Lady Divine (Drag-Legende Divine) wird im Laufe ihres sagenumwobenen Skandalfilms von 1972 nach politischen Ansichten befragt und antwortet dem Interviewer mit voller Inbrunst: "Tötet jetzt alle! Duldet Mord ersten Grades! Befürwortet Kannibalismus! Fresst Scheiße! Schmutz ist meine Politik. Schmutz ist mein Leben." Willkommen in der dreckigen, versauten und kriminell komischen Welt von Pink Flamingos.
Der schwarzhumorige Film aus der Ära der Midnight Movies stellte den großen Durchbruch für Kultregisseur John Waters dar, der die Grenzen des Akzeptierbaren wie kein anderer im Auge hatte, nur um sie gekonnt zu überschreiten. Das ist Gegen- und Hochkultur-Trash für Leute mit Arte Magazin-Abo, wird in manchen Ecken der Welt aber immer noch unter dem Tisch gehandelt.
Pink Flamingos: Der versaute Skandalfilm von Trash-Papst John Waters
Darum geht es: Die höchstkriminelle Divine lebt unter dem Pseudonym Babs Johnson mit ihrer Mutter und weitere Delinquenten in einem von pinken Plastikflamingos bewachten Wohnwagen bei Baltimore. Dass eine Tabloid-Zeitung sie als "schmutzigste Person der Welt" bezeichnet, ist für sie der ultimative Ritterinnenschlag. Das will das schmierige Ehepaar Marble (Mink Stole und David Lochary) aber nicht auf sich sitzen lassen und schmiedet perverse Pläne, um Divine vom Thron der ultimativen Anrüchigkeit zu stoßen.
Ein unerbittliches Duell der maßlosen Verderbtheit beginnt, bei dem weder Inzest, Kannibalismus, Zoophilie, sexuelle Gewalt noch das Verzehren von Fäkalien vom Tisch sind. Besonders schockierend wirkt das Ende des Films, der samt Kommentar von Filmemacher Waters wie eine Freakshow mit dem (unsimulierten!) Verzehr von Hundekot endet.
Kein Wunder, dass Pink Flamingos unter manchen als Ausdauertest des Aushaltbaren gehandelt wird, bei dem viele kapitulieren. Und kaum zu glauben, dass Waters später eine relativ erfolgreiche Hollywood-Karriere mit Filmen wie Cry-Baby oder Hairspray hatte – und sogar Gastauftritte in Die Simpsons oder Alvin und die Chipmunks: Road Chip hinlegte.
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Exploitation auf dem Index: Pink Flamingos ist immer noch mancherorts unerlaubt
Während Pink Flamingos in den USA und UK beim Prestige-Verleih Criterion Collection auf Blu-ray und DVD erschien, sieht es andernorts zuweilen finster aus. Im Schweizer Kanton Zürich wurde der Film schon in den 70er Jahren beschlagnahmt und ist bis heute mit folgender Begründung verboten (via Deutschlandfunk Kultur ): "Der als Meilenstein in der Filmgeschichte angepriesene Film muss als ekelerregend und abstoßend eingestuft werden."
Unsere Nachbarn sind aber nicht die einzigen, die den Film beschlagnahmten und/oder verbieten ließen. Auch Australien sowie Teile von Kanada und Norwegen fanden den Exploitation-Skandalfilm überhaupt nicht kultig und in Neuseeland ist er bis heute nicht durch die Klassifizierung gekommen. In Deutschland ist Pink Flamingos zwar nicht explizit verboten, es gibt aber auch keine Heimkino-Veröffentlichung.
John Waters selbst drückte es vermutlich am besten aus mit seinem berühmten Zitat: "Man muss daran denken, dass es so etwas wie guten schlechten Geschmack und schlechten schlechten Geschmack gibt. Um schlechten Geschmack zu verstehen, muss man sehr guten Geschmack haben."