Als wir am Montag darüber hier berichteten, dass Roman Polanski in der Schweiz verhaftet wurde, konnten wir es kaum glauben. Aber nach zwei Tagen ist es immer noch wahr und der international renommierte Regisseur sitzt auch jetzt noch in Haft, um wahrscheinlich in die USA ausgeliefert zu werden. Grund ist ein Verbrechen, welches Roman Polanski 1977 beging. Er hat ein minderjähriges Mädchen missbraucht und sich schuldig bekannt, hat aber vor der Urteilsverkündung aus den USA geflüchtet. Die internationale Filmwelt ist erschüttert, aber auch zerstritten. Während die einen sich darüber echaufieren, dass der Regisseur gerade jetzt verhaftet wurde und die Schweiz sich da nicht mit Ruhm bekleckert hat, finden die anderen, dass er endlich seiner gerechten Strafe zugeführt werden muss. Wir haben einige Stimmen für Euch zusammengesammelt.
Tanit Koch in der Welt plädyiert für eine Auslieferung in die USA: Er muss sich endlich vor Gericht verantworten, ist die eindeutige Position. Viele Gründe “lassen eine Gefängnisstrafe fraglich erscheinen und sprechen sogar für einen Abschluss des Verfahrens. Dies zu entscheiden, obliegt jedoch weder der Öffentlichkeit noch dem französischen Kabinett, sondern allein einem US-amerikanischen Gericht. Den Regie-Oscar konnte Roman Polanski in Abwesenheit entgegennehmen. Ein Urteil hingegen verlangt Anwesenheit.”
Das sehen andere nicht so und haben besonders die Schweiz im Visier. Hubert Mooser im Schweizer Tagesanzeiger geht dabei nicht zimperlich mit seinem Heimatland um. “Beim Regisseur Roman Polanski zeigte sich die Schweiz gnadenlos. Wenn es um blutrünstige Diktatoren, Kriegsverbrecher und bekannte Kriminelle geht, drücken die Polizeibehörden gerne beide Augen zu. … Kriminelle, Kriegsverbrecher, Diktatoren, Steuerbetrüger – all diesen bot die Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten Schutz. Weil es politisch opportun war – und den Banken wohl bekam.”
Auch aus Deutschland gibt es Stimmen. So schreibt die Süddeutsche Zeitung, dass die deutsche Filmszene aufgerüttelt ist. Gegen die “willkürliche Behandlung Roman Polanskis” haben auch die Internationalen Filmfestspiele Berlin protestiert und “seine sofortige Freilassung” verlangt, wie der Tagesspiegel feststellt. In der österreichischen Presse werden dann auch zahlreiche Unterstützer genannt: "Bis Dienstagmittag hatten nach Angaben der französischen Autorenvereinigung SACD bereits mehr als 100 Weggefährten des Oscar-Preisträgers eine entsprechende Erklärung unterzeichnet. Neben Regie-Kollegen Woody Allen und Wim Wenders finden sich unter anderem die Namen von Pedro Almodóvar, Monica Bellucci, David Lynch, Ettore Scola, Martin Scorsese, Tilda Swinton und Tom Tykwer auf der Liste. Die Regisseure, Schauspieler und Autoren nennen es “unannehmbar, dass eine internationale Kulturveranstaltung zur Ehrung eines der größten zeitgenössischen Cineasten in eine Polizeifalle verwandelt” wurde."
Außerdem gab es noch folgende Meldungen zu dem Fall:
Erstens: Roman Polanski hat in der Zürcher Haftanstalt Besuch von seiner Frau bekommen. Die französische Schauspielerin Emmanuelle Seigner gab sich nach der Zellenvisite “schockiert, aber kampfeslustig”, wie der Spiegel berichtet.
Zweitens: Nach Angaben seiner Anwälte wäre Roman Polanski einverstanden, für die Dauer des Auslieferungsprozesses in seinem Chalet in Gstaad unter Hausarrest gestellt zu werden. Dem Gericht sei auch eine Kaution vorgeschlagen worden.
Drittens: Die Staatsanwaltschaft in Los Angeles meldete sich ebenfalls zu Wort. Sie wehrte sich gegen Kritik, das Verfahren gegen Roman Polanski nicht korrekt geführt zu haben. Seit Jahren bemühe sie sich um die Verhaftung des Filmemachers, unter anderem mit Anfragen in Israel, England, Thailand und Frankreich.
Viertens: Nach der Verhaftung von Roman Polanski ist unsicher, ob sein neuer Film The Ghost rechtzeitig fertig wird. Damit könnte der gewünschte Start des Films zur Berlinale platzen.