Machen wir uns nichts vor: Die Welt wird zunehmend dystopischer. Eine (welt)politische Hiobsbotschaft nach der anderen, der nächste potenzielle Weltkrieg immer nur eine Tweet-Länge entfernt. Und für die Dystopie Klimawandel müssen wir gar nicht mehr in die Zukunft blicken, wir sind schon mittendrin.
Es sind diese Zeiten, in denen ich Ablenkung brauche. Irgendetwas Einfaches, vielleicht sogar aktiv Dummes, was ich in Embryonalstellung auf der Couch streamen kann. Dann bin ich bei Joyn+ auf die wundervoll dämlichen "Funny Movies" von ProSieben gestoßen – und habe nach Staffel 1 der umstrittenen Filmreihe zum ersten Mal seit langer Zeit Frieden gefunden. Lasst mich euch überzeugen.
ProSieben startete 2008 eine spektakulär absurde Parodie-Reihe: die Funny Movies
Anfang der 2000er Jahre waren Filmparodien ein riesiges Ding. Das Scary Movie-Franchise machte sich nicht nur über Horror, sondern Hollywood im Generellen lustig und war damit sehr erfolgreich. Bei ProSieben schlug man dann in eine ähnliche Kerbe. 2008 erschien die erste Staffel der Funny Movies mit vier Filmen, die Blockbuster unterschiedlicher Genres persiflieren und bei denen als Drehbuchautor:innen sogar Leute wie Tommy Krappweis (Erfinder von Bernd das Brot!) oder Bora Dagtekin (Fack ju Göhte) involviert waren.
Das sind alle 4 Filme aus Funny Movie Staffel 1:
- ProSieben FunnyMovie: Dörte's Dancing: Parodie auf Tanz-Filme wie Dirty Dancing, in der Jeanette Biedermann als "Baby" durch ein autounfallinduziertes Koma zu sich selbst und der Liebe zu ihrem Verlobten zurückfindet. (Moviepilot-Rating: 1,5)
- ProSieben FunnyMovie: H3 - Halloween Horror Hostel: Parodie auf quasi alle Horror-Franchises, bei der eine Gruppe Teenager-Klischees (u.a. Axel Stein) in einer gruseligen Jagdhütte landet und gegen Serienkiller, Zombies und eine Puppe kämpfen muss. (Moviepilot-Rating: 2,6)
- ProSieben FunnyMovie: Eine wie keiner: Parodie auf Highschool-Teenie-Filme wie Eiskalte Engel, bei der Josefine Preuß als verklemmte Klosterschülerin mit dem fußballspielenden Klassenschwarm den Körper tauscht und ... unterschiedliche sexuelle Erfahrungen sammelt. (Moviepilot-Rating: 2,3)
- Spiel mir das Lied und Du bist tot!: Parodie auf Western-Klassiker, bei der zwei dümmliche Cowboy-Brüder nach ihrer verloren gegangenen Schwester suchen und dabei alle paar Minuten vor ihrer eigenen Hinrichtung flüchten müssen. (Moviepilot-Rating: 3,1)
Die Funny Movies sind ein Spiegel deutscher Mainstream-Komödien der frühen 2000er – im Guten wie im Schlechten
Insgesamt entstanden zwischen 2008 und 2013 drei Staffeln der Funny Movies mit insgesamt acht Filmen. Die Parodien sind in Teilen Horrorspiegel ihrer Zeit – inklusive homophoben und sexistischen Witzen und viel zu vielen Germany's Next Topmodel-Kandidatinnen in Nebenrollen. Wie und auf wessen Kosten sich stellenweise über Menschengruppen lustig gemacht wird, würde heutzutage zu Recht für einen ganz anderen Backlash sorgen. Gleichzeitig ist es schwer, Mainstream-Komödien aus dieser Zeit zu finden, die in dieser Hinsicht sensibler sind.
Seht hier den Trailer zu H3 – Halloween Horror Hostel:
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Die Einschaltquoten nahmen über die Jahre ab, die Kritiker:innen waren von Beginn an gnadenlos. Aber: Die Filme sind 70 Minuten Flachwitzgeballer, bei dem keine einstündigen YouTube-Videos notwendig sind, um das Ende zu verstehen. Im Kern klingt so eine Fernseherfahrung ohne Hausaufgaben und notwendige Hirnaktivität ziemlich gut für mich.
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Nun gibt es natürlich viele anspruchslose Formate, mit denen man sich nach einem auslaugenden Arbeitstag oder ausgelaugt durch die generelle Unerträglichkeit des Seins berieseln lassen kann. Was macht die Funny Movies so besonders? Die Antwort ist: Die Filmschaffenden geben keinen Fick. (Vielleicht mit Ausnahme von Eine wie Keiner, das eine ansatzweise kohärente Story hat und noch am ehesten als überdrehte Teenie-Highschool-Komödie Anfang der 2000er funktioniert.)
Seht hier den Trailer zu Dörte's Dancing:
Gerade noch erholt man sich davon, dass Frauenknast-Ikone Katy Karrenbauer Worte wie "Schwanzklemmkaiser" (!!!) in das Gesicht des stark schwitzenden Cowboys Jerry-Lee-Larry brüllt, da ext Deutschrap-Legende Oli P. in Dörte's Dancing auch schon eine Flasche Eigenurin. Jeanette Biedermann hält ihn auf, bevor er das Behältnis mit Sperma leeren kann. Eine interessante Grenze, die ProSieben hier beim Konsum von Körperflüssigkeiten zieht, aber darum soll es jetzt nicht gehen.
Jederzeit kann absolut alles passieren, weil alles egal ist. Genre, Musikwechsel, Figuren, fuck it. Alles auf einmal, alles wild durcheinander bis zum popkulturellen Schleudertrauma. So muss es sich anfühlen, wenn der TikTok-Algorithmus auf neun Wodka Redbull und drei Zügen an der Bong einen Nervenzusammenbruch hat.
Und wie nach jeder Party-Eskalation folgt auch nach der Filmerfahrung Taubheit, ein dumpfer Schmerz irgendwo im Schläfenbereich und das, wonach ich mich inmitten von Hiobsbotschaften und medialer Dauerbeballerung sehne – endlich Leere in meinem Kopf.
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