The Deuce – Staffel 1, Folge 8: Am Ende bleibt der Schmutz

01.11.2017 - 09:30 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Pernell Walker in The Deuce: Mein Name ist RubyHBO
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Porno schön und gut. Doch die Hoffnung auf den tatsächlichen, nämlich Unterdrückungsstrukturen von Sexarbeiterinnen beseitigenden Wandel schwindet in der vorerst letzten Folge von The Deuce merklich. Ein bittersüßes Staffelfinale.

William Friedkin erzählt gern eine witzige Anekdote über James Franco, den offenbar mühelos zwischen Mainstream und Underground, Cola-Werbung und Spring Breakers, High und Low Art changierenden Star von The Deuce. Für seinen Film Interior. Leather Bar., in dem es um die verschollenen und mutmaßlich pornographischen 40 Minuten aus Friedkins legendärem Thriller Cruising geht, habe Franco von ihm wissen wollen, was dran sei an den Gerüchten um das nie gezeigte Material. "Drehst du nicht bereits?", soll Friedkin daraufhin gefragt und "ja, bin fast fertig" als Antwort erhalten haben. Ob diese Geschichte  wahrheitsgemäß ist, sei mal dahingestellt. Aber sie passt gut zum talentierten, sich in der Rolle des unbedingt vielseitigen Künstlers gelegentlich überinszenierenden James Franco. Als Produzent, Hauptdarsteller und Teilzeitregisseur nahm er auch in der 1. Staffel von The Deuce viel Raum ein. Nicht immer zum Vorteil der HBO-Serie.

Wirklich erklären zumindest konnte sie bislang nicht, warum Franco gleich zwei Figuren spielt, den charmanten Opportunisten Vincent und dessen windigen Zwillingsbruder Frankie. Zwar geht der Part auf ein tatsächliches Gespann aus dem New Yorker Nachtleben der 1970er Jahre zurück, normalerweise ist vordergründige Historizität jedoch keine erzählerische Bedingung von David Simon (und sowieso beißen sich Authentizitätsemphase und augenscheinlich kompliziert gedrehte Szenen, in denen Franco mit bzw. gegen sich selbst spielt). Zur Ehrenrettung seines leicht eitel wirkenden, mit Vanity Project  andererseits zu harsch betitelten Auftritts sei gesagt: Die unter Francos Regie entstandene 7. Folge war eines der Highlights von The Deuce – und Vincents Rolle als Bindeglied zwischen Mafia-, Polizei- und Sexarbeitsstrukturen ist für die Serie unverzichtbar. Niemand außer ihm kommt derart umfassend mit unterschiedlichen Milieus und ihren Repräsentanten in Berührung.

Pornographie als Selbstverwirklichung: Eileen gibt Darlene Regieanweisungen

Zudem durchläuft Vincent im Verlauf der Staffel eine unerwartete Entwicklung, vielleicht sogar die interessanteste aller Figuren. Obgleich er ein Nutznießer des vom amerikanisch-italienischen Mob organisierten Gastronomie- und Pornobetriebs ist, er also profitiert vom mörderischen Geschäft eines Pipilo ("Call me Rudy") und bestens in ökonomischen Nischen eingerichteten Hallodris wie Schwager Bobby und Bruder Frankie, erteilt Vincent den Bestrebungen eine Absage. Was ihn dazu bewegt, ist vorerst unklar. Anrühren möchte er die im Hinterzimmer des "Massagesalons" freilich unter sich aufgeteilten Einnahmen aus Prostitution und Sexfilmautomaten nicht, Gewissensbisse allerdings scheinen den Mann auch nicht gerade zu plagen. Nach der Ermordung von Ruby (Pernell Walker) geht ihm nur ein lapidares "it's the Deuce" über die Lippen. Er liebe Frauen, sagt Vincent. Aber so laufe es halt im Viertel, da könne man nichts machen.

Die anfangs etwas ungelenk ins Geschehen gebrachte Abby (Margarita Levieva) erwies sich ebenfalls als zunehmend reizvolle Figur. Sie stellte Vincents Machismo auf den Prüfstand, verhalf Sexarbeiterinnen zu entscheidenden Schritten und spielte für Barkeeper Paul den Kummerkasten – als figurale Leerstelle gewann Abby erst über zwischenmenschliche Beziehungen an Profil. Ihre Romanze mit Vincent markiert einen Fluchtpunkt der Intimität, so wie überhaupt nur das Bedürfnis nach Zweisamkeit die Menschen von The Deuce am Leben zu halten scheint: Ohne sein riskantes Verhältnis zu Reporterin Sandra (Natalie Paul) bliebe Officer Chris Alston (Lawrence Gilliard Jr.) nichts als Vorgesetztenschikane, falsche Kollegialität und die endlose Tristesse der Straße. Einzig durch gegenseitigen Rückhalt ertrug das räuberische Liebespaar Melissa (Olivia Luccardi) und Barbara (Kayla Foster) wiederum den Alltag der Prostitution, bevor es gewaltsam getrennt wurde.

Auf den letzten Metern versieht die Serie solche Begehrlichkeiten mit einem Fragezeichen. Abby ist befremdet von Vincent, Chris und Sandra stolpern über unauflösbare Interessenkonflikte. Für Sexarbeiterinnen hat sich die Lage trotz neuer Verdienstmöglichkeiten und der hoffnungsvollen Selbstverwirklichung wenigstens einer Figur verschlechtert: Am Status Quo ausgebeuteter Frauen ändert der schwindende Einfluss von weitgehend erfolglos aufs Porno- und Drogengeschäft umsattelnden Zuhältern vorerst gar nichts – Melissa wird nach Reggie Loves Tod an C.C. (Gary Carr) weitergereicht, Barbara geht für Larry (Gbenga Akinnagbe) ins Gefängnis. Die Welt ist im Wandel, verspricht Eileen (Maggie Gyllenhaal), der Schmutz auf den Straßen von New York aber bleibt. Ob David Simon mit The Deuce ein ähnlich komplexes Kaleidoskop wie The Wire gelingen wird, müssen kommende Staffeln zeigen. Seine vielgestaltigen Figuren bringen dafür alle Voraussetzungen mit.

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The Deuce ist wahlweise Deutsch synchronisiert oder im Original über Sky Ticket, Sky Go, Sky On Demand und auf Sky Atlantic HD zu sehen. Außerdem ist die Serie als digitaler Download bei Amazon, Deutsche Telekom, Google Play, iTunes, Maxdome, Sony Playstation und Xbox erhältlich.

Alle Recaps zur 1. Staffel von The Deuce:

Mehr: Starttermin der 2. Staffel von The Deuce steht: Noch mehr "Punk, Disco und Porn"

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