Alfred Kiss eine deutlich einnehmendere Tragik. Verdrängte Erinnerungen und grausame Taten - dagegen kommen nicht einmal die dämonischen Erscheinungen in Fleurs Visionen an.

Freud findet zwar auch großen Gefallen an diversen Horrorelementen. Am faszinierendsten sind jedoch die Einblicke in die Abgründe des Unterbewussten im Zusammenspiel mit dem Kontrollverlust. Was passiert, wenn Sigmund Freud, der selbsternannte Kartograf der menschlichen Seele, nicht mehr weiß, auf welchem Pfad er sich befindet?

Am Ende der drei Episoden, die auf der Berlinale gezeigt wurden, gelangt Freud mit dieser Frage an einen nervenaufreibenden Cliffhanger.

Die 1. Staffel von Freud startet am 23. März 2020 auf Netflix und umfasst insgesamt acht Episoden. Als Grundlage für diesen Seriencheck dienten die ersten drei Episoden, die auf der Berlinale zu sehen waren.

Werdet ihr euch Freud auf Netflix anschauen?

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