Kein Netflix-Film hat bisher so einen Hype ausgelöst wie Roma. Nach seiner Premiere gewann das Drama den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig, die Kritiker überschlugen sich und zum Oscar-Kandidaten wurde Roma auch gekürt. Nach einer kurzen Kino-Auswertung feierte das Schwarz-Weiß-Drama nun endlich auch Premiere bei Netflix, so dass alle Abonnenten Gelegenheit haben, sich selbst ein Bild zu machen. Die Geschichte eines Hausmädchens in einer Mittelklasse-Familie in Mexiko-Stadt wird genau beobachtet. Historische Ereignisse spielen sich jedoch oft nur im Hintergrund ab oder werden kaum erklärt. Deswegen wollen wir euch ein paar der drängendsten Fragen zu Roma in Kürze beantworten. Diese 5 Fragen können euch weiterhelfen beim Verständnis des fantastischen Dramas von Gravity-Regisseur Alfonso Cuarón.
Darum geht es in Roma: Cleo arbeitet in den frühen 70er Jahren als Hausmädchen in Mexiko-Stadt. Sie lebt zusammen mit und doch getrennt von der Familie, aber sorgt sich um die Kinder wie um ihre eigenen. Während der Vater sich mehr und mehr distanziert, hat Cleo mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen.
Frage 1: Warum heißt Roma eigentlich Roma?
Die kurze Antwort: Roma ist ein Viertel in Mexiko-Stadt. Die mittellange Antwort: Das Haus der Familie, bei der Cleo arbeitet, findet sich in dem Stadtteil Roma bzw. Colonia Roma. Zum Zeitpunkt des Films lebt hier die Mittelklasse. Sie kann sich Haushaltshilfen wie Cleo leisten, die aus ärmeren Gegenden stammen. Die Hausnummer im Film, Calle Tepeji 21, gibt es übrigens wirklich. Die Filmreferenz: Roma heißt auch ein Film von Federico Fellini, der das Leben im Rom der 70er mit jenem im faschistischen Italien kontrastiert. Dabei arbeitet Fellini genau wie Cuarón mit Erinnerungen aus seiner Jugend.
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Frage 2: Wie kommt es zu dem großen Brand?
Eines der wichtigen Themen in Roma sind die sozialen Ungleichheiten in der mexikanischen Gesellschaft, besonders zwischen den Vertretern der indigenen Volksgruppen (wie Cleo) und den Nachfahren der spanischen Eroberer (wie die Familie in Roma). So wird nebenbei bemerkt, dass Bewohner im Heimatdorf von Cleo vom Staat enteignet werden und sie die Rechte an ihrem Land verlieren. Das ist ein jahrhundertealter Konflikt in Mexiko, der bis heute anhält. In Roma nimmt er durch das Feuer Gestalt an, das beim Weihnachtsfest auf den Feldern vor einer Hacienda gelegt wird. Die Täter sehen wir nicht, doch alles weist darauf hin, dass es benachteiligte, vor allem indigene Bauern waren, die von spanischstämmigen Großgrundbesitzern ausgebeutet werden.
Frage 3: Was ist das für eine Kampfgruppe?
Splitternackt zeigt Cleos Freund ihr in einer der amüsanteren Szenen von Roma mit der Stange eines Duschvorhangs seine martialischen Kendo-Künste. Später sehen wir seine große Trainingsgruppe in einem der Slums von Mexiko-Stadt. Sie wird von Amerikanern angeleitet. Es ist ein dunkles Vorzeichen. Tatsächlich wurde die paramilitärische Schlägertruppe "Die Falken" (Los Halcones) Ende der 60er Jahre als Reaktion auf die linken Studentenproteste in den USA von der CIA trainiert und mit Stäben und Schusswaffen gegen die Demonstranten in Mexiko-Stadt eingesetzt. Sie rekrutierte sich auch aus Sportklubs.
Frage 4: Gab es das Massaker an den Studenten wirklich?
Cleo wird in Roma zur Zeugin eines Massakers an Studenten, woraus sich einige der erschütterndsten Szenen des Films entwickeln. Damit bricht in den Vordergrund, was in Roma sich lange Zeit im Radio, in Geschichten aus der Nachbarschaft oder auf den Parolen an Hauswänden abspielte: der Konflikt zwischen der linken Bewegung, die für Reformen einsteht, und der Regierung. Am 10.06.1971 wurde ein Demonstrationszug brutal niedergeschlagen, erst mit Stöcken, dann mit Schusswaffen, wie auch im Film gezeigt. Dabei handelt es sich um das Fronleichnam-Massaker bzw. El Halconazo. Unter Deckung von Polizei und Regierung gingen die paramilitärischen "Falken" brutal gegen linke Studenten vor. Die Schläger folgten den Verletzten bis in die Krankenhäuser. Die Schätzungen der Todeszahlen bewegen sich zwischen 35 und über 100.
Frage 5: Gab es Cleo wirklich?
Roma wird aus der Sicht des Hausmädchens Cleo (Schauspiel-Neuling Yalitza Aparicio) erzählt, die zum Volk der Mixteken gehört. Grundlage sind die Erinnerungen des Regisseurs Alfonso Cuarón an seine Kindheit. Cleo gab es nämlich wirklich. Auch Cuaróns Familie hat ein Hausmädchen angestellt, das für ihn zum Mutterersatz wurde und ihn "aufzog". Ihr echter Name lautet Liboria Rodríguez und sie begann ihre Arbeit im Haushalt der Familie, als Alfonso Cuarón gerade neun Monate alt war. Deswegen ist Roma der mittlerweile 74-jährigen "Libo" gewidmet.
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Auch andere Details des Netflix-Films sind realen Vorbildern entlehnt. Cuarón selbst hat wie im Film zwei Brüder und eine Schwester. Sein Pendant in Roma ist der mittlere Bruder Paco. Der Regisseur und Autor beschreibt den Inhalt von Roma als zu 90 Prozent einen Erinnerungen entnommen. Dazu gehören auch die Filme, die die Familie schaut, wie etwa der Science-Fiction-Film Verschollen im Weltraum.
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Quellen: Vice , DLF , Variety , New York Times , Vanity Fair
Habt ihr Roma schon geschaut?