Tatort - Loser-Roulette beim Todesspiel in Konstanz

19.01.2014 - 20:15 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Tatort - Todesspiel
SWR/ARD
Tatort - Todesspiel
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Der letzte Playboy von Konstanz wird ermordet aufgefunden, aber tiefgreifend möchte sich der neue Tatort um Klara Blum nicht mit der Welt der Bankrotten und Schönen auseinandersetzen.

Manchmal stellt sich ein Tatort schon durch seinen Titel ein Bein. Jedenfalls frage ich mich bei Betrachtung des ARD-Programms oft, ob ein System hinter der Titelvergabe steckt, à la: “Die unheilvollsten Titel gehen an Frankfurt oder München, da wird man ihnen gerecht (Der traurige König, Der frühe Abschied, Weil sie böse sind, Gestern war kein Tag…), mit dem generischen Rest werden Leipzig und Co. abgespeist (Todesstrafe, Todesbilder, Todesschütze…) und Borowski darf sowieso machen, was er will.” Der neue Konstanzer Tatort: Todesspiel hat seinen Titel absolut verdient, wenn auch nicht die Assoziationen mit einem sehenswerten Dokudrama von Heinrich Breloer. Das neue Todesspiel führt zu nichts weiter als einem 08/15-Krimi, der sich über seine eigenen Casting-Star-Referenzen beäppelt, die vor fünf Jahren vielleicht einen Mundwinkel in Richtung Himmel gezogen hätten.

Lokalkolorit: Um hier mehr als ein gelangweiltes “Nicht der Rede wert” zu hinterlassen, sei angemerkt, dass sich das Todesspiel in hip aussehen sollenden Bars herumtreibt und seine Figuren die Wände ihrer Lofts mit Schriftzügen wie “Carpe Diem” oder den wahrscheinlich durch eine iPhone-App zusammengewürfelten Namen von Großstädten verzieren. Ein besseres Beispiel für die tiefgreifenden Charakterisierungsversuche dieses Krimis gibt es nicht.

Plot: Ein gedeckter Tisch und ein Revolver mit fünf (oder doch sechs?) Kugeln. Darunter stellt sich Millionärssohn Benjamin Wolters einen netten Abend mit Freunden vor. Vielleicht hat er einfach zu oft Die durch die Hölle gehen gesehen, was wir ihm nicht verübeln können. Jedenfalls findet das irgendjemand wenig amüsant und so liegt Benjamin schon bald tot in seiner Bude. Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) ermitteln im Freundeskreis des Toten, wobei Perlmann gerade aus dem Urlaub zurück ist; das aber bestimmt nur, damit Blum ihm und uns in einer Szene den kompletten Fall noch einmal erklären darf. Ja, es ist ein ungemein clever strukturierter Tatort. Wie dem auch sei, die Freunde des Ermordeten – Designer-Klamotten-Verkäufer, Ex-Casting-Stars, Investment-Typen – haben alle ein Motiv und die gar nicht in den Zirkel passende Alisa ist auch nicht frei vom Verdacht. Wichtiger noch: Wird Perlmann seine fette Champagner-Rechnung bei den Spesen absetzen können?

Unterhaltung: Wer schon einmal einen Krimi gesehen hat, dürfte den Täter nach einer halben Stunde erraten haben und die Konstanzer sind auch nicht gerade für ihre Gags bekannt, insofern erübrigt sich die Überprüfung von Kategorien wie Spannung oder Unterhaltung. Betrüblich ist vor allem, dass der Krimi aus der Ansammlung von gescheiterten, aber ihren Lebensstil aufrecht erhaltenden Existenzen in der Oberschicht der Stadt keinen Profit schlägt. Perlmanns Undercover-Arbeit geht jeder Suspense ab, da sich das große Drama hier vor allem auf eine Spesenrechnung konzentriert (irgendwie typisch Konstanz). Und eine Milieustudie mit womöglich soghafter Charakterdynamik, wie sie viele Freundschaftskreisthriller und -dramen bieten (von Todfreunde – Bad Influence bis Peter’s Friends – Freunde sind die besten Feinde), suchen wir hier vergebens. Stattdessen gibt’s mal ein betontes “Der Daniel” (hi hi hi oder so) und über allem schwebt das Fazit: “Meh, junge Leute”. Toll.

Mord des Sonntags: Wir haben leider kein Foto für dich, Benjamin.

Zitat des Sonntags: “32 Jahre alt und noch nie gearbeitet. Was machen solche Leute den ganzen Tag?”

Aus Konstanz kommt ein – im schlimmsten Sinne – echter Konstanzer Tatort

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